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Die WahrheitVom Saxit zum Thüxit

Die Nach-Wahlanalyse. Das Wahrheit-Spezial mit dem Wahrheit-Experten: Dunkeldeutsches für den neuen Ostblock.

Der Bratwurst-Ostblock ist die Zukunft des Ostens Foto: dpa

Jubel bei der Partei Abschaum für Deutschland (AfD) nach der Stimmenauszählung für die Bundestagswahl 2021 am Sonntag. Zwar ist die AfD neben der CDU eine der großen Verliererinnen der Wahl, aber sie ist auch eine der großen Gewinnerinnen, ist sie doch stärkste Partei in Sachsen und Thüringen geworden. Die zunehmende Schere zwischen Ost und West öffnet sich weiter. Während die Abschaum-Partei im Westen nur einstellige Prozentzahlen einfährt, holt sie in Sachsen zehn von sechzehn ihrer Direktmandate. Die AfD ist damit endgültig zur „Lega Ost“ geworden, einer Partei für Dunkeldeutschland.

Jubel aber auch bei der Wahrheit und ihrem erfahrensten Analytiker, der sich durch die nur auf den ersten Blick katastrophalen Ergebnisse bestätigt sieht in seiner lange gehegten Einschätzung. Denn der Sieg der SPD, die Niederlage von CDU und Grünen können bei einer Analyse gut und gern vernachlässigt werden.

Man zäumt das Pferd des Urnengangs nicht von hinten auf, wenn man in den nahen Osten blickt: Durch die Erfolge der AfD dort dürfte sich nicht nur der Rechtsaußen-Flügel um den Thüringer AfD-Führer Björn Höcke gestärkt fühlen, sondern die gesamte Rechtspartei wird sich auf beiden Flügeln auf ihr neues Lieblingsprojekt versteifen: Der Saxit und der Thüxit stehen bevor.

Nach dem Gewinn der nächsten Landtagswahlen wird die AfD logischerweise den Austritt Sachsens und Thüringens aus der abgrundtief verhassten Europäischen Union erklären. Und wer im politischen Berlin glaubt, das werde aus rechtlichen oder juristischen Gründen nicht möglich sein, weil die beiden Bundesländer immer noch Bundesländer sind, der vergisst: Die AfD hat die Bundesrepublik Deutschland längst verlassen, wenn schon nicht verwaltungsrechtlich, so doch moralisch.

Diskreditiert bis zum Abwinken

Und das ist gut so. Denn nur so kann die Bundesrepublik die AfD loswerden – zusammen mit Sachsen und Thüringen. Wer sich als breit aufgestellter Analytiker ernsthaft Gedanken macht über die engere Zukunft der Nation und ihren rückläufigen Nimbus, der kann nur konstatieren: Die AfD muss weg. Weg muss aber auch Dunkeldeutschland oder wenigstens jener Teil, der sich selbst diskreditiert bis zum Abwinken. Wer braucht schon die beiden überflüssigen Ostländer Sachsen und Thüringen? Auf Leipzig und Dresden, Jena und Erfurt, Rostock und Schwerin können die Bundesbürger gut verzichten, ohne scharfe Sauce ging es jahrzehntelang auch.

Tiefere Sorgen muss sich niemand um die Zukunft der beiden Ostgebiete und ihre bedauernswerte Bevölkerung machen. Mit den benachbarten Freiheitskämpfern Polen und Ungarn können die Sachsen und Thüringer inbrünstig einen neuen Ostblock bilden. Das wird zwar ein sowohl wirtschaftlich als auch politisch arg leichtgewichtiges Gegengewicht zur sogenannten Europäischen Sowjetunion in Brüssel, aber da sich der Bratwurst-Ostblock von der neuen Brüsseler Besatzungsmacht dauernd gegängelt fühlt, lassen sich so künftig wenigstens die nationalen Minderwertigkeitskomplexe hemmungslos bis in die Puppen ausleben.

Reaktiviert als Notnagel

Größtes Problem des Saxit und Thüxit besonders für die neue Bundesregierung allerdings wird die massive Fluchtwelle aus Dunkeldeutschland sein, die nach den Austritten der beiden verheerenden Länder das helle Restdeutschland überrollen wird wie ein Lastwagen mit gelöster Handbremse am Hang. In Berlin bereitet man sich schon jetzt auf die auf ihren schweren Koffern sitzenden Umsiedler vor und reaktiviert das Notaufnahmelager Marienfelde als Notnagel.

Im politischen Gefüge der Bundesrepublik könnte die neue Fluchtkrise allerdings erhebliche Auswirkungen vor allem im Westen haben. Denn als verschärfte Antwort wird sich höchstwahrscheinlich eine neue AfD gründen: die AAfD (Alternativer Abschaum für Deutschland). Wichtigster Programmpunkt: die endgültige Abspaltung von jeder Wirklichkeit und ihren Erscheinungsformen wie Corona und Käsekuchen mit Sahne. Hauptstadt soll Bonn werden, Berlin wieder geteilt – und zwar horizontal in Gut und Böse.

Das ergibt jede vernünftige Wahlanalyse der Wahrheit, die sich nach einem quälend öden Wahlkampf und noch quälend öderen Expertenanalysen ausschließlich mit den Fakten, Fakten, Fakten beschäftigt. Und drei, vier große Schwenker Brandy dazu leer getrunken hat. Anders ließe sich diese vorerst nur scheppernde Zukunftsmusik auch nicht ertragen.

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17 Kommentare

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  • Irgendwie inspiriert mich der Artikel zu historischen Assoziationen … warum nur muss ich angesichts der AfD-Erfolge in Sachsen und Thüringen an den Amerikanischen Sezessionskrieg denken.



    Also, es begann mit der Abspaltung Sachsens und Thüringens von der Bundesrepublik und der Proklamation der Konföderierten Staaten von Ostdeutschland durch deren Präsidenten Bernd Höcke … im weiteren Verlauf schlossen sich Sachsen-Anhalt und - ein schwerer Schlag für die Bundesrepublik - auch der Freistaat Bayern an, der allein über die entscheidenden Ressourcen verfügte, die Sezession politisch und militärisch voranzutreiben.



    Die Beschiessung des Bundesstützpunktes Ft. Leipzig durch konföderierte AfD-Rebellen war dann das endgültige Fanal für den Beginn der bewaffneten Auseinandersetzungen.



    Bundeskanzler Olaf Scholz, dessen Wahlsieg zuvor von den Sezessionisten nicht anerkannt worden war, sah sich gezwungen, Bundeswehreinheiten in Marsch zu setzen, um die Einheit der bundesdeutschen Union wiederherzustellen … dies gelang erst nach mehrjährigem blutigen Bürgerkrieg, an dessen Ende zwar die vollständige Niederlage der AfD stand, allerdings auch die weitgehende Zerstörung der ökonomischen Infrastruktur im Osten des Landes.

  • Es geht um was ? Genau, um die Wurst !

    In Thüringen gelang es sogar die Impfquote mit Gratis-Würsten deutlich zu steigern, bei der nächsten Bundestagswahl sollte man einfach auf die Hilfe der Bayern zurückgreifen um dort den Wähler wieder auf den rechten äh linken Weg zu bringen,

    Bayern können Wurst ! (war z.B. Uli Hoeness nicht auch Wurstfabrikant ?)

    Einfach Sachsen und Thüringen mit Bayern vereinigen

  • Vielleicht ist der Erfolg der AFD in Sachsen und Thüringen die Retourkutsche für das kolonialistische Herrenmenschengebahren "des Westens" gegenüber "dem Osten". Man muss sich nur einmal die Maßregelungen des Ostbeauftragen (der ja eigentlich den Osten unterstützen sollte) vor Augen führen. Oder auch letztens die Warnung vor einem Hochschnellen der Pandemie im Osten - dabei sind die Inzidenzen in BaWü und By immer noch am höchsten. Ganz abgesehen davon, dass höhere Verwaltungsstellen immer noch häufig von "Westlern" besetzt sind. Vielleicht sollten wir im Westen einmal unsere arrogante Selbstgewissheit ablegen.

    • @resto:

      Und die Annahme, dass der AfD-Erfolg in Sachsen auf „postkolonialistisches Herrenmenschentum“ des Westens zurückzuführen sei, bezieht sich dann auf was? Ostdeutschen Minderwertigkeitskomplexen oder anderen Befindlichkeiten? Den Vereinigungsnationalismus der neunziger Jahre? Oder doch einer diktatursozialisierten Bevölkerung, wie Wanderwitz behauptet?



      Sie müssen nur mal bedenken, welche Schäden und Spätfolgen zwölf Jahre NS-Diktatur bis heute hierzulande und europaweit hinterlassen haben … dann können Sie sich auch vorstellen, was dreissig Jahre SED-Herrschaft ausmachen.



      Die Geschichte ignorieren bedeutet nicht, dass ihre Auswirkungen nicht bis in die Gegenwart hinein spürbar sind.

  • Für den völkischen Staatenblock sollten auch Teile Bayerns und Österreich mitgenommen werden. Weil CSU und ÖVP sind ja politisch nun nicht sooo weit weg von der AfD 😄

    • @vøid:

      Wäre ich dafür! Wenn man sieht wie besser es in Bayern und Österreich läuft, wäre es eine gute Idee

  • Die Analyse vom Osten und Dunkeldeutschland stimmt so nicht.



    Im „tiefsten Westen“ in Bayern und Baden-Württemberg holte die AfD ebenfalls zweistellige Werte. Sie lag ausgerechnet im Stammland der Grünen in Baden-Württemberg vielfach vor den Grünen. Das trifft zwar auch auf Bayern zu, mag aber in einem grün geführten Bundesland umso mehr erstaunen.

    Was bringt eine weitere nähere Betrachtung drohender Szenarien?



    Die Grenzregionen an Außen- und Innenregionen scheinen besonders gefährdet in Extreme abzurutschen.

    Straubing, Deggendorf, Passau, die Oberpfalz, Ober- und Unterfranken, die Rhön beiderseits in Bayern und Hessen, Odenwald-Tauber in Baden-Württemberg, Saarlouis, Homburg im Westen sind strukturschwache Regionen mit hoher Abwanderung, viel Arbeitswanderungen, mit teils sehr schlechter öffentlicher Infrastruktur.



    Wahlkreise wie Pforzheim, Schwäbisch-Hall Hohenlohe in Baden-Württemberg spiegeln wider, dass es tief liegenden gesellschaftlichen Unfrieden gibt.

    Es löst das rechtsextreme Problem nicht, durch einseitige Analysen den Osten insgesamt abzustempeln: es sind die südlichen, die aus der BRD herausstechen.

    • @louisa:

      Als ob es im Norden keine schwachen Regionen gäbe. Arbeitslosigkeit in Berlin und Bremen von über 10% und desolate Gebiete im Ruhrgebiet, zum Beispiel. Im übrigen gibt es hinsichtlich der Produktivkraft und des durchschnittlichen Wohlstands ein ziemliches Süd-Nord-Gefälle. Von daher können es also nicht nur ökonomische Gründe sein, die der AFD helfen.

      • @resto:

        "Wahlkreise wie Pforzheim, Schwäbisch-Hall Hohenlohe in Baden-Württemberg spiegeln wider, dass es tief liegenden gesellschaftlichen Unfrieden gibt."

        Sagt schon aus, dass es tiefer gehende gesellschaftliche Konflikte gibt.

        Arbeistlosigkeit spielt dabei keine zentrale Rolle. Und ökonomische Gründe, die sich allein auf die Produktivkraft beziehen waren oben schon ausgeschlossen.

        Die AfD ist kein ostdeutsches Problem.

        • @louisa:

          Zustimmung, denn die AfD ist AFAIK in der (unteren) Mittelschicht stark, die Abstiegsängte hat.

  • Oh Mann, mir ist gar nicht zum Lachen. Ich hocke hier auf dieser orbanen Scholle. Im Wahlkreis Gotha-Ilmkreis türmt sich der Abschaum mit Erst- und Zweitstimmen meterhoch auf.

    • @zeroton :

      Vielleicht wären Sie in Berlin da besser aufgehoben 😉

    • @zeroton :

      Oh je, du hast mein ganz ehrliches Mitgefühl, der Artikel ist trotzdem wunderbar.

      • @Quastenflosser:

        anschließe mich - als prä*Hallenser - lübscher Jung & kölscher Immi.

        • @Lowandorder:

          Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - legt nach:

          “KITTIHAWK

          Kittihawk von heute:







          "Ein Koalitionspartner steht schon fest. 'Ich bin der Klimawandel, Leute, ich rede mit jeder Partei!' " - (aber ich verhandle nicht.) - 😱 -



          & meetoo Kitthawk - ENDSPIEL -



          www.komischekuenst...dspiel-300x300.png - ☠️ -

          kurz - Paraphrasiert: “We win the party 🎉 🎈👯 ! But!



          We lost the race •

  • Die Wahlergebnisse hier waren wirklich erschütternd und ich schäme mich für meine SächsInnen. Aber... Schwadronieren über nationale Minderwertigkeitskomplexe ausgerechnet am Beispiel Polens aus deutschen Mündern ist einfach nur eine Frechheit.

    • @Šarru-kīnu:

      Glauben Sie mir, der gemeine polnische Angestellte würde im Raum Erfurt niemals links wählen!