Gesundheitsämter an der Belastungsgrenze: Kontrolle der Impfpflicht zu viel
Mitte März sollen alle medizinisch und pflegerisch Beschäftigten geimpft sein. Doch es ist fraglich, ob die Ämter das kontrollieren können.
Ob in Krankenhäusern, Pflegeheimen oder bei der Hausärztin: Bis zum 15. März 2022 sollen alle Beschäftigten in Gesundheitseinrichtungen geimpft sein. Ab dann greift die sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht. Per Gesetz drohen Ungeimpften dann Tätigkeitsverbote, die das zuständige Gesundheitsamt aussprechen könnte. Doch die Ämter sind bereits seit Monaten durch die Pandemie überlastet.
In mehreren Bundesländern verkünden die Gesundheitsämter mittlerweile, die Impfpflicht nicht umsetzen zu können. Zudem bemängeln Behörden einige Unklarheiten im Gesetz. Es fehlten unter anderem Definitionen zum Prüfverfahren und zu weiteren betroffenen Berufsgruppen oder Einrichtungen.
Der Präsident des Deutschen Städtetags, Markus Lewe, forderte gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), dass Bund und Länder Klarheit schaffen. Wie es jetzt aussieht, können viele Ungeimpfte im Gesundheitswesen vorerst weiterarbeiten.
Das widerspricht dem Infektionsschutzgesetz allerdings gar nicht. Es verpflichtet Unternehmen nicht, ungeimpftes Personal direkt freizustellen. Es obliegt dem zuständigen Gesundheitsamt, „nach pflichtgemäßem Ermessen im Einzelfall über die weiteren Maßnahmen“ zu entscheiden, etwa Betretungs- oder Tätigkeitsverbote. Das teilte das Bundesgesundheitsministerium bereits Anfang Januar mit. Bei den Entscheidungen der Gesundheitsämter sei „auch die Personalsituation in der Einrichtung zu berücksichtigen“.
Digitales Meldesystem soll Ressourcen schonen
Die Unternehmen sind trotzdem verpflichtet, dem Gesundheitsamt Angestellte zu melden, die bis zum 15. März keinen Nachweis vorlegen. Kommen die Einrichtungen dieser Verpflichtung nicht nach, müssen sie mit Geldbußen von bis zu 2.500 Euro rechnen.
Um die Ressourcen der Ämter zu schonen, baten die GesundheitsministerInnen der Länder auf ihrer Konferenz am Montag den Bund, die Voraussetzungen für ein digitales Meldesystem zu schaffen. Auf Anfrage äußert sich das Bundesministerium dazu nicht. Aus dem Bremer Senat heißt es aber: „Die Gesundheitsämter sind gerade dabei, ein digitales Meldesystem zu entwickeln.“ Andere Länder wollten „in der aktuellen Planungs- und Abstimmungsphase konkrete Einzelheiten noch nicht weitergegeben“.
Mit den Meldungen ließe sich flächendeckend prüfen, wie viele MitarbeiterInnen aus dem Gesundheitswesen ungeimpft sind. Bisher gibt es nur Schätzungen, die von 5 bis 10 Prozent der MitarbeiterInnen ausgehen. Die Bundesagentur für Arbeit teilte der Deutschen Presseagentur mit, dass sich mehr Menschen als sonst aus dem Sozial- und Gesundheitssektor arbeitssuchend gemeldet hätten. Im Dezember und Januar seien es etwa 25.000 Personen mehr gewesen als üblich, und das nehme zu.
Erste Schritt zu allgemeinen Impfpflicht
„Über die einrichtungsbezogene Impfpflicht waren nicht alle Pflegekräfte glücklich“, sagt Claudia Moll, Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung. Nicht nur die Ungeimpften, wie sie erklärt: „Einige hatten wohl auch das Gefühl, dass sie nun wieder alleine die Last dafür tragen sollen, dass die Impfquote in der gesamten Bevölkerung nicht gereicht hat.“
Ähnlich äußerte sich Verdi-Chef Frank Werneke: „Es gibt diesen Eindruck, zum Fußabtreter dieser Coronapandemie gemacht zu werden.“ Obwohl im Gesundheitswesen die Impfquote sehr hoch ist, habe die Regierung dort eine Pflicht eingeführt, während die PatientInnen weiter ungeimpft bleiben konnten.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und die MinisterInnen der Länder sehen jedoch in der einrichtungsbezogenen Impfpflicht nur den ersten Schritt zur allgemeinen Impfpflicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Orbán und Schröder in Wien
Gäste zum Gruseln
BSW in Thüringen auf Koalitionskurs
Wagenknecht lässt ihre Getreuen auf Wolf los
Jaywalking in New York nun legal
Grün heißt gehen, rot auch
Steinmeiers Griechenland-Reise
Deutscher Starrsinn
Unwetterkatastrophe in Spanien
Vorbote auf Schlimmeres
Schließung der iranischen Konsulate
Die Bundesregierung fängt endlich an zu verstehen