Terrorprozess in Guantanamo: 18 Jahre Warten auf Anklage
Bei Terroranschlägen in Bali und Jakarta starben 213 Personen. jetzt beginnt ein fragwürdiger Prozess gegen einen Indonesier und zwei Malaysier.
Bei den Bombenanschlägen, die der südostasiatischen Terrororganisation Jemaah Islamiyah (JI) zugeschrieben werden, wurden insgesamt 213 Personen getötet und mehrere hundert verletzt.
Hambali und die beiden jetzt mitangeklagten mutmaßlichen malaysischen Komplizen Mohammed Nazir Bin Lep und Mohammed Farik Bin Amin wurden im August 2003 in Thailand festgenommen. Die nächsten drei Jahre verbrachten sie in „schwarzen Gefängnissen“ des US-Geheimdienstes CIA, wo sie nach Angaben ihrer Anwälte schwer gefoltert wurden. Seit 2006 sitzen sie ohne Anklage im Gefangenenlager Guantánamo.
In dem im Januar 2002 eröffneten berüchtigten Gefängniskomplex, den Präsident Barack Obama nicht wie versprochen schließen konnte, gehören die drei zu den inzwischen letzten 39 Gefangenen. Hambali soll dort die Hälfte der Zeit in Einzelhaft verbracht haben.
Prozessverschiebung von Coronapandemie
Der jetzt von einem US-Marineoffizier geleitete Terrorprozess sollte im Februar beginnen, wurde jedoch wegen der Coronapandemie verschoben. Am Montag führte schließlich nach fünf Stunden ein Einspruch gegen die schlechten Dolmetscher zur vorübergehenden Aussetzung des Verfahrens.
Nach Angaben der Verteidigung soll ein Dolmetscher auch parteiisch sein. Gegenüber Zeugen soll er gesagt haben: „Die Regierung verschwendet mit diesen Terroristen Geld. Sie hätten längst getötet werden sollen.“
Noch am Dienstag sollte die Verlesung der Anklage in dem Prozess, dessen Dauer auf mehrere Jahre veranschlagt wird, fortgesetzt werden.
Hambali galt als militärischer Führer von JI und als Verbindungsmann zum Terrornetzwerk al-Qaida. Er soll 1987 bis 1990 mit den Mudschaheddin in Afghanistan gegen die sowjetischen Besatzer gekämpft und in der Zeit auch Osama Bin Laden kennengelernt haben.
Mutmaßlicher Drahtzieher mehrerer Anschläge
Bei JI soll Hambali später die Rolle des Masterminds gespielt und Gelder überwiesen haben. Bereits vor den Anschlägen in Bali soll er an Weihnachten 2000 eine wichtige Rolle bei Bombenanschlägen auf indonesische Kirchen gespielt haben.
2003 waren drei der vier überlebenden Bali-Attentäter für die Anschläge auf die zwei touristischen Nachtclubs von einem indonesischen Gericht in der Inselhauptstadt Depassar zum Tode verurteilt worden. Im Jahr 2008 wurden sie hingerichtet.
Der große zeitliche Abstand von 19 Jahren zwischen dem Bali-Anschlag und der Anklageerhebung, der Tod wichtiger Zeugen und die Tatsache, dass Aussagen unter Folter erpresst wurden, machen das gesamte Verfahren fraglich.
Laut einem Bericht des Geheimdienstausschusses des US-Senats, aus dem die New York Times zitierte, soll ein CIA-Verhörspezialist 2003 Hambali gesagt haben, dieser werde niemals vor Gericht gestellt, „denn wir können die Welt nicht wissen lassen, was ich dir angetan habe“.
Mutmaßlich in „schwarzen“ CIA-Gefängnissen gefoltert
Doch letztlich ist der Grund, warum erst 18 Jahre nach der Festnahme der mutmaßlichen Terroristen Anklage erhoben wurde, unklar.
Während seiner dreijährigen Haft in „schwarzen“ CIA-Gefängnissen im marokkanischen Rabat und im rumänischen Bukarest soll Hambali der Folter mit Waterboarding, Schlafentzug, Schlägen, Ankettungen in schmerzhaften Stellungen sowie anderen sogenannten verschärften Verhörbedingungen unterzogen worden sein. „Aus meiner Sicht ist dies fatal für einen fairen Prozess“, sagte der Anwalt des Mitangeklagten Bin Lep der Nachrichtenagentur AP.
Die Bali-Anschläge 2002 waren ein Weckruf für Indonesiens Sicherheitsbehörden, die mithilfe Australiens – damals kamen die meisten Opfer von dort – wesentlich effizienter gemacht wurden. Seitdem gab es in Indonesien zwar noch Anschläge, doch mit geringeren Opferzahlen.
Inzwischen hat Jakarta das Terrorproblem weitgehend im Griff. Dabei mobilisierten die Kriege in Irak, Libyen und Syrien auch Indonesier, die sich dort militanten Islamisten anschlossen. Nach ihrer Rückkehr werden sie stärker überwacht und teilweise in Deradikalisierungsprogramme gesteckt.
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