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Afghanistans neue HerrscherTaliban töten Ex-Gegner

Die Taliban sollen Sicherheitskräfte der früheren Regierung getötet und verschwinden lassen haben. Diesen Vorwurf erhebt Human Rights Watch.

Ein Talibankämpfer an einem Checkpoint in Kabul im November 2021 Foto: Ali Khara/reuters

Berlin taz | Trotz Amnestie- und Sicherheitsversprechen sind ehemalige Soldaten, Polizisten, Geheimdienstmitarbeiter und Milizionäre der gestürzten afghanischen Regierung von den Taliban exekutiert oder verschleppt worden. Diesen Vorwurf erhebt die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) in einem am Dienstag veröffentlichten Bericht.

Darin werden 47 Fälle von Exekutionen und Verschwindenlassen, die zwischen Mitte August und Ende Oktober allein in den Provinzen Ghasni, Helmand, Kandahar und Kundus stattfanden, dokumentiert. Zudem gebe es glaubwürdige Hinweise auf 57 weitere Fälle in den genannten 4 der landesweit 34 Provinzen, so HRW. „Das Muster der Tötungen hat in ganz Afghanistan Terror gesät,“ heißt es im 25-seitigen Bericht.

Bereits vor ihrer Machtübernahme am 15. August hatten die Taliban gegnerischen Kräften, die sich ergeben, Straffreiheit zugesichert und bei Abgabe ihrer Waffen schriftliche Sicherheitsgarantien versprochen. Das wiederholten die Taliban auch, nachdem ihnen bei der kampflosen Einnahme Kabuls umfangreiche Mitarbeiterlisten zugefallen waren.

Die Taliban-Führung hatte die sich ergebenden Sicherheitskräfte angewiesen, sich registrieren zu lassen. Sie erhielten ein Schreiben, das angeblich ihre Sicherheit garantieren sollte. Manche Taliban haben dies jedoch genutzt, um Menschen zu inhaftieren und kurz nach ihrer Registrierung hinzurichten oder gewaltsam verschwinden zu lassen. Berüchtigt seien insbesondere nächtliche Razzien.

Rache der Taliban an früheren Feinden

Offenbar haben sich einige Taliban an ihren früheren Feinden gerächt. „Die von der Taliban-Führung versprochene Amnestie hat lokale Kommandeure nicht davon abgehalten, ehemalige Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte kurzerhand hinzurichten oder verschwinden zu lassen“, sagte Patricia Gossman, stellvertretende Asien-Direktorin von HRW und eine der Ko-Autorinnnen des Berichts. „Es liegt nun an den Taliban, weitere Tötungen zu verhindern, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen und die Familien der Opfer zu entschädigen.“

Der HRW-Bericht bestätigt den Tenor einer Untersuchung von drei anderen Menschenrechtsorganisationen, die diese bereits am 20. September vorgelegt hatten.

Am Samstag hatte der amtierende Regierungschef der Taliban, Mullah Mohammed Hassan Achund, in seiner ersten öffentliche Rede bestritten, dass es zu Vergeltungsmaßnahmen gekommen sei. Er zog sich dabei auf eine Argumentation zurück, die HRW auch offiziell als Antwort erhielt, nachdem die Organisation den Sprecher des Ministeriums für Information und Kultur um eine Stellungnahme angefragt hatte.

Demnach würden Angehörige der ehemaligen Sicherheitskräfte nicht wegen früherer Tätigkeit aufgesucht und festgenommen, sondern weil sie „neue kriminelle Aktivitäten“ begingen, „um die neue Regierung und das Land zu ruinieren“. Zudem würde niemand ohne Gerichtsverfahren bestraft.

Maßnahmen gegen 755 eigene Kämpfer

Eine von den Taliban eingesetzte Kommission habe in bisher 755 Fällen individuelles Fehlverhalten ihrer Kämpfer mit Entlassung oder Festnahme geahndet, erklärte der Sprecher.

Doch HRW vermisst konkrete Angaben hierzu. „Die unbelegten Behauptungen der Taliban, sie würden handeln, um Menschenrechtsverletzungen zu verhindern und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen, scheinen bisher nichts weiter als ein PR-Gag zu sein“, sagte Gossman.

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