: Unerwünschtes Gedenken
Hannover will ein Bild für den erschossenen kurdischen Jugendlichen Halim Dener übermalen lassen
Von Michael Trammer
Bauzäune mit schwarzer Plastikplane stehen seit Montagmorgen um den mehrere Meter langen Betontisch auf dem Pfarrlandplatz, im Zentrum von Linden, dem linksalternativen Viertel Hannovers. Am Dienstagmorgen soll dort ein Gedenkbild für Opfer von Polizeigewalt, insbesondere den kurdischen Jugendlichen Halim Dener, der 1994 von einem Polizisten erschossen wurde, überstrichen werden.
Im Zuge der diesjährigen Gedenkdemonstration für Halim Dener, hatten acht Künstler*innen den Tisch bemalt. Das war mit der Stadt abgesprochen. Der Inhalt unterlag der freien Gestaltung. Zwei Gemälde stellen die Geschichte des 16-jährigen Dener, dessen Flucht und politische Tätigkeit in Deutschland, sowie dessen Tod dar. Ein Text erklärt den Inhalt, ein Zweiter bezieht sich allgemein auf Opfer von Polizeigewalt.
Andok Agiri hat das Kunstwerk mitgestaltet. „Es wird versucht, Erinnerungskultur zu kriminalisieren“, kritisiert er vor Ort. Eigentlich habe die Kampagne Halim Dener auf Kunstfreiheit klagen wollen. Weil aber keine schriftliche Ankündigung der Stadt vorgelegen habe, sei das nicht möglich gewesen. „Die Politik in Niedersachsen macht deutlich, dass sie keinen Wert auf Erinnerungskultur für Menschen, die Opfer von Polizeigewalt wurden, legt“, sagt Agiri.
Die Stadt bestätigte auf Anfrage, dass geplant sei das Graffiti zu übermalen. Politische Motive auf Spielplätzen würden grundsätzlich nicht zugelassen. Das Motiv sei im Vorfeld nicht abgestimmt gewesen. Die Verwaltung sei unmittelbar nach Bekanntwerden der Bemalung tätig geworden.
Halim Dener war beim PKK-Plakate kleistern am Steintor von einem Polizisten in Zivil niedergeschossen worden. Kurz zuvor war er als unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter nach Deutschland gekommen. In einem Prozess wurde der Schütze später freigesprochen, ohne dass die Tat aufgeklärt werden konnte.
Seit Jahren versucht eine Kampagne verschiedenste Formen des Gedenkens zu etablieren. 2020 erschien ein Buch. Der Pfarrlandplatz sollte in „Halim-Dener-Platz“ umbenannt werden. Die Stadt intervenierte. Immer wieder gab es auch Gedenkinitiativen, die nicht auf eine Genehmigung warten wollten. Zum 25. Todestag wurde etwa am Steintor eine Messingplatte angebracht und Blumen abgelegt. Die Tafel verschwand.
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