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Möglicher Ausgang der BundestagswahlSozialdemokratische Zerreißprobe

Und wenn die SPD den Wahlsieg doch noch verstolpert? Dann dürften Verteilungskämpfe um die Posten in der Opposition ausbrechen. Nur Scholz ist gesetzt.

Foto: Christophe Gateau/dpa

Es war ein schöner Traum. Ein paar Wochen sah es danach aus, als ob die SPD ihre 15-jährige Krise überwunden, ihren Zerfall aufgehalten, das Kanzleramt gewonnen hätte. Eine Woche vor dem Wahltermin wendet sich der Trend jetzt aber. In verschiedenen Umfragen konnte die CDU in den letzten Tagen leicht zulegen, auch die persönlichen Werte Armin Laschets steigen. Das Momentum wird auf den letzten Metern zweifelnde Unionswähler mobilisieren. Dazu kommen Messungenauigkeiten der Demoskopen und Olaf Scholz’ Scherereien mit der Justiz.

Kurz: Signifikant mehr als 20 Prozent sind für die SPD unter diesen Rahmenbedingungen nicht drin. Sollte es am Ende nicht gerade noch so zu einer Neuauflage der Großen Koalition reichen, landen die Sozialdemokraten dort, wo sie sich vor ihrem Zwischenhoch im Spätsommer ohnehin schon gesehen hatten – in der Opposition.

Serie: Die taz liest im Kaffeesatz

Damit wir hinterher sagen können, dass wir es schon vorher gesagt haben: Unsere Au­to­r:in­nen deklinieren bis zum 26. September durch, wie die Wahl ausgehen könnte. Alle Texte der Serie hier.

Mittelfristig, immerhin, bietet ihnen das die Chance zur Erneuerung. Kurzfristig aber, noch vor der gründlichen Fehleranalyse (zu frühe Kür des Kandidaten, Parteichefin im Keller versteckt, Plakatfotos versehentlich mit Weitwinkel geschossen), stehen die Sozialdemokraten vor einer innerlichen Zerreißprobe: Bei der Postenvergabe prallt die aufstrebende zweite Reihe auf das frisch freigestellte Regierungspersonal. Der Vorstand der Friedrich-Ebert-Stiftung ist noch auf über ein Jahr gewählt und scheidet als Versorgungsstation aus. Ohne Verteilungskämpfe wird die Neuaufstellung nicht vonstatten gehen.

Gesetzt ist dabei nur einer: Die Fraktion lässt Olaf Scholz, der sie immerhin vor dem 10-Prozent-Grab bewahrt hat, nicht fallen. Ihm wird der Fraktionsvorsitz angetragen, den er – Hanseat, pflichtbewusst, Staatsräsonist – nicht ausschlagen kann. Rolf Mützenich könnte möglicherweise mit einem Platz im Bundestagspräsidium abgefunden werden.

Dahinter wird es schwierig: Kevin Kühnert wäre zwar prädestiniert dafür, als Generalsekretär den Restart der Partei zu managen. Wohin aber mit Lars Klingbeil, der sich die Nachfolge des amtsmüden Norbert Walter-Borjans vorstellen könnte, bei der Mitgliederbefragung aber erst mal Hubertus Heil, Ralf Stegner und die Oberbürgermeisterin von Flensburg ausstechen muss? Heiko Maas könnte immerhin Botschafter im Vatikan werden, unklar ist aber, ob sich Niels Annen gegen Michael Roth als außenpolitischer Sprecher durchsetzt.

Aus dem Hintergrund mäkelt Sigmar Gabriel. Irgendwer wechselt zu Gazprom. Im Fraktionsvorstand sitzen zu viele Niedersachsen. Ist noch irgendwo eine Frau aufzutreiben? Oh, ein Untersuchungsausschuss! Da könnte man Dennis Rohde parken. Hoffentlich nimmt Lanz den Lauterbach. Giffey geht zurück an die Uni. Wie lange ist Högl noch Wehrbeauftragte? Wer tritt in der Bundesversammlung gegen Özdemir an? Kommt Hilde Mattheis in die Grundwertekommission? Warum ist Opposition nur so scheiße?

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12 Kommentare

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  • Titel: "Das sozialdemokratische Jahrzehnt" passt nicht zur These: "Das größte Problem der SPD nach DER kommenden Wahlniederlage" und die passt nicht zur Umfrage unter dem Artikel: SPD=26%, CDU=21%.

    Ich fragte mich gerade: Ist heute der 1. April?

  • 3G
    32533 (Profil gelöscht)

    Darf die CDU jetzt hier schon in solcher Form Wahlwerbung betreiben?

    Für mich ein/e entbehrliche/r ... ja was ist es denn? Ich dachte zuerst an eine Glosse. Doch das rote 'Wahrheit' Zeichen bleibt unsichtbar.

    Ist 'Nutzen' keine taz-Kategorie mehr? Dann frage ich mal: wer hat etwas von solchen Texten?

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ""Ein paar Wochen sah es danach aus, als ob die SPD ihre 15-jährige Krise überwunden, ihren Zerfall aufgehalten, das Kanzleramt gewonnen hätte.""



    ==



    1.. Es ist wie immer - 3-5% der Wähler werden die Wahl entscheiden.

    2.. Und folgender Punkt ist auch wie immer - die sozial bewegten Bundesbürger werden auch die kommende nächste Bundestagswahl dominieren.



    (Siehe sämliche Wahlumfragen nach Addition der Stimmen im rot-rot-grünen Lager im Vergleich zu den konservativen Stimmen)

    3..Wer sicher gehen möchte, das Laschet /CDU/FDP Chaos verhindern zu wollen - wählt sozialdemokratisch oder grün.

    4.. Da es niemand weiss und es dieses Mal wirklich niemanden gibt, der sich traut, das Wahlergebniss vorraus sagen zu wollen gibt es auch derzeit kein Schattenkabinet - weder im konservativen Lager noch sonstwo.

    5.. Wenn Tobias Schulze die Sozialdemokraten in die Krise zurück schreiben möchte sollte er sich fragen, warum er offensichtlich Spaß daran hat, eingeklemmt in seiner klitzekleinen Nische an den bleiernen Merkeljahren festhalten zu wollen . -

    Das ist überhaupt keine Option - dazu ist der gesellschaftliche Veränderungsdruck und die Chance auf eine Trendwende zu groß.

    • @06438 (Profil gelöscht):

      zu 3. Um sicher zu gehen, sollten man dann lieber die Linke wählen. Die anderen Beiden könnten mit CDU/FDP zusammen gehen. Das würde jede Menge Chaos ermöglichen. Stellen Sie sich nur vor, der Scheuer bleibt im Amt. Unterstützt von einem Finanzminister Linder...

    • 3G
      32533 (Profil gelöscht)
      @06438 (Profil gelöscht):

      Viel Rauch um fast nichts.

      Gibt es im Herbst eine Neuauflage der 'Nebel von Avalon'? Garniert mit Coriander und Honig?

      Wenn alle links denkenden und handelnden Mensch Ihren Punkt 3 beherzigen würden, würde wer an der 5-Prozent-Hürde scheitern? Erraten.

      Und wer würde davon profitieren? Ausgerechnet die, die Sie doch verhindern möchten?

      Machen Sie es doch sich selbst und alle Anderen einfacher und rufen zur Wahl Ihrer wirklichen Wunschpartei auf.

      Wer CDU/CSU/FDP verhindern will, hat nur eine realistische Chance. Und selbst dann ... näheres unter: Hornberger Schießen.

      Hornberg liegt übrigens im SCHWARZwald.

  • 9G
    92293 (Profil gelöscht)

    Nun ja, sollte die spd weiterregieren ohne schwarze Ummantelung dann wäre der Mehltau der nächsten Jahre das heraufbeschwören was Merkel den roten Socken abgeheimst hat ohne dass die Bevölkerung dies wirklich erkannt hätte. Da ließe sich auch vieles von dann aktueller Politik verdecken.

  • Kühne These, geeignet, die Unterstützung zu kündigen. Die Union incl. Laschet wirft schon heftig mit Dreck. Das ist das beste Zeichen dafür, dass hier Irreales verkündet wird!

  • Wenn man natürlich schon vor der Wahl in Pessimismus versinkt...

    Es gibt die Chance für eine vernünftigere Politik. Aber wenn der Mut fehlt...

  • "... auch die persönlichen Werte Armin Laschets steigen"

    Ich hätte beinahe meinen Morgenkaffee auf die Tastatur gekippt: sie meinen aber vermutlich nur die persönlichen Umfragewerte, oder?

    • 3G
      32533 (Profil gelöscht)
      @tomás zerolo:

      Hat Laschet denn überhaupt andere als die Umfragewerte?

      (Gut, ich weiß nicht, ob er zuhause Aachener Printen gebunkert hat. Das müsste man noch überprüfen. Ich würde sogar den Vorkoster machen.)

  • Lieber Tobias Schulze,



    scheinbar besitzen sie noch eine Glaskugel. Die sind aber oft ungenau. Ich weiß nicht, wie Sie auf ihre Einschätzung kommen. Verzweifelte Wahlkampfhilfe für die CDU auf den letzten Metern?

  • Es wird anders kommen. Sie werden sehen.