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Klimastreik vor der WahlIch streike. Du auch?

Gastkommentar von Jaromir Schmidt und Jaro Schhmidt

Diese Bundestagswahl wird nicht von irgendwem zur Klimawahl erkoren. Sie entscheidet tatsächlich über die Frage: Zukunft oder Klimakrise?

Ein Signal an die nächste Regierung: FFF-Klimaprotest in München im November 2019 Foto: Alexander Pohl/imago

Z iemlich genau 2 Jahre, nachdem 1,4 Millionen Menschen für mehr Klimaschutz auf die Straße gegangen sind, steht erneut ein historischer Tag bevor. Für Freitag, den 24. September, ruft Fridays For Future zusammen mit vielen verschiedenen Ak­teu­r:in­nen dazu auf, sich dem globalen Klimastreik anzuschließen und die Bundestags- zur Klimawahl zu machen. Wir alle sind in der Verantwortung, diesen Tag in die Geschichte eingehen zu lassen.

Jaro Schhmidt

19, ist Fridays-for-Future-Aktivist und Teilnehmer des Wahl-Camps der taz Panter-Stiftung.

Als Greta Thunberg vor mittlerweile drei Jahren begann, im Wochentakt freitags vor das schwedische Parlamentsgebäude zu ziehen, statt in die Schule zu gehen, entfachte sie eine internationale Welle des zivilen Ungehorsams. Vor allem in Deutschland, dem Land der Anti-Atom-Kraft-Bewegung, fand die Aktion, die im Zeichen von Mahatma Gandhis gewaltfreien Protesten ein Jahrhundert zuvor steht, enormen Zuspruch. Keine Nachrichtensendung, keine Talkshow kam ohne das Klimathema aus.

Obwohl die Stimmen aus der Wissenschaft, die all die Jahrzehnte zuvor warnten, ja schrien, bisher ignoriert oder kleingeredet wurden. Jüngst veröffentlichte der Weltklimarat, der IPCC, seinen neuen Bericht. Dessen Urteil über die aktuelle Lage ist vernichtend. Wenn wir nicht jetzt sofort (und das bedeutet: Jetzt! Sofort! In der kommenden Legislaturperiode!) handeln, werden wir bald schon die Folgen einer Erderwärmung deutlich über den Pariser Klimazielen erleben. Dürren, Hitzeperioden, Überschwemmungen – kurz Extremwetterereignisse werden Realität. Berlin fühlt sich dann an wie französische Mittelmeerküste und wie sich die französische Mittelmeerküste zeitgleich anfühlt, möchte man gar nicht wissen.

Preis für die dümmste Antwort

Aber der Bericht zeichnet nicht nur ein realdystopisches Weltuntergangsszenario, sondern macht ebenso deutlich: 1,5 Grad sind noch möglich. Wenn wir jetzt sofort handeln! Sie wissen schon: Jetzt! Sofort! Wie im Wahlwerbespot der „Linken“. Die schlägt sich übrigens mit ihren Klimazielen noch am besten von allen etablierten Parteien. Eine Studie des Konzeptwerks Neue Ökonomie, die die Klimaprogramme der großen Parteien auf 1,5 Grad-Konformität überprüft hat, kam trotzdem zu dem Schluss: Alle Parteien durchgefallen, Sechs, setzen. Einen Schulverweis kriegt die AfD, die den in der Schule unterrichteten Stoff gar nicht erst anerkennen will. Immerhin, die CDU ist mit Flugtaxis mal wieder sehr kreativ geworden und kriegt die jährliche Auszeichnung für die dümmste Antwort auf globale Krisen zum hundertsten Mal verliehen.

Die jungen Menschen fordern zu Recht, wie das Bundesverfassungsgericht Anfang dieses Jahres entschied, eine intakte Zukunft ein. Sei es durch niedrigschwelligen zivilen Ungehorsam, wie den des Schulstreiks, durch radikalere Aktionen wie die von „Ende Gelände“ im Braunkohle- oder Gasrevier oder von „Sand im Getriebe“ neulich bei der Internationalen Automobilausstellung IAA. Die Krise ist allgegenwärtig und für viele bereits existenzgefährdend. Stichwort globaler Süden.

Deswegen: Geht am Freitag gemeinsam mit den Kids auf die Straße. Sendet der nächsten Regierung ein Zeichen. Diese Wahl wird nicht von irgendwem zur Klimawahl erkoren, diese Wahl entscheidet tatsächlich über Zukunft oder Klimakrise, Berlin oder französische Mittelmeerküste. Nur ein weiterer Streik – oder historische Einleitung einer Kehrtwende.

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15 Kommentare

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  • Wer ist eigentlich „wir“? Wir Menschen in Deutschland? Oder wir Menschen auf der ganzen Welt?



    Wer kommt eigentlich auf die Idee, dass am deutschen Wesen die Welt genesen wird? Wer unterlässt es seit Jahren, Rüstung und Militär als klimarelevante Faktoren einfach zu ignorieren? Und warum ignoriert auch der sog. Weltklimarat Aufrüstung und Militär?



    Wann wird endlich Klimapolitik entideologisiert? Und wann werden diejenigen zur Rechenschaft gezogen, die enorm viel CO2 produzieren, nur weil sie es sich leisten können? Wann melden sich die Menschen zu Wort, die wegen einer großbürgerlichen Klimapolitik den Gürtel enger schnallen müssen? Der voraussichtliche Misserfolg der Grünen am 26.9. ist auch das Ergebnis einer elitären antisozialen Haltung. Klimapolitik GEGEN das Volk ist nicht die Lösung, sondern das Problem. Und Angstmacherei, ob gegen „Überfremdung“ oder Klimakatastrophe ist stets ein mieses Mittel, Menschen zu manipulieren.

    • @Rolf B.:

      „Wir“ sond im Kontext der Bundestagswahl nur die Menschen in Deutschland, Bei Konflikten mit den Interessen von Menschen in anderen Ländern, muss eine Regierung in Deutschland ganz klar die Interessen der Deutschen vertreten

      Die Eidformel des Kanzlers lautet;



      „ Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden….“

  • Die Bundestagswahl entscheidet also über das Weltklima? Steile These!

  • Viel effektiver wäre doch ein Steuerstreik. Gabs ja damals in den in den achtzigern schon mal Versuche gegen die "Aufrüstung".

    Dazu müssten halt nur ein paar auch mit streiken, die überhaupt die Steuern zahlen und nicht nur als Staatsalimentierte leben. Wird also nichts wenn ich mir die Streikenden so ansehe...........

  • Die These, die Bundestagswahl entscheide über Zukunft oder Katastrophe, ist einfach falsch. Natürlich muss Deutschland seinen Beitrag leisten. Aber ob die Menschheit die Kurve kriegt, entscheidet sich nicht in Berlin, sondern in Washington, Peking, Neu Delhi und Moskau.

  • Ich denke auch, dass diese Wahl eine Chance ist, sich auf den Klimawandel ein -bzw. unsere Lebensweise umzustellen.



    Wichtig ist, dass die Mehrheit der Bevölkerung mitgenommen wird.

  • @ PAUL RABE Also einfach weitermachen, nach dem Motto "nach mir die Sintflut"? Aber schön für sie, so eine praktische Ausrede gefunden zu haben.

    • @petermann:

      Nein, aber die Realität nüchtern betrachten und dann rational handeln, rein symbolische Handlungen ohne echten Einfluss, auch wenn die mit bester Absicht erfolgen, darf man schon hinterfragen.

  • Die UN rechnet mit einem Bevölkerungswachstum von mindestens noch 3 Milliarden Menschen in diesem Jahrhundert.



    Diese zukünftigen Menschen werden, jeder einzelne, einen Co2 Absruck haben.



    Selbst wenn der nur 10% des durchschnittlichen Deutschen Abdrucks sein sollte, damit wird jede Anstrengung den Gesamt Co2 Abdruck zu mindern vergeblich sein.



    Sollen wir also, rein symbolisch, unsere Industrie und Wohlstand opfern ?



    Physikalisch es praktisch unmöglich, wenn man das Bevölkerungswachstum als gegeben ansetzt, den Klimawandel aufzuhalten.

    • @Paul Rabe:

      Ich halte ihre Antwort für bequem und äußerst unredlich. Das Deutschland , auf die Bevölkerungszahl gerechnet, einen ganz erheblichen Anteil an der Klimaerwärmung hat ist ausreichend wissenschaftlich belegt. Sich dann bräsig zurückzulehnen und mit Bevölkerungswachstum allgemein zu argumentieren, pardon, das halte ich für scheinheilg.

    • 7G
      75787 (Profil gelöscht)
      @Paul Rabe:

      Es ist billig, chauvinistisch und arrogant, wenn fette Wohlstandsbäuche und Besitzstandswahrer das Bevölkerungswachstum zum Problem erklären wollen!

      Sündenbock Agitation, um vermeintliche Bedrohungsszenarien aufzubauen ist nur zu billig & kontraproduktiv. Wie wäre es stattdessen schlicht mit einer gerechteren Welt, in der Gesundheit, Bildung und die Stärkung der Rechte der Frauen allen Menschen zugute kommt?

      • @75787 (Profil gelöscht):

        So eine Welt wäre wünschenswert. Sie hätte allerdings keinen (zumindest keinen positiven) Effekt auf den CO2-Ausstoß/Klimawandel.

      • @75787 (Profil gelöscht):

        Das von der UN prognostizierte Bevölkerungswachstum ist kein "Bedrohungsszenario" sondern, ähnlich wie die physikalischen Klimamodelle zum Klimawandel, ein demografisch-mathematisches Faktum, an dem niemand etwas realistischerweise ändern kann.

        Wenn man zu der, gut begründeten, Erkenntnis kommt, daß der Klimawandel deswegen von Deutschland aus weder aufgehalten werden kann noch, daß er überhaupt nennenswert beeinflussbar ist, dann ist das keine "Sündenbock-Agitation".

        Es ist schlicht die Akzeptanz von naturwissenschaftlich-mathematischen Gesetzmäßigkeiten.

        Die daraus folgende politische Frage, ob es, basierend auf dieser Erkenntnis, wirklich sinnvoll ist in Deutschland z.B. größeren Wohlstandsverzicht zu fordern, halte ich für legitim.

    • @Paul Rabe:

      Sehr richtig, dass der große Einfluss des Bevölkerungswachstums bei hoffentlich steigendem Wohlstand in Entwicklungsländern auf den weltweiten CO2-Ausstoß bei Klimadiskussionen weitestgehend totgeschwiegen wird oder Diskussionen darüber mit Bezeichnung als Rassismus abgewürgt werden, ist einfach nur unehrlich.

      • 7G
        75787 (Profil gelöscht)
        @hderk:

        Nach Berechnungen der UN liegt die Bevölkerungszahl im Jahr 2050 zwischen 8,7 und 10,8 Milliarden (Quelle: www.bpb.de/nachsch...erungsentwicklung).

        Es handelt sich hier um Prognosen mit entspr. Schwankungsbreite. Statt Kopf-in-den-Sand-steck-Rhetorik oder Ängste schüren sollten wir ernst nehmen, dass Ressourcenverfügbarkeit, Ressourcenbelastbarkeit und Lebensstandard auf einem begrenzten Planeten zusammengedacht werden müssen. Eine Weichenstellung dazu ist morgen möglich.