piwik no script img

Neuer Finanzminister in der TürkeiZinsen als Sünde

Nureddin Nebati macht Finanzpolitik ganz auf der Linie von Präsident Recep Tayyip Erdoğan – nämlich nach religiösen Prinzipien. Die Lira stürzt ab.

Viele würden ihn als Islamisten bezeichnen: Nureddin Nebati ist neuer Finanzminister der Türkei Foto: Isa Terli/Anadolu Agency

ISTANBUL taz | Nur ein Jahr hat sich sein Vorgänger im Amt gehalten – die politischen Unterschiede zu Präsident Recep Tayyip Erdoğan waren zuletzt immer mehr kollidiert. Und nun hat die Türkei einen neuen Finanzminister: Nureddin Nebati ist seit Donnerstag im Amt.

Eine kurzlebige Karriere wie die seines Vorgängers braucht der 57-jährige Nebati nicht zu befürchten. Mit dem Wechsel hat Erdoğan nämlich endgültig alle ökonomisch relevanten Posten mit Leuten besetzt, die seine religiös determinierte Niedrigzinspolitik unterstützen. Nureddin Nebati ist ein tief religiöser Mann, viele würden ihn als einen Islamisten bezeichnen. Er ist aktiv im „Komitee zur Befreiung Jerusalems“, sitzt in mehreren anderen islamistischen Vereinigungen und kommentierte seine Berufung zum Finanzminister auf Twitter mit der Bemerkung, Gott möge ihm die Kraft geben, den Erwartungen des Präsidenten gerecht zu werden.

Nebati war schon stellvertretender Finanzminister, als Erdoğans Schwiegersohn Berat Albayrak noch Finanzminister und Schatzmeister der Türkei war. Er ist mit Albayrak befreundet und hat dessen Politik, die die Türkei schon 2019 an den Rand der Pleite brachte, immer unterstützt. Als Erdoğan im November 2020 dann die Notbremse zog, Albayrak entließ und mit Lütfü Elvan als Finanzminister und Naci Ağbal als neuem Zentralbankchef zwei Leute einsetzte, die mit weniger Ideologie und mehr ökonomischem Sachverstand die türkischen Finanzen wieder sanieren sollten, blieb Nureddin Nebati im Amt.

Obwohl es dem neuen Duo zeitweilig gelang, den Abstieg der türkischen Lira zu stoppen, auch indem die Zinsen kräftig erhöht wurden, mussten beide nach kurzer Zeit gehen, der Zentralbankchef sogar bereits im März 2021. Lütfü Elvan blieb im Amt, hatte aber mit Nureddin Nebati einen Stellvertreter, der ihm im Sinne Erdoğans immer wieder Knüppel zwischen die Beine warf.

Die türkische Lira verliert weiter an Wert

Vor einigen Wochen entschloss sich Erdoğan, seine vom Islam geprägte Auffassung, dass Zinsen Sünde sind, ohne weitere Kompromisse durchzusetzen. Seitdem war klar, dass sich Elvan nicht mehr halten konnte und folgerichtig durch Nebati ersetzt werden würde.

Nebati, der zeitweilig im Vorstand der AKP für Finanzpolitik zuständig war, ist, wie Erdoğan aus religiösen Gründen gegen Zinsen. Seit 2013, sagte er kürzlich, hätten sogenannte Experten immer wieder versucht, die Politik niedriger Zinsen zu verhindern. Damit ist es jetzt vorbei. Nebati, Textilunternehmer und ­Vater von vier Kindern, ist ganz auf der ­Linie seines Präsidenten. Sowohl in der Partei als auch im Vorstand des religiösen Unter­nehmerverbandes Müsiad hat er sich dafür eingesetzt.

Mit seiner Ernennung verlor die türkische Lira allerdings erneut. Für einen Dollar müssen jetzt 13,4 Lira, für einen Euro sogar 15,2 Lira gezahlt werden. Die türkische Lira hat damit in diesem Jahr 40 Prozent an Wert verloren, 30 Prozent davon allein im letzten Monat, nachdem Erdoğan seine Niedrigzinspolitik verkündet hatte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen