Mindestlohn und Tarifpartner: Klage erwogen

Die Arbeitgeber drohen, die von der Ampelregierung geplante Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro „juristisch überprüfen“ zu lassen.

Hand, die Haare schneidet

Fri­seu­r:in­nen in strukturschwachen Gebieten profitieren vom Mindestlohn von 12 Euro Foto: Frank Hoermann/SVEN SIMON/imago

BERLIN taz | Im kommenden Jahr soll der allgemeine gesetzliche Mindestlohn auf 12 Euro die Stunde erhöht werden, hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) versprochen. Die Arbeitgeber erwägen, dagegen rechtlich vorzugehen. Ob, wann und wie man das Vorgehen der Bundesregierung „qualifiziert juristisch überprüfen“ lasse, komme ganz darauf an, „wann dieser politische Mindestlohn durchgesetzt werden soll“, sagte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger der Nachrichtenagentur dpa.

Heil hat angekündigt, Anfang 2022 das Gesetz für die Erhöhung der Lohnuntergrenze auf 12 Euro vorzulegen. Ab wann die Erhöhung dann aber genau kommen soll, ist noch unklar. Die Arbeitgeber sind daran interessiert, dass der Zeitpunkt möglichst spät im kommenden Jahr liegt.

Am 1. Januar steigt der allgemeine gesetzliche Mindestlohn bereits von 9,60 Euro auf 9,82 Euro und zum 1. Juli auf 10,45 Euro. Die Erhöhungsschritte werden von der Mindestlohnkommission vorgegeben, die paritätisch mit Ver­tre­te­r:in­nen der Arbeitgeber und der Gewerkschaftsseite besetzt ist und einen wechselnden Vorsitzenden hat, der mal der einen, mal der anderen Seiten nahe steht.

Die Erhöhung des 2015 eingeführten gesetzlichen Mindestlohnes folgt dabei immer der durchschnittlichen Tarifentwicklung der vorangegangenen zwei Jahre, an der sich die Mindestlohnkommission orientiert. Eine sprunghafte Erhöhung auf 12 Euro die Stunde ist ein gesetzgeberischer Eingriff in diese Dynamik.

Streit um Tarifautonomie

„So wie es im Moment von der Bundesregierung beabsichtigt wird, halte ich es für eine grobe Verletzung der Tarifautonomie“ sagte Dulger. Die Tarifautonomie sei „verfassungsrechtlich geschützt“. Er kritisierte das geplante Gesetz als Bruch des Regierungsversprechens, „dass die Mindestlohnkommission der Wächter des Mindestlohns ist und nicht die Politik“.

Auch bei der Einführung des Mindestlohnes wurde die Höhe von 8,50 Euro vom Gesetzgeber festgelegt. Im Koalitionsvertrag haben SPD, Grüne und FDP versprochen, dass die unabhängige Mindestlohnkommission nach der einmaligen Anpassung auf 12 Euro wieder über die folgenden etwaigen Erhöhungsschritte befinden werde.

Die Arbeitgeber und die Gewerkschaften sorgen sich dabei, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, über die Auswirkungen, die ein gesetzlicher Mindestlohn auf die untersten Stufen in den Branchentarifverträgen haben könnte. Sollte der Mindestlohn von 12 Euro im Jahr 2022 kommen, dann würde das rund 200 Tarifverträge „obsolet“ machen, sagte Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks.

Ruf nach Lohnabstand

Tarifverträge etwa im Friseurhandwerk oder im Bewachungsgewerbe sehen untere Lohnstufen vor, die niedriger als 12 Euro liegen. In der Gebäudereinigung wurde eine tarifliche Erhöhung auf 12 Euro die Stunde erst ab Januar 2023 vereinbart.

Derzeit liegt der tarifliche Mindestlohn in der Gebäudereiniger-Branche allerdings über dem aktuellen gesetzlichen Mindestlohn von 9,60 Euro. Die IG BAU fordert, dass dieser Branchen-Mindestlohn auch künftig höher liegen müsse als der kommende allgemeine Mindestlohn von 12 Euro, weil man sonst fürchtet, dass die Arbeitskräfte aus der Branche abwandern.

Ge­bäu­de­rei­ni­ge­r:in­nen hätten „einen harten Job“. Es müsse daher einen „Mindestlohn-Abstand“ geben, erklärte Ulrike Laux vom Bundesvorstand der IG BAU. Sie appellierte an den Innungsverband, möglichst schnell mit der Gewerkschaft über die vorzeitige Anhebung des Branchen-Mindestlohnes zu verhandeln. Dann „stimmt der Lohn wieder und es werden genügend Arbeitskräfte gefunden“, so die Gewerkschafterin.

Sorge um Branchentarife

Im Bauhauptgewerbe liegt das unterste Limit laut Branchentarifvertrag bereits bei 12,85 Euro. Die IG BAU beklagt, dass die Arbeitgeber den Branchenmindestlohn „generell in Frage“ stellen, hieß es in einer Erklärung des Gewerkschaftsvorsitzenden Robert Feiger. Gewerkschaften befürchten generell, dass Arbeitgeber mit Verweis auf den kommenden höheren gesetzlichen Mindestlohn gar keine höheren Branchentarife mehr verhandeln wollen.

Feiger, er auch Mitglied der Mindestlohn-Kommission ist, warnte am Donnerstag auch davor, dass die Einhaltung eines Mindestlohnes von 12 Euro im kommenden Jahr möglicherweise zu wenig kontrolliert werden könnte. Zahlen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) zeigten, dass schon in diesem Jahr zahlreiche Unternehmen die Mindestlöhne nicht eingehalten hätten. Die Gefahr, bei Mindestlohnverstößen ertappt zu werden, sei für Arbeitgeber „nur gering“. Die bisherigen Kontrollen seien nur „Placebo-Kontrollen“. Das Personal der Finanzkontrolle müsse aufgestockt werden.

Die Arbeitgeber besonders im mittelständischen Handwerk warnen, dass durch die Einführung des Mindestlohnes von 12 Euro auch die Löhne der besser Qualifizierten erhöht werden müssten, um den Lohnabstand innerhalb eines Betriebes zu wahren. Das gebe einen „Kaminzugeffekt“, der auch die Preise nach oben drücke, hieß es beim Handwerksverband.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.