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Fünfkampf ohne SpringreitenNicht auf dem Rücken der Pferde

Kommentar von Johannes Kopp

Das Streben nach Medaillen liegt nicht in der Natur der Vierbeiner. Tiere gehören nicht auf die Bühne des Leistungssports.

Endlich wird Reiten aus dem Fünfkampf gestrichen, damit solche Szenen nicht mehr vorkommen Foto: Marijan Murat/dpa

D as Pferd war von Anfang an nur Mittel zum Zweck. Der ideale Athlet sollte durch den Modernen Fünfkampf ermittelt werden. Das hatte Pierre de Coubertin, der Begründer der Olympischen Spiele der Neuzeit, vor Augen, als er dieser sehr diversen Kombinationssportart aus den soldatischen Disziplinen Fechten, Schießen, Reiten, Schwimmen und Laufen 1912 ihr olympisches Debüt verschaffte.

Bis zuletzt wurde die recht altbacken anmutende Suche nach den vielseitigsten Ath­le­t:in­nen auf manchem geschundenen Pferderücken ausgetragen. Der Weltverband will nun plötzlich das Springreiten streichen und die Ath­le­t:in­nen nicht mehr auf Pferde, sondern auf Sporträder setzen. Anlass waren die Schreckensbilder von den Olympischen Spielen aus Tokio, als die in Tränen aufgelöste Deutsche Annika Schleu auf das ihr zugeloste Pferd einschlug, weil es höchst verängstigt vor den Hindernissen bockte.

Das Losverfahren, bei dem überehrgeizige Sport­le­r:in­nen mit ihnen unvertrauten Pferden zusammengeführt wurden, war wegen des unsportlichen Zufallsfaktors eh schon umstritten. Reichlich spät kommt allerdings die Einsicht, dass sich bei diesem Wettbewerb Tiere nicht als Instrument für erfolgsgetriebene Leis­tungs­sport­le­r:in­nen eignen. Das Tänzeln und Springen mag in der Natur der Pferde liegen, das Streben nach Gold, Silber und Bronze eher nicht.

Diesem Problem müssen sich auch die Dressur- und Springreiter stellen, auch wenn sie eine stabilere Bindung zu ihrem Pferd pflegen. Tiere sollten nicht auf die Bühne des Sports gezerrt werden, wo extreme Leistungen erwartet werden. Der Moderne Fünfkampf, der sich von seinem soldatischen Ursprung längst entfernt hat, muss sich auch deshalb reformieren, weil der Leistungssport insgesamt zunehmend in Haftung genommen wird für das Wohlergehen seiner Akteure.

Der Verweis auf alte Traditionen und Gepflogenheiten genügt nicht mehr. Diese Entwicklung geht zum Glück weit über das Tierwohl hinaus. So kann der organisierte Sport auch die psychische, physische und sexuelle Gewalt in ­seinen Reihen nicht mehr länger ignorieren.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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6 Kommentare

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  • Das Zulosen ist ein Verbrechen. Jeder, der schon einmal geritten ist, weiß, dass die Stimmung zwischen Reiter und Pferd ausschlaggebend ist, mit manchen "kann man eben nicht", das gilt für Pferd wie Reiter*Innen. Das in einem olympischen Wettbewerb, wo es doch auf Sekundenbruchteile ankommt, zu ignorieren, ist schlicht Wahnsinn. Die Idee stammt wohl aus einer Zeit, da man die Pferde an jeder Poststation wechseln musste. So soll wohl der beste Passepartout-Reiter gefunden werden. Absurd.

  • Ich hatte den Gedanken, wenn Annika Schleu aus ihrem Erfolgskorsett ausgebrochen wäre, den Helm abgenommen, das Pferd gestreichelt, Verbeugung zum Publikum, wäre sie mit fantastischen Bildern in die Sportgeschichte eingegangen.

  • Ja, die Sichtweise in diesem Kommentar ist für den modernen Fünfkampf völlig richtig!



    Die Tiere sind nur Mittel zum Zweck.



    Bei Dressur und Springreiten muss man das für den Leistungssport differenzierter sehen. Aber auch der Breitensport sollte nicht aus dem Fokus geraten. Gerade in diesem werden Pferde und Ponys noch viel zu häufig völlig falsch behandelt, um nicht zu sagen, sie werden misshandelt.

    Es wäre aber gelebte Schizophrenie, wenn wir darüberhinaus das massive Elend der Nutztiere ausblenden würden. Hühner, Schweine, Rinder,... sie alle leiden tagtäglich!



    Sie leiden ebenfalls für das Leistungsprinzip des Menschen.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    "Tiere gehören nicht auf die Bühne des Leistungssports."



    Völlig richtig.



    Aber das ist so, als ob man den Reichen ihren Ferrari wegnehmen würde.



    Do it!

    • @17900 (Profil gelöscht):

      Das hat mit Arm und reich nichts zu tun, artgerechter Umgang mit Tieren schließt Wettbewerbe aus, das sind rein menschliche Veranstaltungen die dem Ego der Menschen dienen.



      Es ist egal ob es um Olympiareiterinnen und Ferraris geht oder um das Agility- oder Schäferhundeturnier in Oberböckelhausen.



      Die Tiere "leiden" immer darunter, auch bei einer Hunde- oder Katzenausstellung. Das Problem für das Tier ist die Vermenschlichung, nicht die Automarke des Vermenschlichers.

      • @Hubert Asam:

        Das mit dem Agility kann ich ausdrücklich nicht bestätigen, ich selbst bin kein Hundesportler, aber die Menschen und ihre Hunde, sie sind in der Regel sehr, sehr gute Teams. Das sieht man auch in vielen anderen Kombinationen von Mensch und Hund. Eine Amateur-Jockette sagte neulich zu mir, dass ein besonderes Pferd ihr den Eindruck vermittelt habe, es sei eine wirkliche Freundschaft entstanden. Für Pferde kann ich das nicht beurteilen, aber Hunde können sehr gut vermitteln, dass sie Kompetenzen durch Vertrauen, Fürsorge und Liebe entwickeln können und wollen. Ohne Arbeit werden einige Hunde regelrecht neurotisch.