piwik no script img

Früherer US-Außenminister ist totColin Powell an Corona gestorben

Der Ex-Generalstabschef ist an den Folgen einer Coronainfektion gestorben – trotz Impfung. Der frühere US-Außenminister wurde 84 Jahre alt.

Colin Powell bei einer Pressekonferenz im Jahr 2009 Foto: UPI/imago

Washington taz | Es war die folgenreichste Rede seiner Kar­riere: Am 5. Februar 2003 präsentierte Colin Powe­ll im UN-Sicherheitsrat als US-Außenminister die Begründung für den US-Einmarsch in Saddam Husseins Irak. Es könne keine Zweifel geben, dass Saddam Hussein über biologische Waffen verfüge und den Besitz nuklearer Waffen anstrebe. Er präsentierte kleine Röhrchen, in denen das Nervengift Anthrax transportiert werden könne, und Zeichnungen mobiler Produktionsstätten für Biowaffen. Seine Rede wurde in den USA als überzeugend gelobt. Sechs Wochen später begann der Krieg.

Die Lüge über die verbotenen Arsenale des irakischen Diktators flog schon bald auf. Im September 2005 gab auch Colin Powell in einem TV-Interview zu, dass er falschen Informationen aufgesessen war. Dabei seien sich 16 Geheimdienste, darunter auch der deutsche BND, sicher gewesen, dass Saddam zwischen 100 und 400 Tonnen Chemiewaffen produziert habe. Er habe vor seiner UN-Rede nur vier Tage Zeit gehabt, bei der CIA die vermeintlichen Beweise einzusehen. Sein Irrtum werde ein dunkler Fleck in seiner Vita bleiben.

Colin Powell ist am Montag im Alter von 84 Jahren trotz Impfung an einer Covid-19-Infektion gestorben. Seine Biografie gehört zu den ungewöhnlichen Lebensläufen in der US-Politik, vor allem, da er als Sohn eines jamaikanischen Einwandererpaars Schwarz war.

Mit 25 Jahren wurde er nach Vietnam geschickt, nach einer militärischen Ausbildung auf einem US-Stützpunkt im hessischen Gelnhausen. 1968 folgte ein zweiter Einsatz in Vietnam in der Einheit, die für das Massaker von My Lai im März jenes Jahres mit etwa 500 toten vietnamesischen Zivilisten verantwortlich war. Powell sollte die internen Berichte über das Kriegsverbrechen überprüfen, doch er fand keine Beweise. Später gestand er den Fehler ein.

1987 wurde er Ronald Reagans Nationaler Sicherheitsberater und von 1989 bis 1993 Vorsitzender des Generalstabs. In beiden Ämtern war er der erste Schwarze in der US-Geschichte. 2001 wurde er Außenminister: Lange äußerte er Zweifel am Plan der Neokonservativen um Bush, im Irak einzumarschieren. Nur mit nationaler und internationaler Unterstützung und mit einer überwältigenden Militärmacht werde man erfolgreich sein. Bush sah das anders, und Powell fügte sich. Nicht alle folgten seinem Kurs: Der frühere deutsche Außenminister Joschka Fischer, mit dem Powell eng befreundet war, sagte im Sicherheitsrat den berühmten Satz „I am not convinced“ – Ich bin nicht überzeugt.

Nach einer Amtszeit wurde Powell im State Department von Condoleezza Rice abgelöst. 2008 sorgte er mit seiner Unterstützung für die Präsidentschaftskandidatur Barack Obamas für Aufsehen. In einem TV-Interview lobte er ihn als „transformative Persönlichkeit“. Ab da wurde seine Kritik am Kurs der Republikanischen Partei immer schärfer. Donald Trump nannte er nach dessen Wahl eine „nationale Schande“. Nach dem Sturm auf das Kapitol im Januar 2021 sagte Powell, er sei nun kein Republikaner mehr.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Wenn es erwähnenswert ist, dass er geimpft war, sollte es ebenso erwähnenswert sein, dass er an 2 weiteren schweren Erkrankungen litt. (Quelle: NYTimes)

  • Powell, Bush, Cheney und Rumsfeld: Vorbereitung und Durchführung eines Angriffskrieges. Das ist unvergessen, speziell bei Opfern und Hinterbliebenen. Es wäre gut zu wissen, wenn es auch in Den Haag eine "Akte Colin Powell" gäbe, auch wenn Ermittlungen mit dem Tod abgeschlossen werden. Lobpreisungen für Lügner und Seligsprechungen wegen der Erleuchtung vom Saulus zum Paulus sind für die Geschädigten der USA wie Hohn. Lese-Empfehlung: "Der längste Krieg: 20 Jahre War on Terror" von Emran Feroz, der viel für die taz geschrieben hat.



    Das Völkerstrafrecht und die Menschenrechtskonvention sind Verpflichtung für alle DemokratInnen, insbesondere in Deutschland mit seiner Geschichte. Unser Noch-Außenminister ist übrigens Jurist.

  • Colin Powell war eine Großartige Persönlichkeit! Die Welt ist ärmer um einen guten Menschen. Gott segne ihn.

  • Der Mann war ein opportunistischer Lügner. Bei allem Respekt vor seiner Karriere: Sie war auf Lügen und Pportunismus aufgebaut, gepaart mit Intelligenz. Colin Powell hat die Welt nicht besser gemacht. Er ruhe.

  • Eine tragische Gestalt, ein Mann der zweifellos versucht hat das Richtige zu tun und zweifellos das Falsche getan hat. Seine Rede war kein Irrtum. Er muss geahnt haben, dass die Informationen fragwürdig waren, allein schon, weil sie so offensichtlich erwünscht waren. Ihm war auch klar, dass er für diese Präsentation ausgewählt wurde, weil er noch eine gewisse persönliche Glaubwürdigkeit hatte, wahrscheinlich aber auch, weil ein Cheney einfach sadistische Freude daran hatte, dass ein Powell sich der Staatsraison opferte. Joschka Fischer war "not convinced" und ich glaube auch nicht, dass Powell "convinced" war. Ich habe mich immer gefragt, wie der Mann damit leben konnte, dass er sich für einen verbrecherischen Krieg hergegeben hat. So ein Leben macht ratlos.