Chance für Nachwuchs-Fußballer: Der HSV entdeckt die Jugend
Allmählich pirschen sich die Männer des HSV wieder an die Spitzengruppe der 2. Fußballbundesliga heran. Einige von ihnen sind fast noch Jungen.
Ob aus finanzieller Not oder wirklicher Überzeugung: Seit Sport-Vorstand Jonas Boldt 2019 bei der Mitgliederversammlung verkündete, dass der zukünftige Weg des HSV sei, auf frische Kräfte aus dem 2017 eingeweihten Campus zu setzen, macht der Klub in dieser Hinsicht ernst. Das begann damit, das man den früheren U21-Nationaltrainer Horst Hrubesch zum Nachwuchs-Chef gemacht hat.
Sowohl bei Beförderungen als auch bei Verpflichtungen setzen Boldt, Trainer Tim Walter und Sportchef Michael Mutzel seitdem häufig auf das Prinzip „Jugend trainiert“. Bezogen auf die laufende Saison sagte Boldt jüngst der Welt: „Wir wollen uns entwickeln. Diesen Weg gehen wir diese Saison noch konsequenter.“
Es gibt erste Anzeichen, dass der HSV diese Strecke erfolgreich zurücklegen könnte. Nach dem 3:0 am Sonntagmittag gegen den FC Ingolstadt rücken die Hamburger den Klubs an der Tabellenspitze der Zweiten Fußball-Bundesliga auf die Pelle.
Alidou begeistert die Fans – und andere Clubs
Dabei war es wieder der 20 Jahre alte Faride Alidou, der die diesmal wenigen Fans im Volksparkstadion begeisterte. Sein Tempo, seine Tricks und sein Treffer zum 1:0 in der 13. Minute ebneten den Weg zu einem klaren, aber nicht ungefährdeten Sieg gegen den Tabellenletzten. Die weiteren Tore erzielten Bakery Jatta (23) und Manuel Wintzheimer (22).
Der HSV ist seit der Derby-Niederlage beim FC St. Pauli am 13. August unbesiegt. Und langsam relativieren sich auch die Zweifel an Trainer Walter. Die mutigen Vorträge mit dürftiger Restabsicherung hatten im Spätsommer und Herbst zu einer Serie von Remis geführt – die Spitze rückte in weite Ferne. Es schien keinen Plan B zu geben, wenn der stets unterhaltsame Ballbesitzfußball à la Walter fehlschlug.
Doch mit noch mehr Laufarbeit und Konsequenz im defensiven Mittelfeld ist das vorwärtsgewandte HSV-Spiel nun etwas besser abgesichert. Tatsächlich waren Gegentore und Punktverluste nicht immer Systemfehler. Manchmal mangelte es an Cleverness. Zudem gingen die HSV-Offensiven so verschwenderisch mit ihren Möglichkeiten um, dass es in den Schlussminuten doch immer wieder eng wurde.
Das war gegen den FCI ähnlich. Zwar lagen die Hamburger mit 2:0 vorn, doch ab der 70. Minute kam der tapfere Tabellenletzte auf und war dem Anschlusstreffer nah. In dieser Phase offenbarte der HSV wieder die bekannte Konteranfälligkeit. Diese HSV-Mannschaft kann keinen Gegner entspannt dominieren – aber wem gelingt das schon in dieser ausgeglichenen Liga?
Steigt das nominell schwächste HSV-Team auf?
Der eingeschlagene Weg und die Punktausbeute lassen die Verantwortlichen um Boldt hoffen, dass das vierte Zweitligajahr das vorerst letzte sein könnte. Gelungen ist das mit dem nominell schwächsten Kader der vergangenen Spielzeiten. Dabei steht vor allem Faride Alidou für die erfreuliche Trendwende dahin, dass der Verein jungen Spielern vertraut.
Auch den aktuell verletzten Jonas David hat Trainer Walter zum Stammspieler gemacht. Anssi Suhonen und Robin Meißner sind Ergänzungsspieler an der Schwelle zur Stammkraft. Und auch die Zugänge Ludovit Reis, Mikkel Kaufmann und Mario Vušković könnten noch in der U21 spielen.
Alidou stammt von der Hamburger Elbinsel Wilhelmsburg und spielt seit 2012 für den HSV. Er glänzt gerade als Torschütze und Vorbereiter, harmoniert bestens mit dem formstarken Sonny Kittel und macht nach hinten wichtige Meter. Schon hat das Gezerre um einen neuen Vertrag begonnen – seiner beim HSV endet im nächsten Sommer.
Das sind die Schattenseiten eines Ausbildungsvereins. Gegen Mitbewerber aus der Ersten Liga oder der Premier League wird es knifflig. Das Hauptargument für Talente herzukommen ist gerade, dass sie spielen können. Immerhin. Angesichts der finanziellen Lage des HSV sind Verkäufe mit Wertsteigerung auch dringend nötig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!