Konferenz der Gesundheitsminister:innen: Impfangebot ab 12 Jahren
Die Bundesländer beschließen Impfungen für Menschen ab 12. Auch Auffrischungen für Risikogruppen soll es ab September geben.
Alle Bundesländer wollen Kindern und Jugendlichen zwischen 12 bis 17 Jahren eine Covid-19-Schutzimpfung auch in Impfzentren oder mit anderen niedrigschwelligen Angeboten anbieten. Wie die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) am Montag Abend mitteilte, sei dabei eine entsprechende ärztliche Aufklärung erforderlich sowie eine gegebenenfalls notwendige Zustimmung der Sorgeberechtigten. Die Entscheidung fiel im Einvernehmen mit dem Bundesgesundheitsminister. Die GMK machte zugleich den Weg frei für Auffrischungsimpfungen ab September.
Die Runde hatte bereits am 6. Mai beschlossen, allen Kindern und Jugendlichen bis Ende August 2021 ein entsprechendes Impfangebot machen zu wollen. Dieses Impfangebot sei von Sorgeberechtigten, Kindern und Jugendlichen gut angenommen worden, hieß es. Mit Stand vom 1. August seien bundesweit bereits 20,5 Prozent der 12- bis 17-Jährigen geimpft worden. 9,9 Prozent dieser Altersgruppe seien bereits voll geimpft.
„Für die Gruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Universitäten und Berufsschulen machen die Länder strukturierte, niedrigschwellige Angebote oder solche in Kooperation mit den Impfzentren“, hieß es weiter. Dies könne zu einem sichereren Start in den Lehr- und Lernbetrieb nach den Sommerferien beitragen. „Die Angebote sind so auszugestalten, dass die Freiwilligkeit der Annahme dieses Impfangebotes nicht in Frage gestellt wird.“
Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA hatte im Mai den Covid-19-Impfstoff von Biontech/Pfizer für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren zugelassen, vor wenigen Tagen folgte auch die Freigabe für Moderna. Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt allerdings eine Corona-Schutzimpfung bisher nur Kindern und Jugendlichen mit bestimmten Vorerkrankungen wie Diabetes oder Adipositas, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf haben. Nach ärztlicher Beratung ist eine Impfung in individueller Entscheidung von Eltern und Kindern aber möglich. Laut Bundesgesundheitsministerium wurden bis zum Wochenende rund 900.000 Kinder zwischen 12 und 17 geimpft.
Deutsche Politiker:innen halten jedoch die vorsichtige Empfehlung der Stiko nicht mehr für gerechtfertigt. Sie argumentieren, dass es inzwischen genug Belege dafür gebe, dass die Impfungen für Jugendliche unbedenklich sind. So sprach sich etwa der baden-württembergische Gesundheitsminister Manne Lucha von den Grünen dafür aus. Auch die sachsen-anhaltische Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) sagte, eine entsprechende Nachfrage sei gegeben.
Der Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz, der bayerische Ressortchef Klaus Holetschek (CSU), sah in der Beschlussvorlage auch gar keinen Widerspruch zu der Position der Stiko. Diese habe die Möglichkeit eröffnet, mit ärztlicher Aufklärung und nach individueller Risikoabschätzung die Impfungen vorzunehmen. „Nichts anderes machen wir“, sagte Holetschek.
Die Politik nutze den Spielraum aus, den die Stiko eröffnet habe. Niemandem solle die Impfung aufgezwungen werden, es sei lediglich ein Angebot, betonte der CSU-Politiker. Wer verunsichert sei, solle sich mit einem Arzt beraten. Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (SPD), unterstützte ebenfalls die Beschlussvorlage. In der Hauptstadt sei zu sehen, dass die 15- bis 25-Jährigen eine doppelt bis vierfach so hohe Inzidenz aufwiesen wie andere Bevölkerungsgruppen. Darauf zu reagieren und ein Angebot zu machen, das keine Pflicht sei, halte er für „sehr sachgerecht“.
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sah die Stiko am Montag in einer „Außenseiterposition“. Wesentliche Studien hätten ergeben, dass eine Durchseuchung mit der Deltavariante viel gefährlicher sei als die Impfung von Kindern, sagte der Bundestagsabgeordnete am Montag im Deutschlandfunk. Zugleich verteidigte er die Stiko im Grundsatz.
Sie habe in der Vergangenheit „ganz hervorragende Arbeit geleistet“ und ihr müsse von der Politik Freiraum gelassen werden. Es sei aber richtig, dass die Politik jetzt Fakten schaffe. Möglicherweise habe sich die Impfkommission in der Frage der Corona-Impfungen für Kinder „ein bisschen zu früh festgelegt und verrannt“.
Stiko-Vorsitzender Thomas Mertens hält die Debatte jedoch für eine „Stellvertreterdebatte“. „Das eigentliche Problem ist doch, dass wir den Impfstoff haben, aber nicht genügend Leute, die sich impfen lassen wollen“, sagte er gegenüber der taz.
Die mathematischen Modelle zeigten aber genau, dass die Impfung der Kinder für den Verlauf der Pandemie nur eine geringe Rolle spiele. Stattdessen sei es wichtig, die 18- bis 59-Jährigen durchzuimpfen, die man momentan nicht erreiche. „Dann würde nämlich die vierte Welle wirklich flach verlaufen und das würde allen nutzen, auch den Kindern“, so Mertens.
Mertens kritisiert die Politik
Darüber hinaus würden bisher nicht genügend Daten vorliegen, um eine abschließende Einschätzung zu geben. So beschäftige sich die Stiko aktuell mit der Studienlage zur Herzmuskelentzündung als Nebenwirkung der Impfung. „Da gibt es zwar inzwischen gute Daten zum Risiko – das liegt bei den 12- bis 17-jährigen Geimpften bei rund 1:18.000.“ Wie es Betroffenen aber nach zwei Monaten gehe, ließe sich noch nicht sagen.
Mertens kritisierte ebenfalls, dass sich die Politik in die Beurteilungen der Stiko zu den Kinderimpfungen einmischt. „Wir arbeiten jede Woche die aktuelle Lage zu den Kinderimpfungen auf. Das bedeutet ganztägige Arbeit für viele Menschen. Machen wir uns nichts vor: Das können einzelne Politiker gar nicht überblicken. Auch nicht Herr Lauterbach.“ In einigen Tagen oder Wochen gebe es jedoch eine aktualisierte Empfehlung der Stiko zu Kinderimpfungen, kündigte Mertens an. Zu einem Ergebnis wollte er noch nichts sagen. (mit epd)
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