: Radeln für die Emanzipation
Mit dem Fancy Women Bike Ride wollen Frauen im Straßenverkehr sichtbarer werden. In Berlin sind auch Frauen mit Kopftuch dabei
Von Uta Schleiermacher
Ihre Fahrräder haben sie mit bunten Blumen, Luftballons oder glitzernden Girlanden geschmückt. Die Radfahrerinnen haben sich hier und da außerdem Blumen oder Schmuck in die Haare gesteckt, viele tragen dazu schicke Kleider und auffälligen Lippenstift. Aus einem Lautsprecher tönt „I Will Survive“.
„Ich denke, die Tour motiviert viele Frauen, sich zu präsentieren und zu zeigen, dass sie etwas für die Verkehrswende und den Klimaschutz tun wollen“, sagt Safia Yazanoglu, die seit drei Jahren die „bunte Frauenradtour“ in Berlin organisiert. Dieses Jahr starten sie am Wittenbergplatz, über den Potsdamer Platz soll es bis zum Brandenburger Tor gehen. Yazanoglu fällt selbst in der bunt geschmückten Gruppe noch auf, in ihrem pinken, schulterfreien Kleid, mit Rosen verziert. „Außerdem fordern wir sichere Radwege, damit langfristig auch im Alltag mehr Frauen auf das Fahrrad umsteigen“, sagt sie.
Die Tour habe auch unerfahrenere Radfahrerinnen dazu ermutigt teilzunehmen, sagt Abier Nasereddin, Koordinatorin bei den Stadtteilmüttern Neukölln, die mit einer kleinen Gruppe vertreten sind. „Nicht alle haben Fahrräder, für einige konnten wir Räder leihen“, sagt sie. Auch sonst würden die Stadtteilmütter das Radfahren fördern. „In den Sommerferien haben wir zusammen mit der Verkehrsschule einen Fahrradkurs angeboten, außerdem können Frauen jeden Donnerstag dort das Radfahren üben.“
Süslü Kadınlar Bisiklet Turu
Die Tour ist für sie zudem ein Signal: „Es hilft etwa zu sehen, dass auch andere Frauen mit Kopftuch Radfahren“, sagt sie. Nasereddin selbst nutzt das Rad auch im Alltag für den Weg zur Arbeit. „Es wäre besser, wenn weniger Autos unterwegs wären. Aber ich sage den Frauen auch, dass sie nicht im dichtesten Verkehr fahren müssen. Oft gibt es ruhigere Wege, etwa durch die Hasenheide oder über das Tempelhofer Feld.“
Entstanden sind die bunten Frauenradtouren – auf türkisch etwas hübscher Tour der „geschmückten Frauen“ genannt, die „Süslü Kadınlar Bisiklet Turu“ – in Izmir. Dort fing es 2013, so die Erzählung, als Radtour von ein paar Freundinnen an, mit dem Ziel, die männliche Dominanz im Radverkehr herauszufordern. Inzwischen finden jedes Jahr am weltweiten autofreien Sonntag im September Touren in 30 Ländern und rund 150 Städten statt – neben der Türkei, Europa und Nordamerika laut Karte auch in Botswana und Indonesien.
Als es um Punkt 16 Uhr losgeht – in allen Städten zur gleichen Uhrzeit – schwingen sich rund 70 Frauen am Wittenbergplatz auf die Räder. In gemütlichem Tempo fahren sie von dort zum Potsdamer Platz. Einige winken, klingeln.
Auch Monika Herrmann (Grüne), Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, fährt mit, ohne extra Schmuck am Rad, aber mit fest installiertem Aschenbecher. „Radfahren hat viel mit Emanzipation zu tun, das ist heute etwas vergessen“, sagt sie. Es koste kaum Geld, mit dem Rad sei man unabhängig. „Die Verkehrswende ist aus meiner Sicht auch erst abgeschlossen, wenn Frauen mit Kindern überall sicher auf den Straßen fahren können“, sagt Herrmann. Außerdem müsse Verkehrsplanung diverser werden. „Das ist bisher immer noch meistens die Planung von weißen Männern“, sagt sie. „Wir brauchen auch andere Perspektiven.“
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