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Verhandlungen über Ampel-KoalitionUnterstützung statt Quoten

Mehr weibliche Repräsentation wird es in den kommenden vier Jahren in der Bundespolitik nicht geben. Dafür aber womöglich Hilfen für arme Frauen.

Könnte bald mehr verdienen: Friseurin in Jena Foto: Holger John/imago

Nein, eine besonders erfolgreiche Wahl war es nicht für jene, die sich in der Politik eine breitere Repräsentation von Frauen wünschen. Der Frauenanteil im Bundestag stieg nur marginal von 31 auf 34 Prozent. Mit Ausnahme der Grünen stellten alle Parteien mit Kanzlerambitionen Männer auf – und Annalena Baerbock musste ihre Hoffnung auf den Regierungschef-Posten nach einigen Ausrutschern schon früh im Wahlkampf begraben.

Hätte die SPD mit Bärbel Bas nicht zumindest die Spitze des Bundestagspräsidiums mit einer Frau besetzt, stünden auf dem Podest der protokollarischen Rangordnung nur Männer. Die mangelnde Repräsentation wurde in den Medien während der vergangenen Wochen vielfach problematisiert. Neue Genderquoten sind mit der FDP vermutlich auch nicht machbar. Bleiben Frauen also außen vor in der neuen Legislaturperiode?

Diese These könnte nur teilen, wer Frauenförderung lediglich unter Repräsentations- und nicht unter Verteilungsgesichtspunkten betrachtet. Bereits in den Sondierungen haben die künftigen Ampelkoalitionäre Vorhaben formuliert, die Frauen überdurchschnittlich helfen würden. Zuallererst ist hier die geplante Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro zu nennen. Laut einer am Donnerstag veröffentlichten Datenauswertung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung sind knapp zwei Drittel der 8,6 Millionen Beschäftigten, die weniger als 12 Euro pro Stunde verdienen, weiblich.

Die Erhöhung hilft also Millionen prekär beschäftigten Frauen in Deutschland. Ähnlich verhielt es sich übrigens auch schon bei der Einführung des Mindestlohns ab 2015. Bei den am schlechtesten verdienenden 10 Prozent der Erwerbstätigen, bei denen schon kleinste Lohnunterschiede existenziell sind, sank der Gender Pay Gap, also die Ungleichbezahlung der Geschlechter, zwischen 2014 und 2016 von 22 auf 15 Prozent. Die neuen Daten der Böckler-Stiftung prognostizieren bei der geplanten Erhöhung erneut, dass Frauen höhere Gehaltssteigerungen verzeichnen können als Männer. Das gilt insbesondere für Frauen, die nicht tarifgebunden arbeiten.

Maßnahmen für die breite Masse

Auch die von den Grünen in das Sondierungspapier hineinverhandelte Kindergrund­si­che­rung dürfte armen alleinerziehenden Frauen helfen. Bisher wird Erziehungsberechtigen in Hartz IV das Kindergeld von den Leistungen abgezogen. Knapp ein Drittel beziehungsweise 500.000 Alleinerziehenden-Haushalte sind auf Arbeitslosengeld II angewiesen. Betroffen sind auch hier wieder überdurchschnittlich Frauen. 83 Prozent der Single-Eltern sind weiblich.

Die Kindergrundsicherung soll laut Grünen deutlich höhere Bezüge von bis zu 547 Euro (aktuell für Jugendliche in Hartz IV-Bezug: 376 Euro) für Heranwachsende sicherstellen. Auch das Kindergeld soll darin aufgehen. Je nach Ausgestaltung könnte die Maßnahme die oft prekären Lebensverhältnisse alleinerziehender Mütter verbessern. Die bisher von der künftigen Koalition noch nicht präzisierten Maßnahmen zur Förderung der Erwerbsbeteiligung von Frauen hätte ähnliche Effekte.

Im Gegensatz zu Vorstands-, Aufsichtsrats- und sonstigen Genderquoten in politischen und gesellschaftlichen Spitzeninstitutionen stünde bei den Ampel-Maßnahmen, sofern sie denn tatsächlich kommen, eine breite Masse von Frauen aus der Arbeiterschaft im Mittelpunkt.

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6 Kommentare

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  • Lieber Jörg, jetzt soll ich mich über die Schwäche Repräsentation von Frauen trösten - und womöglich schon einmal drauf einstellen, dass Frauen auch bei den Ministerposten schlechter wegkommen? Ernsthaft?

    Diese Regierung kann paritätisch besetzt werden und sie wird es auch. Das hat mit Quote nichts zu tun. Es gibt bei Ministerposten weder eine Frauen - noch eine besonders günstige Männerquote. Die Besten müssen ran. Und es gibt zum Glück genügend gute Frauen bei SPD und Grünen. Die FDP kriegt sowieso die wenigsten Ministerposten. Wenn die es mit der Parität nicht hinbekommen, heißt das allenfalls eine Frau weniger.

    Und nochmal: netter Versuch, Frauen mit der finanziellen Förderung von armen Frauen über mangelnde Repräsentation hinwegzutrösten.



    Wo doch Frauen bekanntlich so bescheiden und empathisch sind...



    Sorry. Klappt leider nicht.

  • Na endlich kapiert man, daß ein besserer gesetzlicher Mindestlohn der breiten Mehrheit der Frauen mehr hilft, als wenn durch irgendwelche Quoten wenige Elitefrauen dank ihrer Eigenschaft als Frau in Spitzenpositionen eingesetzt werden.



    Aber lieber eine späte Erkenntnis als gar keine.

  • Warum machen die Medien immer noch Jagd auf Frau Baerbock?



    "und Annalena Baerbock musste ihre Hoffnung auf den Regierungschef-Posten nach einigen Ausrutschern schon früh im Wahlkampf begraben."



    Gegen Frau Baerbock wurden Ausrutscher medial hochgepuscht und auf das heftigstr gegeißelt.



    Ihren beiden männlichen Kollegen wurden hingegen echte massive Vergehen mit jeweils einem nachweislichen Todesopfer als Kavaliersdelikte abgetan.



    (Laschet bei der von ihm selbst zugegebenen illegalen Anordnung zur Beseitigung der Baumbesetzer im Hambacher Forst. Scholz, indem er gegen alle Warnungen in Hamburg ein Gesetz einführte, nach dem Demonstranten mit Brechmittel behandelt wurden. Selbst nach der erwartbaren tötlichen Wirkung hat er dieses Gesetz nicht zurück genommen sondern musste vom Europäischen Gericht für Menschenrechte dazu gezwungen werden.)



    Typisch: Frauen werden als Gefahr hochgeschrieben, damit man sie kaltstellen kann.



    Das ist Gleichberechtigung in Deutschland - und offensichtlich auch bei der taz.

    • @Mainzerin:

      Also im Moment geht es um Ministerposten. In dieser Phase würde ich sämtliche Aussagen darüber, wie unwichtig weibliche Repräsentation ist und wie fürchterlich Frau Baerbock versagt hat, nicht ganz ernst nehmen.

    • @Mainzerin:

      Laschet wurde wegen eines Lachers während einer Rede des BuPrä in den Flutgebieten von den Medien zerrissen und Scholz heftig wegen CumEx kritisiert und ansonsten als Schlaftablette bezeichnet. Dieses Analena-ist-Opfer-weil-Frau-Gejammer ist m.E. vollkommen an der Realität vorbei.

  • 2G
    29834 (Profil gelöscht)

    "Neue Genderquoten sind mit der FDP vermutlich auch nicht machbar."

    Das zieht sich jetzt durch alle Themen der taz; was die FDP nicht will, passiert auch nicht. Na, dann Gute Nacht!