piwik no script img

Debatte um gegenderte SpracheNur noch neutral

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Christine Lambrecht will Gendersterne, Unterstriche und Co. aus Behördendokumenten verbannen. Eine bemerkenswerte Kehrtwende.

Wird bei gendergerechter Sprache unbehaglich: Justizministerin Christine Lambrecht Foto: Stefan Boness

F rauenministerinnen scheinen ein Problem mit dem Gendern zu haben. So sorgte einst Kristina Schröder, eine CDU-Vorgängerin im Amt, für Lacher mit ihrem Vorschlag, Gott zu neutralisieren: Aus „der Gott“ sollte „das Gott“ werden. Weil „die Gott“ oder „die Göttin“ sprachlich ungewohnt sei. Und: Die Verweiblichung der himmlischen Fügung hätte die männliche Herrlichkeit doch sehr genervt.

Auch der aktuellen Frauenministerin, Christine Lambrecht von der SPD, wird bei gendergerechter Sprache unbehaglich. Sternchen, Unterstriche, Doppelpunkte findet sie unschön und will diese aus allen offiziellen Schreiben oberster Bundesbehörden verbannen. Da hat Lambrecht, die auch Justizministerin ist, nicht unrecht. Sonderzeichen zerhacken die Wörter. Das können sogar Fe­mi­nis­t:in­nen unterschreiben. Sie verwenden sie vielfach trotzdem, weil sie alle Geschlechter sprachlich mitmeinen wollen.

Ausgrenzend will aber auch Christine Lambrecht nicht sein. So schlägt sie vor, es sollte statt „Teilnehmerinnen- und Teilnehmerliste“ besser Teilnahmeliste heißen, also neutral at its best. Gleichzeitig sträubt sie sich gegen die sprachliche Repräsentation diverser Menschen, da deren Anteil an der Bevölkerung „sehr gering“ sei. „Kundinnen und Kunden“ sei daher gerechtfertigt.

Man liest das – und wundert sich. War es nicht auch Christine Lambrecht, die im Justizressort einst einen Gesetzentwurf komplett in weiblicher Form verfassen ließ? „Schuldnerin“ und „Gläubigerin“ hieß es in dem Referentenentwurf, der sprachlich neue Standards setzen sollte. Ein Ansatz, der zwar ehrenwert war, weil er rigoros Abschied nimmt vom generischen Maskulinum. Aber eben auch nicht komplett durchdacht, weil sich männliche Schuldner zu Recht nicht angesprochen fühlen konnten.

Lambrecht erntete heftige Kritik und nahm das Papier zurück. In anderen Fällen ist ihr Kritik durchaus egal; verwiesen sei nur auf ihren Vorstoß bei der Vorstandsquote, die sie heftig verteidigte. Die Debatten über gegenderte Sprache wird also auch in der neuen Koalition munter weitergehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • Warum tut Frau Schmollack hier so verwirrt.?



    Sie sagt selber im Artikel, dass Frau Lamprecht keine Sonderzeichen in Behördendokumenten möchte. Und alle Beispiele, welche hier für ihre bisherigen Vorstöße angeführt werden (inklusive des generischen Femininums), geben auch genau das wieder.



    Wozu also die künstliche Konfusion? Weil es hier vornehmlich wieder um Selbstprofilierung geht. Frau Schmollack möchte schon durchblicken lassen, welche Art von Sprache sie für die richtige hält. Aber sie möchte nicht schon wieder eine ausgewachsene Diskussion über das Gendern beginnen, weil sie trotz ihrer süffisant-herablassenden Belehrungsversuche (z. B. "Keine Angst vorm Gendern") trotzdem versucht das Bild aufrecht zu erhalten, sie würde an das Thema ganz spielerisch und unverkrampft herangehen. Und auch weil entsprechende Kommetarspalten den Redakteuren regelmäßig um die Ohren fliegen.



    Und so muss sie sich hinter inhaltsfreien, oder zumindest sich selbst beantwortenden Artikeln verstecken, um trotzdem kleine passiv-agressive Spitzen loszulassen, aber dabei keinen Gegnwind zu riskieren



    Frau Schmollack, wenn Sie sich zu Gendersprache äußern möchten, dann tun Sie es doch bitte richtig und mit Selbstbewusstsein.



    Aber die eigenen Ansichten indirekt profilieren zu wollen, indem man versucht sich über andere Positionen durch bemühtes Unverständnis lustig zu machen, ist dieser Zeitung und einer Journalistin unwürdig.

  • Die Diskussion versteift sich meiner Meinung nach schon eine Weile zu sehr auf eine Lösungsoption und geht zu sehr am Problem vorbei.



    Auch ein schöner Ansatz ist zum Beispiel Gendern nach Phettenberg. Davon liese sich vielleicht eine bessere Lösung ableiten als ständig am Glottisschlag rum zu frickeln. Gibt wahrscheinlich noch viele andere gute Ansätze die komplett untergehen weil man sich zu sehr auf eine Lösungsmöglichkeit versteift.

  • Laut Umfragen ist auch die Mehrheit der Wähler von linken Parteien gegen die Gendersprache. Da die linken Parteien im Bundestag bislang geschlossen hinter dieser Sprache standen, wurde somit bislang eine relativ große Wählergruppe nicht repräsentiert. Allein aus diesem Grund ist das eine erfreuliche Entwicklung.

  • 1G
    14231 (Profil gelöscht)

    Mir ist bislang keine Person untergekommen, die im Alltag, sei es in mündlicher Rede oder persönlichen Nachrichten, Formen gendergerechter Sprache nutzt. Aus dieser, freilich sehr persönlichen, Perspektive heraus, schließe ich, dass gendergerechte Formen fern davon sind, eine Norm darzustellen. Es ist nicht Angelegenheit von Behörden, dies durch verordneten Sprachgebrauch zu ändern, vielmehr sollten sie sich in ihrem Sprachgebrauch an jenem der Bürger orientieren, um die sprachliche Kluft zwischen Verwaltung und Bürgern gering zu halten. Insbesondere gegenüber bildungsfernen Menschen, solchen, die über sehr begrenzte Deutschkenntnisse verfügen aber auch für ältere Menschen können die als geschlechtergerecht geltenden Sonderformen einen bedeutend ausgrenzenderen Effekt haben als das allgegenwärtige generische Maskulinum.

  • Man kann auch gendergerecht schreiben, ohne Wörter mit Sonderzeichen sinnlos zu zerhacken oder künstliche Substantive wie "Teilnehmende" zu schaffen, wo es bereits fertige Substantive gibt. Das zeigen doch gerade ihre Beispiele. Selbst konsequente und alleinige Verwendung der weiblichen Formen wäre erträglicher.

  • Man könnte, viel einfacher, einfach anerkennen dass es in der deutschen Sprache das generische Maskulinum gibt.

    • 7G
      75787 (Profil gelöscht)
      @Paul Rabe:

      "Die Macht der Männer ist die Geduld der Frauen"

      Es ist erwiesen, wer maskulin Formuliertes liest, denkt automatisch an Männer...

      Es ist erwiesen, dass Kinder sich bestimmte Berufe eher zutrauten, wenn sie zuvor sowohl in der männlichen als auch in der weiblichen Form vorgelesen worden waren...

      Denke, das generische Maskulinum gehört in das Reich der Mythen. Frauen werden im gängigen Sprachgebrauch ausgeschlossen und das hat ganz konkrete Auswirkungen auf die Rolle von Frauen in der Gesellschaft. Zeit, dies zu ändern...noch schöne Grüße an den BR.

      • @75787 (Profil gelöscht):

        "Es ist erwiesen..." (Kid Loco)



        Erwiesen? Was, Wie, Wann und Wo?



        Ich denke da gibt es nicht wirklich irgendwelche validen wissenschaftlichen Belege. Aber ich lasse mich ja gerne überraschen. Darf ich auf etwas mehr als nur nassforsche Behauptungen hoffen?

      • @75787 (Profil gelöscht):

        "Es ist erwiesen, wer maskulin Formuliertes liest, denkt automatisch an Männer..." Nicht richtig. Ein Beispiel? Ich las neulich "Ärzte haben Probleme mit komplizierten Abrechnungen". Glauben Sie wirklich, irgendein Leser (oder eine Leserin) würde daraus schließen, dass nur männliche Ärzte mit Abrechnungen zu kämpfen haben, während Ärztinnen das alles easy finden?

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @Paul Rabe:

      So einfach wollen wir das uns jetzt auch nicht machen. Adam Weishaupt oben hat den richtigen Gedanken. Einfach Mal die nächsten zweitausend Jahre generisches Femininum verwenden.

      • @4813 (Profil gelöscht):

        "So einfach wollen wir das uns jetzt auch nicht machen." (Schnurzelpu)



        Jo - sag ich auch immer und versuchte deswegen heute mal meine Spagettis mit den Füßen auf die Gabel zu wickeln. Das sollten Sie auch mal probieren! Ist echt der neueste heiße Scheiß.

        • 4G
          4813 (Profil gelöscht)
          @LittleRedRooster:

          Wenn man sich anstrengt, dann geht das. Alles eine Frage der Beweglichkeit.

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Danke Frau Lambrecht.