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Widerstand gegen höheren MindestlohnAngst vor teurem Spargel

Auch wenn Bauern 12 Euro Mindestlohn zahlten, gäbe es Gemüse und Obst aus Deutschland, sagen Gewerkschafter. Der Bauernverband sieht das anders.

Sortierung und Wäsche von Spargel auf einem Hof im Rheinland Foto: Jochen tack/imago

Berlin taz | Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) wirft dem Bauernverband vor, Nachteile der geplanten Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro pro Stunde zu übertreiben. Schon ab Juli 2022 liege die Lohn­un­ter­grenze etwa für Ern­te­helfer­Innen aus dem Ausland bei 10,45 Euro, sagte Vizevorsitzender Harald Schaum am Montag der taz. „Das ist also nicht so ein großer Sprung. Davon wird die Welt nicht untergehen.“

Damit reagierte der Gewerkschafter auf Äußerungen von Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied. „Mit einem 12-Euro-Mindestlohn können wir im europäischen Wettbewerb nicht bestehen“, zitierte die Bild-Zeitung den Landwirt. Sollte die Erhöhung doch kommen, sei zu befürchten, „dass es bald keine Erdbeeren, Äpfel oder Spargel mehr aus Deutschland gibt“. Denn: „Dann werden wir die Erzeugung noch mehr ins Ausland verlagern müssen.“

Gewerkschafter Schaum dagegen sagte: „Ich halte es für ziemlich unwahrscheinlich, dass dann keine Erdbeeren mehr in Deutschland wachsen.“ Schon jetzt zahlten manche Betriebe Löhne nahe 12 Euro. Deutscher Spargel etwa würde nur unwesentlich teurer, wenn der Arbeitslohn um 2 Euro stiege. „Wenn einer in der Stunde nur 10 Kilogramm Spargel sticht, bin ich bei 20 Cent, die das Kilo Spargel teurer würde“, rechnete Schaum vor. Geübte Spargelstecher würden mehr Kilogramm pro Stunde stechen, sodass bei ihnen die Mehrkosten noch geringer seien.

Gerade Bauern, die ihre Ernte direkt an Verbraucher verkaufen, würden bei einer so geringen Differenz keine Probleme bekommen. „Für Verbraucher ist es ein echtes Argument: Da wird keiner ausgebeutet. Die sind auch bereit, 20 Cent mehr zu zahlen“, so Schaum. Schwieriger wäre die Erhöhung für Großbetriebe, die vor allem Supermarktketten beliefern. Aber statt den höheren Lohn abzulehnen, solle der Bauernverband mit Gewerkschaftern sprechen, wie die Marktbedingungen zu verändern sind, sagte Schaum.

SPD, Grüne und FDP haben die Mindestlohnerhöhung in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart. Dagegen wehrt sich auch zum Beispiel der Handel, der sich aber nicht so stark wie die Landwirtschaft von Konkurrenz aus dem Ausland bedroht sieht.

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12 Kommentare

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  • Eigentlich eine einfache betriebswirtschaftliche Rechnung. Der Lohn für den Erntehelfer ist ja nur ein kleiner Anteil vom Endpreis, selbst bei einem arbeitsintensiven Produkt wie Spargel. Entsprechend gering sind die Auswirkungen einer Lohnerhöhung, selbst wenn hier von 15% bis maximal 20% die Rede ist. Dass Unternehmer gerne jammern, gehört zum Geschäft.

  • Landwirtschaftliche Produkte die flächen - und lohnintensiv sind, wandern ins Ausland ab. Siehe Bio-Kartoffeln aus Ägypten. Da muss zwar ordentlich bewässert werden, dass wird aber durch die geringen Lohnkosten für Kinderarbeit ausgeglichen

  • Dann eben Gemüse aus Spanien. Das ist auch nicht unbedingt unökologischer. Kann ich auch gut von und mit leben.



    (OK, irgendwann muss man die Arbeiter*innen dort auch anständig bezahlen...dann wird es endgültig teurer/angemessener bepreist)

    Und bitte die freiwerdenden Flächen in Deutschland in



    Naturschutzgebiete umwandeln.

    • @syle x:

      Na DAS ist ja ne super Idee! Wenn die Löhne hier so steigen, dass es sich für manche Bauern nicht mehr rentiert, lautet die Antwort darauf: "kauf ichs halt in Rumänien, Spanien etc., denn selbst mit den Lieferkosten ist der Spargel dann IMMERNOCH billiger, als der zu Mindestlohn gestochene Spargel hier in Deutschland." DAS hilft der Umwelt bestimmt ungemein, wenn wir NOCH MEHR Waren aus dem Ausland importieren. Gegenvorschlag: Wir STOPPEN den Import von ausländischem Spargel, dann können die Bauern auch 14-16€ Stundenlohn zahlen und keiner wird dabei verlieren. Und die freiwerdenden Flächen in Spanien etc. (weil wir den Spargel ja nicht mehr kaufen), werden dann einfach in Naturschutzgebiete umgewandelt...

      • @Gregor von Niebelschütz:

        Sie unterschlagen in Ihrer Rechnung, dass die Rumän*innen auch ständig zwischen 1500 km Hin und herreisen.

        Import ist manchmal tatsächlich ökologischer (Z.b. Unbeheizte Treibhäuser für Tomaten)

        Aber mit Ihrer Lösung hab ich bezüglich des Spargels -einfach weil er mir eh nicht wichtig ist -auch keine Einwände.

        Ist halt sehr Protektionistisch

        "Verlieren" tun bei ihrem Vorschlag eventuell noch die Kund*innen, die dann mehr zahlen müssten. Das ist aber vielleicht auch besser so.

  • Ich esse nie Spargel. soll teurer werden. Schöne Grüße von der Basisgewerkschaft, die vorenthaltene Löhne einklagt.



    Ich esse frischen Blattspinat für 2€ 500€, runtergesetzt 70Cent.

    • @nzuli sana:

      Und wer soll von den 2€ für den Blattspinat denn leben? Von den 2€ sind zu zahlen:



      Mehrwertsteuer 0,14€, der Einzelhandel 0,93€, der Großhandel 0,20€, den Erntehelfer der bei jedem Wetter auf den Knien rumrutscht und den Spinat erntet ca. 0,50€ das Saatgut, den Kraftstoff, den Dünger, das Unkraut jäten (wenn du es billig willst nimmste Glyphosat), Allgemeinkosten des Betriebes, sprich Rente, Krankenkasse, Maschinen, Versicherungen usw. Ja und was bleibt dann noch für den Umweltschutz und den Bauern? Nur der Handel ist der Gewinner. Nur faire Preise sind sozial gerecht.

  • Aha, es reift die Erkenntnis, daß 12 Euro Mindestlohn für den Arbeitnehmer bedeuten könnte, daß der Unternehmer oder Aktionär von seinen 12tsd Euro Mindestlohn (pro Stunde Nichtstun oder pro Aktie) vielleicht nicht mehr standesgemäß und schon garnicht menschenwürdig leben - geschweige denn für eine Familie oder fürs Alter vorsorgen könnte ... und deshalb der Spargelpreis doch am besten gleich um 100 % erhöht werden muss - widerwillig - man will ja die Kundschaft nicht unnötig ausbeuten - aber wenn es wirklich nicht mehr anders geht.

  • Ich werde weiterhin sehr gern Spargel esssen, auch wenn das Kilo 9 statt 8 Euro kosten würde. Und ich werde auf gar keinen Fall Spargel aus dem Ausland kaufen. Die Arbeitsbedingungen der hiesigen Spargelstecher und ihre Unterkünfte sind schon eh schlecht genug, verglichen mit meinen, das ich immer einen schlechtes Gewissen bekomme, wenn ich an der klapprigen Altbussen vorbeifahre, die irgendwo schräg geparkt am Feld stehen und Umkleide- und Sozialräume für die Stecher:innen sind...



    Ach ja, welch Luxus, es gibt ein DIXI-Klo für m/w/d. Na dann. Zum Glück ist noch ein wenmig hin bis zur Saisoan, dann hab ich meinen Beitrag hier verdrängt. Mit Sauce hollandaise, selbst gemacht natürlich, mmhhhhh....und Schinken, ok, das nächste Problem in meinem Essverhalten.....

    • @Zeuge14:

      Das ist ja löblich. Wir fänden es auch genial, wenn es nur noch Mindestlohn geben würde, allerdings ist beim Spargel auch eine gewisse Schmerzgrenze der Kunden zu spüren, das ist erst mal der Absatz der stark nachlässt, wenn der Preis steigt, Biospargel kostet sicher 9€ das Pfund nicht das Kilo, das stellt für viele schon eine Schmerzgrenze dar. Da gibt es eben nur einmal in der Saison Spargel, nimmer wöchentlich. Der Preisunterschied zum Ausland wird immer größer und daher die Gefahr dass du nichts mehr absetzen kannst. Ich denke wir müssen an dem System was ändern, wenn es einen Mindestlohn für den Arbeiter gibt, muss es auch einen Mindestpreis für den Bauern geben. Gut da die Landwirtschaft sich nicht einig ist, hat sie den Preis selbst ruiniert, aber muss das so bleiben? Wir alle wollen, dass die Landwirtschaft was für die Allgemeinheit macht, dann muss die Allgemeinheit auch was für den Landwirt machen .... mal schaun was die Ampel jetzt so ändert, die Erwartungen sind jedenfalls hoch. Wir werden weiterhin leckere Bioprodukte anbauen .... und hoffen dass es weiterhin auch bei stark steigenden Preisen unsere Kunden gibt, die bereit sind das auch zu honorieren, das Handelssystem macht es jedenfalls meistens nicht.



      Biolandhof Keicher

    • @Zeuge14:

      Geht mir genauso. Spargel hat hier aus der Region (Brndnbrg) zu sein, sonst kaufe ich ihn nicht.

      Selbstverständlich mit regionalen Kartoffeln, veganer Sauce Hollandaise und dazu vielleicht noch Pilzen.

      Wenn der Spargel zu teuer wird, kaufe ich weniger. Besser als beim Genießen an Ausbeutung denken zu müssen!

    • @Zeuge14:

      hat man doch bei Corona gesehen:



      zusätzliche Container anmieten + die Leute herfliegen ist billiger als Deutsche Arbeiter. die bekommen 11€ die Stunde... abgerechnet werden 8, gearbeitet 14-15 Stunden, dann noch Wohngeld abgezogen. Und die beschweren sich nicht mal.

      Und kein normaler Mensch würde sich hier zu Lande für diesen Sklavenlohn so krumbuckeln.

      Und wenn die Ernte "schlecht" ist sind die Bauern auch bisher schon in der Lage hohe Preise weiter zu geben - auch an den Einzelhandel. Wenn das ein Problem wäre, würden die schon lange im Ausland kaufen.

      PS: kennt jemand n armen Spargelbauer? ich nicht. Die die ich kenne sind reich!