Zahlen zu Zwangsräumungen 2020: Räumungen trotz Pandemie
Bundesweit fanden knapp 30.000 Zwangsräumungen im Jahr 2020 trotz Corona statt. Ein Skandal, sagt Linkenpolitikerin Caren Lay.
Berlin taz | Trotz Pandemie wurden 2020 mindestens 29.744 Zwangsräumungen in Deutschland durchgeführt – das entspricht im Schnitt 81 pro Tag. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Frage von Caren Lay, der wohnungspolitischen Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, hervor. Die Bundesregierung schlüsselte die durch die Länder übermittelten Daten in einer Tabelle auf. Die Gesamtzahl dürfte noch höher sein: Denn die Zahlen für Hamburg und Schleswig-Holstein fehlen darin.
Die meisten Räumungen fanden in Nordrhein-Westfalen (9.161) statt, gefolgt von Sachsen (2.949) und Bayern (2.867). Im Saarland wurde am wenigsten geräumt (376). Wo prozentual am meisten Menschen ihre Bleibe verloren haben, ist schwer zu bestimmen. Denn es wird nicht differenziert, ob die Räumungen Wohnräume oder Geschäftsräume betreffen. Nur Thüringen übermittelte Daten, die sich ausschließlich auf Wohnräume bezogen. 2020 fanden dort 859 Zwangsräumungen statt. 2019 waren es 967.
Erst seit Ende 2019 erhebt die Bundesregierung über die Länder die Zahl der durchgeführten Zwangsräumungen. Zuvor wurde nur die Zahl der Zwangsvollstreckungsanträge erfasst, wobei Bayern dies nicht tat.
Dass während der Pandemie geräumt wird, ist für Linkenpolitikerin Caren Lay ein „Skandal“. Das könne „in Zeiten von Corona lebensgefährlich sein“. Räumungen in die Wohnungslosigkeit sollten aber „grundsätzlich verboten“ werden, so Lay.
Von April bis Juni 2020 durften Mieter:innen, die aufgrund der Pandemie Zahlungsrückstände hatten, bis einschließlich Juni 2022 nicht gekündigt werden. Die fehlenden Mieten sollen bis dahin zurückgezahlt werden. Dieses Mietmoratorium zum Schutz von Mieter:innen in der Pandemie lief zum 1. Juli 2020 aus und wurde von der Bundesregierung nicht verlängert.
Leser*innenkommentare
Goldi
Danke für den Artikel. Wir sollten als Gesellschaft grundsätzlich unseren profit- und renditeorientierten Umgang mit dem Thema Wohnen überdenken. Möglicherweise bringen uns gesetzliche Verbesserungen zur massiven Förderung von Genossenschaften weiter. Möglicherweise könnte auch ein bedingungsfreies Grundeinkommen den Wohnungsbesitzern erhöhte Sicherheit bei den Mieteinnahmen bringen.
Doch mittelfristig/in den nächsten Jahren denke ich, kommen wir um eine Änderung des Bodenrechts und um die Enteignung von renditeorientierten Wohnungskonzernen in privater (privare: jmnd etw. berauben) Hand nicht drum herum.
Wir brauchen eine massiv geförderte "Gemeinwohlorientierte Wohnungswirtschaft" wie z. B. in Wien.
Šarru-kīnu
Ich wäre als Vermieter sogar tendenziell dafür Zwangsräumungen pandemiebedingt auszusetzen. Wenn der Staat dann im Ausgleich die ausstehenden Mietzahlungen und mögliche Schäden usw. bezahlt, sollte das für keinen Vermieter ein Problem sein. Ich habe einmal in Berlin selbst die Erfahrung machen müssen mit einem "Mieter" der 1 Jahr lang keine Miete zahlte, die Wohnung in Schutt und Asche legte und gegen die Räumung bis in die letzte Instanz ging. Die 30000€ sehe ich nie wieder. Wer eine Räumung in die Wohnungslosigkeit komplett verbieten will, muss für Vermieter einen Ausgleich schaffen.
Bunte Kuh
Mal ein Tip an alle Beteiligten, wie Schlüsseldienste, Gerichtsvollzieher, Anwälte, Möbelpacker..
Lasst mal lieber die Finger von solchen "Aufträgen", nicht dass ihr Euch mal irgendwann wegen "Beihilfe" verantworten müsst.
Sich dann auf "Befehle" zu berufen bringt mitunter wenig, zumal es hier ja gar keine potentiell strafsanktionierten Befehle sind.
Gretchen Müller
Also, eine Wohnungsräumung passiert Grundsätzlich nicht weil drei Monate keine Miete bezahlt wird.
Sehr populistisch das ganze, vielleicht sollte man Mal genauer hinschauen wann und weswegen geräumt würde.
Und ich als Hauseigentümer muss Abgaben zahlen, an die Stadt, den Energieversorger und vor allem Steuer auf Mieteinnahmen die ich dann erstmal nicht bekommen habe.
Wenn ich dann jemanden einen Mietnormaden heraus Klage, dauert sowas Monate.
Wenn Kinder und Geldbezug vom Jobcenter im Spiel sind ist es fast unmöglich diese Menschen heraus zu setzen.
Aber kosten habe ich trotzdem und am Ende eine Wohnung in Trümmern.
tomás zerolo
Und dann pinkeln sich manche ein beim Wort "Enteignung" ein. Unfassbar.