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Konsens beim SexMänner wollen nicht immer

Frauen machen sich zu wenig Gedanken darüber, ob sie Grenzen bei Männern überschreiten. Auch Männer haben nicht immer Lust auf Sex.

Vielleicht warten wir noch ein bisschen? Foto: Alex Majoli/Magnum/plainpicture

E s ist noch ein langer Weg, doch in meinem Umfeld begegne ich immer mehr Männern, die sich Gedanken darüber machen, die Grenzen von Frauen beim Sex nicht zu überschreiten. Dass Frauen, die mit Männern schlafen, sich die gleichen Gedanken machen, nehme ich hingegen kaum wahr. Beim Thema Konsens scheint auch in feministischen, linken Kreisen oft noch ein traditionelles Männerbild zu herrschen: Männer wollen doch eigentlich immer Sex, es ist fast unmöglich, dass wir als Frauen ihre Grenzen überschreiten.

Das ist natürlich Bullshit. Doch ich gebe zu, dass dieses Denken auch in meinem Kopf noch tief verankert ist. Das musste ich erst kürzlich schmerzhaft feststellen. Mein Sexpartner und ich hatten beide sehr viel Lust aufeinander, doch als ich ihn in mich aufnehmen wollte, sagte er: „Vielleicht warten wir damit lieber noch ein bisschen?“

Ich weiß, dass er auf diese Weise manchmal schnell kommt. Ich dachte, er sagte es meinetwegen, er wollte mir die Möglichkeit geben, zuerst zu kommen. Daran, dass er sich gerade einfach nicht bereit für Pene­tra­tions­sex oder Ejakulation fühlte, dachte ich nicht. Auch seine vorsichtig formulierte Frage nahm ich nicht als Nein ernst. Dabei sollte ich als Feministin eigentlich wissen: Nur Ja heißt Ja. „Vielleicht später“ heißt nein. Auch wenn es von einem Mann kommt.

Ich überschritt seine Grenze. Auch wenn er unseren Sex in dem Moment genoss, fühlte er sich im Nachhinein unwohl, verletzlich, nicht gesehen. Das tat mir zutiefst leid. Ich kenne ähnliche Gefühle nach dem Sex allzu gut. Gerade deshalb erschrak ich vor mir selbst: Wie konnte mir das so leicht passieren? Und wie oft war es mir vielleicht schon mit anderen Sexpartnern passiert?

Ich weiß, dass die patriarchale Gesellschaft, in der wir leben, sexuelle Grenzüberschreitungen durch Männer begünstigt: Männer lernen oft früh, sie hätten ein Anrecht darauf, über weibliche Körper zu verfügen. Sexualisierte Übergriffe dienen oft dazu, männliche Macht zu demonstrieren und zu erhalten. Es ist kein Zufall, dass die überwältigende Mehrheit der Sexualstraftäter Männer sind. Ich habe das alles am eigenen Leib erfahren.

Doch das Patriarchat hält durchaus auch Botschaften bereit, die die Überschreitung männlicher sexueller Grenzen begünstigen. Wir alle lernen, dass es zu Männlichkeit dazugehört, immer Sex haben zu wollen und zu können. Interviews, die ich in der Vergangenheit zu diesem Thema geführt habe, haben mir gezeigt, wie schwer es Männern dadurch manchmal fällt, ihre Grenzen zu artikulieren.

Keinen Sex zu wollen, stellt schnell ihre Männlichkeit infrage. Oft kommt es vor, dass wir als Frauen eher denken, es liegt an uns, wenn ein männlicher Partner keinen Sex will, als dass er vielleicht … einfach keinen Sex will. Um uns wirklich vom Patriarchat zu emanzipieren, müssen wir anerkennen, dass auch Männer Grenzen haben – und sie ernst nehmen.

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Lou Zucker
Lou Zucker ist Journalistin und Autorin. Als Redakteurin arbeitete sie für neues deutschland, Supernova, bento und Der Spiegel, derzeit ist sie Chefin vom Dienst bei taz nord in Hamburg. Ihr Buch „Clara Zetkin. Eine rote Feministin“ erschien in der Eulenspiegel Verlagsgruppe.
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11 Kommentare

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  • Danke! Endlich mal ein Text, der nicht gruppenbezogen argumentiert - "die Männer immer" - sondern die persönliche Erfahrung von Menschen gleich welchen Geschlechts in den Mittelpunkt stellt. Auch mir als Mann sind solche Erlebnisse vertraut, in jüngeren Jahren mit Folgen, die man heute wohl als traumatisierend bezeichnen würde. Offen gestanden hatte ich bei manchen anderen taz-Texten mit dem Tenor: "Die weißen Cis-Männer könne gar kein Opfer sein!" das Gefühl, mit unguten Erfahrungen nicht ernst genommen zu werden - und regelrecht verhöhnt zu werden. Ich kann mir gut vorstellen, dass genau solche Mechanismen Männer in die Arme von obskuren Grupen treiben und tatsächlich bedenkliche Haltungen ausprägen lassen.



    Zusammengefasst: Gut, dass Lou Zucker das Thema auf die Grundfrage zurückführt, wie man GRenzen des anderen respektieren kann - und trotzdem Lust entwickeln kann.

  • Ich als Mann sage hier danke. War schon oft genug in der Situation

  • Danke!

  • Verstehe den Text nicht, Der Mann hat ja nicht gesagt, er will keinen Sex, sondern er will gerade keine Penetration. Vielleicht hätte er sich mehr Vorspiel gewünscht und kein Schneller raus-rein?

    • @mlevi:

      Du hast tatsächlich etwas nicht verstanden. Es geht nicht darum, was der Mann denn lieber gehabt hätte (rein raus, Vorspiel etc) es geht darum, dass Frau auf Grund der patriarchalischen Prägung gar nicht erst auf die Idee kommt, dass Mann auch mal einfach keine Lust auf Sex hat. Was genau spielt dabei keine Rolle. Der Grund warum Mann UND Frau sich mit dem NEIN-Sagen schwer tun ist ja ebendiese patriarche Struktur.

  • In der Sache richtig, aber total heteronormativ geschrieben.

    • @Ruediger:

      Tipp: manchmal geht's um die Sache.



      Es reicht halt nicht, "heteronormativ" korrekt buchstabieren zu können.

    • @Ruediger:

      Lieber so als andersrum.

    • @Ruediger:

      Das ist in diesem Zusammenhang auch sinnvoll, da der Kontrast Erwartungshaltung an den Mann versus an die Frau thematisiert wird.

      • @MeineMeinungX:

        Inwiefern sind denn die Erwartungshaltungen unter Männern ihrer Ansicht nach grundlegend anders?

    • @Ruediger:

      Ach was! © Vagel Bülow & May be. But.

      Steht doch dem nächsten frei -



      Zu “ Personen, die dieser Ordnung nicht entsprechen. Dazu gehören z.B. Lesben, Schwule, Bisexuelle und Trans*.



      (Glossar zum Thema geschlechtliche und sexuelle Vielfalt im Kontext von Antidiskriminierung und Pädagogik www.genderdiversit...erhistorymonth.pdf, 8.5.20)“ - vergleichbares zu verzapfen!



      &



      “ Heteronormativität



      Als gesellschaftliches Ordnungsprinzip, das Geschlecht und Sexualität normiert, beschreibt Heteronormativität ein binäres Geschlechtersystem, das ausschließlich zwei Geschlechter akzeptiert. Diese stehen in einem hierarchischen Verhältnis zueinander, das Männlichkeit über Weiblichkeit stellt. Gleichzeitig schreibt Heteronormativität eine Übereinstimmung des biologischen und psychosozialen Geschlechts und ein auf das jeweilige Gegengeschlecht ausgerichtetes (heterosexuelles) Begehren vor. Dies führt zur Ausgrenzung und Sanktionierung von Personen, die dieser Ordnung nicht entsprechen…s.o.



      vielfalt.uni-koeln...eteronormativitaet