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Regierungskrise in LibanonWeiterer Milliardär soll’s richten

Ex-Premier Saad Hariri ist mit der Bildung einer Regierung gescheitert. Nun soll ein anderer reicher Ex-Premier Libanon aus der Krise führen. ​

Der Milliardär Najib Mikati soll den Weg aus der Krise finden Foto: Mohamed Azakir/reuters

Frankfurt taz | Nach knapp einem Jahr des politischen Stillstandes in Libanon soll nun der ehemalige Regierungschef Nadschib Mikati versuchen, ein Kabinett zu formen. Bei parlamentarischen Konsultationen stimmte die Mehrheit der Abgeordneten am Montag für Mikati. Präsident Michel Aoun betraute ihn mit der Bildung eines neuen Kabinetts.

Es ist bereits der dritte Versuch in nur einem Jahr, den Posten zu besetzen. Der momentan geschäftsführende Regierungschef Hassan Diab war wenige Tage nach der Explosion von 2.750 Tonnen Ammoniumnitrat in Beirut zurückgetreten.

Zwischenzeitlich sollte der libanesische Botschafter in Deutschland, Mustapha Adib, das Amt übernehmen, er gab jedoch nach zwei Wochen schon auf. Auf ihn folgte Saad Hariri – der das Amt bereits vor der Krise inne hatte und als Reaktion auf Massenproteste im Oktober 2019 eigentlich zurückgetreten war.

Nach 10 Monaten des politischen Stillstandes folgt auf den sunnitischen Unternehmer und Milliardär nun ein anderer sunnitischer Unternehmer und zweifacher Milliardär. Mikati und sein Bruder gründeten die milliardenschwere M1 Group, die Anteile an Telekommunikationsunternehmen in Südafrika, London, New York und Monaco hält.

Der 65-jährige Mikati ist ein routinierter Hariri-Nachfolger: Er war bereits Regierungschef im Jahr 2005 nach der Ermordung des damaligen Regierungschefs Rafik Hariri, Vater von Saad Hariri. Das Kabinett unter Mikati hielt jedoch nur drei Monate. 2011 kehrte Mikati zurück, wieder als Nachfolger von Saad Hariri.

Elite dreht sich im Kreis

Dass sich die Geschichte wiederholt, ist kein Zufall. In Libanon regelt ein Proporzsystem die politischen Führungspositionen sowie die parlamentarischen Sitze. Um einen erneuten Krieg zu verhindern, ist die Macht unter den konfessionellen Parteien aufgeteilt. Der Parlamentssprecher ist Schiit, der Präsident ist maronitischer Christ und der Regierungschef ist immer ein Sunnit.

Libanons politische Elite dreht sich im Kreis. Währenddessen läuft das Land auf eine Hyperinflation zu. Seit Herbst 2019 verliert die lokale Währung an Wert, Familien in Libanon müssen für Lebensmittel das Fünffache des Mindestlohns aufbringen. Aufgrund der gestiegenen Preise sind selbst einfache Medikamente wie Blutverdünner oder Kopfschmerztabletten aus den Apotheken verschwunden.

Weil der Staat pleite ist, liefert die staatliche Strombehörde nicht mehr, und auch die Wasserversorgung stockt, weil die Pumpen mit Strom betrieben werden müssten. Die Betreiber von Stromgeneratoren setzen ihre Arbeit aus, weil es einen Mangel an Benzin zum Antrieb gibt.

Drohungen aus Europa

Für den 4. August plant die ehemalige Kolonialmacht Frankreich eine internationale Geberkonferenz. Präsident Emmanuel Macron hatte Libanon gleich nach der Explosion im vergangenen Jahr besucht, um die Regierungsbildung zu beschleunigen. Zwar bekräftigte die politische Elite immer wieder, der „französischen Initiative“ folgen und eine Einheitsregierung bilden zu wollen, doch interne Machtkämpfe verhindern dies.

Nun ist der internationale Druck gestiegen, da die EU-Staaten mit Sanktionen gegen die Verantwortlichen der politischen Krise drohen. Frankreich, Deutschland und andere Geberstaaten wollen der Regierung erst Geld geben, wenn diese die dringenden Reformen verabschiedet.

Es ist fraglich, ob Mikati überhaupt eine Regierung bilden kann, gehört er doch als einer der reichsten Männer des Landes zur politischen Elite, die das Missmanagement und Korruption zu verantworten hat.

2018 berichteten libanesische Medien, Mikati habe Millionen von US-Dollar abgeschöpft, die für staatlich geförderte Wohnungsbaudarlehen gedacht waren. Die Kredite sollten Li­ba­ne­s*in­nen mit niedrigem Einkommen beim Hauskauf helfen.

Die Staatsanwältin Ghada Aoun erhob daher im Protestjahr 2019 Anklage gegen Mikati und eine der größten Banken des Landes wegen unrechtmäßiger Bereicherung.

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1 Kommentar

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  • Hmmm ... wie ist das eigentlich, werden Präsidenten zu Milliardären, oder werden Milliardäre zu Präsidenten?