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Speicherung von CO2 im BodenHoffen auf die Müllabfuhr

Die unterirdische Speicherung von Kohlendioxid war in Deutschland bisher tabu. Dabei setzt vor allem die Zementindustrie auf diese Technik.

Ein Tankwagen wird mit CO2 befüllt, das in einer Pilotanlage unterirdisch gespeichert wird Foto: Matthias Rietschel/ap

Berlin taz | Gefühlige Musik, eine grüne Landschaft bei Sonnenuntergang. Dann rauchende Schlote eines Kraftwerks und ein Sprecher, der vor dem Klimawandel warnt. Schließlich ein Bild des ruhigen Meers und eine Animation, wie das CO2 ganz einfach in 1.500 Metern Tiefe im Meeresboden verschwindet. „Sind Sie bereit für diese Reise?“, fragt die sanfte Stimme. „Wir sind es!“.

Das ist das Werbevideo des „Greensand“-Projekts, das in der dänischen Nordsee einen großen Teil der Klimasorgen des skandinavischen Landes begraben will: CO2 aus Kraftwerken, Heizungen und Industrieanlagen soll ab 2025 eingeschlossen werden, bis zu 8 Millionen Tonnen im Jahr, ein Viertel der dänischen Emissionen.

Und das mit deutscher Hilfe: Diese Woche verkündete der Kasseler Energiekonzern Wintershall/Dea, man gehe in einem Konsortium dafür „in die Pilot-Injektionsphase“: Die Verträge sind gemacht, damit ab Ende nächsten Jahres das erste Klimagas probehalber in das ausrangierte Ölfeld Nini West in der Nordsee geleitet werden kann: „Sicher, kosteneffizient und umweltverträglich“ werde das Projekt laufen, verspricht Wintershall/Dea.

„Carbon Capture and Storage“ (CCS), das Abscheiden und Speichern von CO2, wird vor allem in der Industrie konkret geplant, Pilotprojekte werden gebaut, Gesetze angeglichen.

Die Zementindustrie rüstet auf

Politik und Umweltverbände halten das Thema vorsichtig aus dem Wahlkampf heraus, aber allen ist klar: Die neue Bundesregierung wird sich damit befassen müssen, wie ein Teil von unvermeidbaren CO2-Emissionen aus der Wirtschaft, vor allem der Zementproduktion, unschädlich gemacht werden soll. CCS, derzeit in Deutschland noch verboten, wird zumindest in der Industrie zu einer tragenden Säule der Klimaschutzstrategie. 2019 sagte Kanzlerin Angela Merkel, das Ziel der Klimaneutralität bedeute, „dass man CO2 auch speichern kann“.

Vor allem die Zementindustrie rüstet auf. Mit gutem Grund: In ihrer Produktion entsteht hochreines Kohlendioxid, das im Prozess bislang kaum zu vermeiden ist: pro Tonne Zement 0,8 Tonnen CO2. Anders als in Kraftwerken ist das Klimagas im Zementwerk leicht abzuscheiden. Es einzufangen, per Pipeline oder Schiff zu ausgepumpten Gasfeldern zu bringen und dort zu verpressen ist technisch machbar und bei Preisen von geschätzten 80 bis 110 Euro pro Tonne CO2 bald auch rentabel, wenn die CO2-Zertifikatspreise weiter steigen. Dazu gibt es Forschungsgelder, und die Industrie hofft auf „Klimaverträge“, die eventuelle Mehrkosten tragen könnten.

Die Hoffnung auf die CO2-Müllabfuhr zumindest in diesem Bereich ist weit verbreitet: Viele Studien zur Klimaneutralität rechnen damit, die „Klimapfade“ des Bundesverbands der deutschen Industrie ebenso wie das Gutachten für Fridays for Future, das schon 2035 bei Nullemissionen sein will. Die Studie „Klimaneutrales Deutschland“ der Denkfabrik Agora Energiewende und Stiftung Klimaneutralität kalkuliert konkret mit 73 Millionen Tonnen, 5 Prozent der deutschen Emissionen, die 2045 so unter die Erde gebracht werden müssten. Die Akademie für Technikwissenschaften fordert eine schnelle Debatte des Themas, das in Deutschland seit einem Pilotprojekt im brandenburgischen Ketzin und einem Verbot der Verklappung von CO2 in deutschen Böden seit 2012 eigentlich tot war.

Jetzt ist es wieder da. Im Juni ebnete die Bundesregierung den Weg, CO2 zur Speicherung ins Ausland zu bringen. Eine entsprechende Änderung des Londoner Protokolls zum grenzüberschreitenden CO2-Transport wurde ratifiziert. Auch in den Planungen der EU spielt CCS eine Rolle, sie treibt Pilotprojekte voran. Und der jüngste Bericht des Weltklimarats IPCC hat wieder gezeigt, dass die ehrgeizigsten Ziele, den Temperaturanstieg bei unter 2 Grad zu halten, in den meisten Rechenmodellen nur mit massivem Einsatz von „negativen Emissionen“ erreichbar sind – dem Pflanzen von Bäumen oder eben der industriellen Speicherung von CO2 im Boden.

Umweltverbände gespalten

Die wird in Europa an vielen Orten schon konkret geplant: In Dänemark, Norwegen und den Niederlanden arbeiten Firmen wie Wintershall/Dea an kommerziellen Anwendungen. Konzerne wie HeidelbergCement kündigen an, ihre Werke mit Demonstrationsanlagen auszustatten. Am Standort Hannover soll das Projekt LEILAC-2 bis 2025 jedes Jahr 20 Prozent des CO2, etwa 100.000 Tonnen, abscheiden. Und im Hafen von Rotterdam entsteht eine Pipeline, um das CO2 aus der Industrie vor der Küste zu versenken.

Ein Grab für die Klimakiller

Weltweit laufen CCS-Pilotprojekte auf Hochtouren: Die Internationale Energieagentur IEA und viele WissenschaftlerInnen halten Klimaneutralität ohne CCS für „praktisch unmöglich“. Die IEA zählt mehr als 30 Projekte mit einer Gesamtinvestition von 27 Milliarden Dollar. Vor allem in den USA, China, Südkorea und Australien, aber auch in der EU: Die Kommission geht davon aus, dass 2050 in Europa etwa 550 Millionen Tonnen CO2 gespeichert werden müssen – im Wald oder über CCS. Deshalb gibt es Geld dafür im EU-Klimagesetz, über Forschungsprogramme und im Investitionsfonds des Emissionshandels. Das Vorzeigeprojekt für CCS ist seit 1996 das norwegische Projekt „Sleipner“. Dort verpresst der staatliche Ölkonzern Equinor CO2 in einem ausgedienten Gasfeld – bislang laut Untersuchungen weitgehend ohne Probleme. Am häufigsten findet CCS aber bisher bereits in der Öl- und Gaswirtschaft unter dem Kürzel EOR oder EGR Anwendung: Das Gas wird in alternde Reservoirs gepresst, um noch die letzten Gas- und Ölreserven auszubeuten. Das CO2 verschwindet damit zwar, macht aber neue fossile Brennstoffe möglich.

In Deutschland ist CCS seit 2012 praktisch verboten – die Umweltverbände liefen damals Sturm gegen befürchtete Umweltgefahren für das Grundwasser, einen Austritt des Gases und einen möglichen Ausweg, die Kohleverstromung auf diese Weise „grün“ zu rechnen. Diese Gefahr ist mit dem Kohleausstieg gebannt. Jetzt fürchten allerdings manche Experten, CCS könne benutzt werden, um fossiles Gas „grün“ zu rechnen.

Offen bleiben soll der CCS-Notausgang aber als Export von CO2 in alte Gasfelder in der Nordsee für die deutschen Zementwerke. Experten rechnen sogar schon damit, aus CCS tatsächlich eine „Kohlenstoffsenke“ zu machen – gewinnt man die Energie für den Prozess aus Biomasse, könnte das Verfahren in der Summe theoretisch mehr Treibhausgase speichern als ausstoßen – schon ist von „Gutschriften“ dafür die Rede, die dann auch handelbar wären.

Die Umweltverbände sind bei CCS gespalten. „Das ist keine Technologie, die wir akzeptieren“, sagt Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser. „Die Risiken haben sich nicht verändert. Wir müssen darauf setzen, das Potenzial für die CO2-Speicherung in Wäldern und Böden zu erhöhen.“ Auch die Deutsche Umwelthilfe lehnt CCS für heute ab. „Das ist nicht mehr als ein Notnagel, wichtiger ist es, die natürlichen Senken zu stärken und eine andere Wald- und Landwirtschaftspolitik zu machen“, sagt Klimaexperte Constantin Zerger. „CCS darf nicht die Suche nach besseren Lösungen behindern, aber für die Emissionen der Industrie kann man es nicht für alle Zeiten ausschließen.“

Der WWF wiederum steht zum Einsatz von CCS für die letzten Prozent: „Es ist nicht nachzuvollziehen, dass man sich komplett gegen CCS wendet, wenn der UN-Klimarat IPCC in seinem 1,5-Grad-Bericht diese Technik in großem Stil zugrunde legt. … Wir werden mittel- und langfristig CCS brauchen – vor allem für die nicht vermeidbaren Emissionen der Industrie.“ Die Bedingungen für die Anwendung von CCS müssten jetzt diskutiert werden – „sonst kommen wir zu der skurrilen Situation, dass die Industrie auf diese Weise Klimaschutz macht und die Umweltschützer nicht mit am Tisch sitzen“.

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15 Kommentare

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  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    „Carbon Capture and Storage“ (CCS), das Abscheiden und Speichern von CO2, wird vor allem in der Industrie konkret geplant, Pilotprojekte werden gebaut, Gesetze angeglichen."

    SEIT 10 Jahren überfällig. In Ketzin nahe Potsdam existiert seit Jahren ein Pilotprojekt - sehr erfolgreich - nunmehr nur grüner Rasen zu sehen.

  • Der Artikel beschreibt CCS, als sei die Technik fertig und die dauerhafte Speicherung von CO2 im Boden oder Meeresgrund ein gelöstes Problem. Wenn man aber mal bei Wikipedia nachschaut, wirkt es ganz so, als ob da überhaupt nichts gelöst ist - vor allem was den *dauerhaften* Verbleib des Gases da unten angeht. Und genau deswegen sind auch die meisten Umweltverbände dagegen.

    Eigentlich seltsam, dass ein Artikel in der taz einen solch wichtigen Aspekt komplett auslässt. Und ein Beispiel mehr für das Greenwashing der Grünen und warum wir viel, viel mehr Protest und Druck von unten brauchen, damit sich was bewegt.

    • @jox:

      CO2 wird unter Druck fest und ist dann kein Gas mehr. Dann tritt es auch so einfach nicht mehr aus

      • 1G
        17900 (Profil gelöscht)
        @danny schneider:

        Ganz so einfach ist es nicht! Die Druck-Temperatur-Bedingungen im Untergrund sind sehr unterschiedlich.



        Viel wichtige ist die Lösung des CO2 in den Porenwässern.

      • 1G
        17900 (Profil gelöscht)
        @danny schneider:

        Naja, das ist schon etwas komplexer!

      • @danny schneider:

        > "CO2 wird unter Druck fest und ist dann kein Gas mehr."

        Aber nur bei Temperaturen von etwa -78 ° C (bei Normaldruck) oder Drücken von weit über 100 bar (bei Raumtemperatur). Und weiter unten im Gestein ist es heißer, wie ihnen Bergarbeiter bestätigen werden.

        de.wikipedia.org/wiki/Trockeneis

        Jetzt erklären sie mal, wie sie ein Entwichen bei Drücken von über 100 Bar verhindern wollen?

        Erinnern Sie sich an das Desaster mit der Deepwater Horizon im Golf von Mexiko? Da hatte man auch "nur" das Problem, dass in großer Tiefe ein Flüssigkeits/Gasgemisch unter hohem Druck austrat.

        Und wenn es irgendwie nachhaltig sein soll, ein übelst strapaziertes Wort, dann müssten Sie zum einen sicher stellen, dass das Gas mindestens ein paar hundert Jahre da unten bleibt, und gleichzeitig, dass man wieder ran kommt und es raus holen kann, wenn was schief geht. Ich erinnere da nur an das Stichwort Asse II, wo man auch unerwünschte Substanzen ein paar hundertausend Jahre sicher lagern wollte und es nach ein paar Jahren krachend fehlgeschlagen ist. Und die standen nicht mal unter Druck.

      • @danny schneider:

        Aber eben auch nur solange es unter Druck steht. Und zu welchen Problemen es führen kann wenn man etwas mit derart hohen Drücken in den Boden verpresst konnte man ja auch schon beim Fracking beobachten, wo dieser teils zu induzierter Seismizität führte und diese wiederum zu einem Aufbrechen der Deckschichten. Hinzu kommt, dass das abgeschiedene CO2 aus Kraftwerken nicht rein ist, sondern mit allerlei Giftstoffen belastet ist die potentiell ins Grundwasser gelangen können. Auch war ein Ergebnis bisheriger CCS-Pilotanlagen, dass die Speicherkapazitäten wohl deutlich geringer ausfallen als bislang geschätzt.

      • @danny schneider:

        Ist das "alternative Physik"?

  • Nur mal so: Bevor mit CCS begonnen wird, soll der Bundestag erst mal beschließen, dass sich die Naturgesetze den Bedürfnissen ökonomischer Notwendigkeiten (Wachstum und zusätzliche Renditen) anzupassen haben. Etwa derart, dass die Biomasse künftig mit gleicher Geschwindigkeit wachsen muss, wie für die (enormen) CCS Energiemengen benötigt werden. Hat ja beim Bio-Sprit E-10 auch schon geklappt: die Regenwälder und Energiepflanzen wachsen mit gleicher Geschwindigkeit nach, mit der der in ihnen gebundene Kohlenstoff als CO2 aus den Auspuffrohren geblasen wird. Also wird sich auch dafür bestimmt im Bundestag eine Mehrheit finden.



    Sichergestellt werden muss darüber hinaus, dass sämtliche Infrastrukturen für CCS klimaneutral auf Biohöfen angebaut werden, damit nicht erst einmal das CO2 für ihre Errichtung aus der Atmosphäre gefiltert werden muss. Vielleicht wird ja Andreas Scheuer demnächst Landwirtschaftsminister, der macht das schon!



    Für ein Weiter-so, ist CCS ein schickes und lukratives Klimamäntelchen!

    • @Drabiniok Dieter:

      "...dass sich die Naturgesetze den Bedürfnissen ökonomischer Notwendigkeiten ... anzupassen haben"



      Nö. Besser gleich neue Naturgesetze beschließen.

      • 1G
        17900 (Profil gelöscht)
        @sollndas:

        Bis wann? 2038?



        Ich freu´ mich drauf!

        • @17900 (Profil gelöscht):

          "Bis wann? 2038?"



          Geht viel schneller. E-Autos sind ja schon emissionsfrei.

    • @Drabiniok Dieter:

      "Für ein Weiter-so, ist CCS ein schickes und lukratives Klimamäntelchen!"

      Machen wir es uns da nicht etwas einfach? Wie macht man den Zement ohne CO2?

      • @danny schneider:

        Die Frage, um die es beim Klima geht, lautet: Wie reduzieren wir CO2? Nicht, wie schützen wir die Zementindustrie. Eine Antwort könnte lauten, weniger Zement herstellen, u.a. auch, weil bereits weltweit Sand und Kies für Beton knapp ist.



        Sie scheinen Änderungen an den Naturgesetzen zu bevorzugen, damit unser Industriestandort keinen Schaden nimmt? Ich beneide Sie, um die Leichtigkeit, mit der Sie Ihre Wahlentscheidung treffen können.

        • @Drabiniok Dieter:

          Sicher müssen wir weniger Zement herstellen. Ich glaube aber nicht, dass wir ganz darauf verzichten können. Was also machen wir mit dem dabei entstehenden CO2?