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Ukraine-KriseEU droht Russland mit Sanktionen

Die EU warnt Moskau: Weitere Aggressionen gegen die Ukraine würden „hohe Kosten“ haben. Lettland will Nord Stream II als Druckmittel einsetzen.

Gespräch beim Gipfel: Bundeskanzler Scholz und der ukrainische Präsident Selenski Foto: dpa

Brüssel taz | Die EU will Russland von einem Krieg in der Ukraine abschrecken, sich zugleich aber um eine Friedenslösung bemühen. Beim EU-Gipfel in Brüssel beschlossen die 27 Staats- und Regierungschefs am Donnerstag wie erwartet, eine deutliche Warnung an Kremlchef Wladimir Putin zu schicken. Zugleich erneuerten sie aber ein Gesprächsangebot. Aus Moskau kamen Entspannungssignale.

„Jede weitere militärische Aggression gegenüber der Ukraine wird massive Konsequenzen und erhebliche Kosten nach sich ziehen“, heißt es in der Erklärung, die Bundeskanzler Olaf Scholz bei seinem ersten EU-Gipfel unterzeichnet hat. Geplant seien auch „restriktive Maßnahmen, die mit unseren Partnern koordiniert werden“. Die USA hatten zuvor auf die Vorbereitung von Sanktionen gedrungen.

Allerdings werden die Strafmaßnahmen nicht explizit genannt. Dies hatten neben der Ukraine auch Polen, Litauen und Lettland gefordert. Der Gipfel möge beschließen, dass die Ostseepipeline „Nord Stream auf dem Tisch ist“, sagte der lettische Regierungschef Krisjanis Karins. Damit konnte er sich jedoch nicht durchsetzen. Scholz und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron waren dagegen.

Sie sehen die Sanktionsdrohung als Druckmittel, das Putin von einem Krieg abhalten, ihn aber auch zurück an den Verhandlungstisch holen soll. Allerdings fällt die entsprechende Passage im Gipfelbeschluss eher vage aus. Dort heißt es lediglich, dass die EU die „diplomatischen Bemühungen ermuntert“, um eine vollständige Umsetzung des Minsker Abkommens von 2015 zu erreichen.

Außerdem wird das sogenannte Normandie-Format unterstützt, in dem Deutschland, Frankreich, die Ukraine und Russland nach einer Friedenslösung suchen. Der bislang einzige Normandie-Gipfel im Viererformat hatte Ende 2019 in Paris stattgefunden. Seither haben sich die Spannungen jedoch immer weiter verschärft. Zuletzt haben die USA die Führung in der Ukraine-Krise übernommen.

Moskau will Sicherheitsgarantien

Nach einem Videogipfel mit Putin hatte US-Präsident Joe Biden seine Spitzendiplomatin Karen Donfried nach Moskau geschickt. Der Kreml signalisierte Gesprächsbereitschaft. Vizeaußenminister Sergej Rjabkow sei zur sofortigen Aufnahme von Verhandlungen bereit, hieß es in Moskau. Rjabkow könne jederzeit zu Gesprächen in ein neutrales Land aufbrechen, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow.

Russland habe den USA bereits Entwürfe eines Vertrags und einer Vereinbarung vorgelegt, so Peskow weiter. Nähere Einzelheiten nannte er nicht. Russland fordert von den USA und deren Nato-Verbündeten mit Blick auf die Ukraine Sicherheitsgarantien. Die Nato signalisierte, dass sie bereit sein könnte, die russischen Vorschläge zu diskutieren. Ein Vetorecht könne Moskau aber nicht fordern.

Scholz sagte, er hoffe nun auf die Wiederaufnahme von Gesprächen. Dies sei „unser großes Vorhaben“, erklärte er auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Macron. Allerdings werde es nicht einfach werden, das Normandie-Format wiederzubeleben. Zurückhaltend zeigte sich Scholz auch mit Blick auf Sanktionen. Sie seien nur für den Notfall gedacht und sollten möglichst nicht eingesetzt werden.

„Atombombe auf dem Finanzmarkt“

Die EU-Kommission soll nun Optionen für Strafnahmen prüfen und mögliche Auswirkungen bewerten. Diese könnten erheblich sein – auch für Deutschland und die EU. So könnte ein endgültiger Verzicht auf die umstrittene Ostseepipeline Nord Stream II zu Versorgungsengpässen und hohen Energiepreisen führen. In den letzten Tagen ist der Gaspreis bereits auf neue Rekordhöhen gestiegen.

Ein Ausschluss Russlands vom Finanzdienstleister Swift, wie er ebenfalls diskutiert wird, könnte noch gravierendere Folgen haben. Ein solcher Schritt hätte „dramatische Auswirkungen“ auf die Wirtschaft, warnt Oliver Hermes, der Vorsitzende des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft. In Moskau spricht man von einer „Atombombe auf dem Finanzmarkt“, die auch Europa treffen werde.

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3 Kommentare

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  • Als hätte die Welt nicht gerade ganz andere Probleme... Das maskuline Gepose von Typen, die im Sandkasten schon mit Plastikpanzern gespielt haben und als Teenie zu jedem Tag der offenen Tür des Militärs gepilgert sind, nützt niemand. Kostet unnötig Geld, verdreckt Landschaft und Luft und verbreitet Unsicherheit bei den Menschen - weltweit. Wird Zeit, dass Bürger aller beteiligten Staaten ihren "Machthabern" deutlich zeigen, wie primitiv man sie deshalb findet. Denn die machen das ja hauptsächlich, um in der eigenen Nation groß dazustehen und zu zeigen: "seht her, ich bin der Macker!"

    • @Eistaucher:

      "Wird Zeit, dass Bürger aller beteiligten Staaten ihren "Machthabern" deutlich zeigen, wie primitiv man sie deshalb findet."



      In Minsk hatten das doch noch einige Bürger*innen versucht ihrem Machthaber zu zeigen was sie von ihm hielten. Das hat leider nicht so gut funktioniert. In Moskau versucht das schon lange keiner mehr.

      • @Ingo Bernable:

        "In Minsk hatten das doch noch einige Bürger*innen versucht ihrem Machthaber zu zeigen was sie von ihm hielten. Das hat leider nicht so gut funktioniert. In Moskau versucht das schon lange keiner mehr."

        ...leider. Die Frage ist, was in der russischen Gesellschaft passieren wird, wenn es einen heißen Konflikt gibt, in dem die lieben Söhne und Töchter russischer Mütter und Väter massenhaft sterben. Ich glaube, das weiß auch Putin nicht genau. Säbelrasseln wird vielleicht noch toleriert. Aber wie weit geht der russische Patriotismus darüber hinaus? Für den "Westen" kann man diese Frage relativ leicht beantworten. Den Russen fehlen aber gleichartige Erfahrungen aus den vergangenen 30 Jahren weitgehend. Hoffen wir, dass sie es nicht ausprobieren und stattdessen davon ausgehen, dass die Menschen im Land genauso wenig daran interessiert sind, das Leben ihrer Soldaten und Soldatinnen aufs Spiel zu setzen, wie inzwischen die Menschen in den USA.