Deutschlands Impfmeister Bremen: Die Piks-Hochburg
Kein Bundesland ist bei der Impfkampagne so erfolgreich wie Bremen. Dort hat man auf Selbstverantwortung gesetzt – ohne Gefahren herunterzuspielen.
Danach waren am Freitag 79,7 Prozent der Bevölkerung Bremens einmalig geimpft, 20 Prozentpunkte mehr als im Schlusslicht Sachsen und 5 Prozentpunkte mehr als beim Zweitplatzierten Saarland. Noch größer ist der Abstand, wenn man nur die Volljährigen betrachtet: 92,4 Prozent der Bremer:innen sind einmalig geimpft, auch bei den Zweitimpfungen kann niemand Bremen das Wasser reichen.
Es gibt nur eine Spalte, in der das Bundesland nicht an der Spitze steht: Bei den 12- bis 17-Jährigen haben drei Bundesländer höhere Werte. Das liegt daran, dass Bremen sich zunächst zurückgehalten hatte mit Impfangeboten für Teenager.
Dennoch steht unterm Strich, dass Bremen mehr als nur einen guten Start hatte. Irgendetwas muss anders gelaufen sein als in allen anderen Bundesländern. Nur was? Natürlich spielt eine Rolle, dass die Impfbereitschaft im Westen grundsätzlich höher ist als im Osten, wie die regelmäßigen Befragungen des Cosmo-Monitoring der Universität Erfurt ergeben.
Und klar, die Organisation einer erfolgreichen Impfkampagne ist in einem Stadtstaat einfacher als in einem Flächenland. Aber in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein sind anteilig viel mehr Menschen geimpft als in Berlin, und Hamburg liegt nur gleichauf mit ihnen.
Impfen ohne Frust
Wahrscheinlicher ist, dass die Bremer Verantwortlichen in Politik und Verwaltung von Anfang an genauer hingeschaut haben auf das, was es braucht, um zur Impfung zu motivieren. Und sich das auch einiges haben kosten lassen. Das beginnt dabei, dass nur dann Personengruppen zur Impfung aufgerufen wurden, wenn Impfstoff für sie da war. Niemand musste sich durch abstürzende Websites klicken, um dann frustriert aufzugeben. Es gab anfangs wie überall überrannte Arztpraxen und auch mal Terminpannen, aber keine dauerbesetzten Hotlines.
Im Gegenteil, es ging fast immer sofort jemand ran, und wenn die Person eine Frage nicht beantworten konnte, gab es einen Rückruf wenige Minuten später von jemand, der das konnte. So war der Besuch des Impfzentrums für die Allermeisten eine gute Erfahrung, von der sie anderen erzählt haben werden.
Gleichzeitig musste Bremen nicht wie Köln Impfmobile wie die Virus-Feuerwehr in benachteiligte Stadtteile schicken, als dort die Inzidenzen explodierten. Als erste Großstadt hatte Bremen die Daten zu Infektionsraten auf Stadtteilebene erhoben, veröffentlicht und früh Maßnahmen eingeleitet, um gegensteuern zu können. Mittlerweile sind auch hier Impfmobile unterwegs, und sie erreichen auch Skeptiker:innen, wie jüngst eine taz-Reportage zeigte.
Hinzu kommt wohl, dass die rot-rot-grüne Regierung für ein hohes Vertrauen in die Sinnhaftigkeit ihrer Maßnahmen gesorgt hat. Das legen von der Friedrich-Ebert-Stiftung im April ermittelte überdurchschnittlich hohe Zustimmungsraten zur Bremer Pandemiepolitik nahe. Von Anfang an hat der Senat auf Selbstverantwortung gesetzt, ohne dabei die Gefahren herunterzuspielen. So gab es keine Ausgangssperren, und wer wollte, konnte sein Kind zu Hause behalten, aber Schule und Kita blieben auf.
Nur in einem Punkt weicht Bremen jetzt vom Weg der Freiwilligkeit ab. Als erstes Bundesland hat es vor einer Woche die Impfpflicht für Erzieher:innen und Lehrer:innen gefordert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
Trumps Personalentscheidungen
Kabinett ohne Erwachsene