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Kunsttipps der WocheZwischen den Zeichen

Queer, Systemresistent, allerlei Fäden: Die Punklegende Vaginal Davis lädt zum Pavilion; Jean-Ulrick Désert zeigt Textiles zu Stasi und „dem Speck“.

Installation view, Vaginal Davis, The Wicked Pavilion, Galerie Isabella Bortolozzi, Berlin, 2021 Foto: Graysc

G enuss einer Vaginal Davis ist geistig, ist politisch und ist Trash, dem guten, bildungselitären Geschmack widerstrebender Trash. Bei Isabella Bortolozzi hat die Blacktress, die im Untergrund einer queeren Punkszene im Los Angeles der 1970er und 1980er Jahre zur Künstlerin wurde, ein Pantheon der geistigen Freuden angelegt.

Ihre Ausstellung „The Wicked Pavilion“ ist ein dichtes, in Pink getauchtes Arrangement an Zeichen, Worten und Personen (in seinem tiefen Inneren: ein rotierender Penis aus Pappmaché). Geschriebene und noch zu schreibende Buchtitel liegen auf Regalen, ebenso Auszüge aus ihren Fanzines, gemalte und gedruckte Porträts von Joan Didion, Eve Babitz, Lucille Clifton, Octavia Butler, von Cholitas und von Queens füllen die Wände. Und so ist „The Wicked Pavilion“ auch der Olymp von Freun­d:in­nen im Leben wie im Geiste der Vaginal Davis, von jenen Kämp­fe­r:in­nen eines feministischen, queeren, kommunistischen, antirassistischen, dekolonialen Denkens.

Diese Ausstellung ist vieles: In der Galerie am Schöneberger Ufer ist sie eine eigene Form der Kunstinstallation und im Nebenraum Eden Eden eine Dokumentation über das unermüdliche Just-do-it der Performerin, Musikerin, Malerin, Bloggerin, Regisseurin, Vermittlerin für alles aus dem künstlerischen Underground, Gastgeberin und Agitatorin Vaginal „Creme“ Davis.

Auch zu sehen: Ihre legendäre DIY-Videoclip-Serie „The White to Be Angry“, untermalt mit Punkmusik der eigenen Drag-Variante. White Suprematism, Polizeikontrolle und Gewalt gegen People of Color sprengt sie darin mit subversivem Humor auf. „The Wicked Pavilion“ kriegt alle Hashtags, vor allem den: #Love.

„Der Speck“ und die Harfe

Vaginal Davis und Jean-Ulrick Désert könnten sich schon länger aus der Szene kennen. Beide sind vor vielen Jahren nach Berlin gekommen, noch bevor Schwarze queere Künst­le­r:in­nen überhaupt viel Öffentlichkeit erfuhren (für sein langes künstlerisches Schaffen in Berlin erhält der aus Haiti kommende Jean-Ulrick Désert jetzt übrigens einen Kunstpreis von Savvy Contemporary). Zumindest kennen beide auch den ehemaligen Panorama-Programmleiter der Berlinale, Wieland Speck. Im „Wicked Pavilion“ ist er – wenn auch versteckt – Teil des Figurenkabinetts und im Projektraum after the butcher holt Jean-Ulrick Désert, umgeben von den Druckarbeiten von Ciara Phillips, eine Stasi-Akte „des Speck“ hervor.

Der Westberliner war 1978 an einer Kunst-Protest-Aktion mit einem weiß gekleideten Harfenspieler auf der Berliner Mauer als Kameramann beteiligt (auf Youtube ist davon eine ebenfalls Punkmusik-untermalte Doku zu sehen), wodurch Wieland Speck fälschlicherweise als „Der Harfenspieler“ in die Annalen der DDR-Staatssicherheit einging.

Jean-Ulrick Désert ließ Kopien der originalen Stasi-Akte auf farbige Stoffe lasern. Hinter Glas gespannt, wirken die Dokumente eines nicht mehr bestehenden, paranoiden Überwachungsstaats wie im Verfall begriffene Papyrusrollen.

Auf ebenfalls antik scheinenden Tonscheiben stellt Désert das astrologische Datum der Aktion dar. Was passiert bei so einem Ereignis? Bürokratisch aber auch metaphysisch oder gar kosmisch?, fragt Jean Ulrick Déserts in seiner humorvolle Aufspannung unterschiedlichster Realitäten rund um einen Mauerauftritt mit Harfe.

Viertausend Einzelteile

Etwas abseits vom Geschehen einer Ausstellung der Humboldt-Universität im Tieranatomischen Theater auf einem verwunschenen Teil des Unigeländes hängt das „Wohl-Temperierte Hygrometer“ von Anna Kubelik und Oliver Schmid. Irgendwie Wirbelsäule eines gigantischen Urtiers, irgendwie schwebende Hammermechanik, fertigte Kubelik es aus viertausend Einzelteilen, aus Holz, aus Rosshaar oder aus Gewichten, als Interpretation des Wohltemperierten Klaviers nach Johann Sebastian Bach an.

Und: Das fragile Urwesen bewegt sich. Sein Material verändert sich, je nachdem wie viele Menschen den Raum betreten und die Atmosphäre um kleinste Nuancen verändern. Noch etwas mehr bringt der Musiker Oliver Schmid das Hygrometer ins Schwingen, wenn er die Installation während seiner Performances mit vibrierenden Rhythmen aktiviert.

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