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Jalisco-Kartell in MexikoMafia bedroht Medien

In Mexiko droht ein Drogenkartell einer Nachrichtensprecherin mit dem Tod. Der mexikanische Präsident sagte ihr Schutz zu.

Wer über die Mafia in Mexiko berichtet, muss mit dem Schlimmsten rechnen Foto: Prensa Uresti/dpa

Die Botschaft des Mafiasprechers war eindeutig. „Ich bin nicht gegen die Pressefreiheit, sondern gegen die, die mich angreifen“, erklärte ein maskierter Mann in einem Video, das seit Montag in den sozialen Medien Mexikos die Runde macht. Bewacht von schwerbewaffneten Kämpfern verlas er die Erklärung des Chefs des kriminellen Jalisco-Kartells, Nemesio Oseguera Cervantes. Darin beschuldigt Cervantes mehrere Medien, einseitig über die blutigen Kämpfe im südwestlichen Bundesstaat Michoacán zu berichten. Der Moderatorin Azucena Uresti drohte er mit ihrer Ermordung: „Wenn du nicht demütiger wirst und weiter gegen mich schießt, werde ich es dir geben und dafür sorgen, dass du deine Wörter frisst, auch wenn man mich des Femizids bezichtigt.“

Cervantes’ Truppe, die sich Kartell Neue Generation Jalisco (CJNG) nennt, ist derzeit die aggressivste Mafiaorganisation Mexikos. Sie ist in mindestens der Hälfte der 32 Bundesstaaten des Landes aktiv. In Michoacán liefert sich das CJNG schwere Auseinandersetzungen mit konkurrierenden Banden und auch mit Selbstverteidigungsgruppen, in denen sich Bürgerinnen und Bürger gegen den kriminellen Terror zusammentun. Bei den Schusswechseln kommen fast täglich Menschen ums Leben. Die staatlichen Sicherheitskräfte bekommen die Lage nicht in den Griff – oder haben daran gar kein Interesse, weil sie auf der Gehaltsliste der Kartelle stehen.

Seit 2000 starben mindestens 139 Medienschaffende in Mexiko eines gewaltsamen Todes.

Die Drohung von Cervantes, „El Mencho“ genannt, richtet sich gegen die Berichterstattung der Tageszeitung Universal, der Mediengruppe Milenio sowie des Fernsehsenders Televisa. Die Medien würden schlecht über sein Kartell berichten, zugleich die Organisation Pueblos Unidos – Vereinte Völker – in ein gutes Licht stellen. Die Pueblos Unidos haben sich vergangenes Jahr als Bündnis von Gemeinden mehrerer Landkreise gegen die Angriffe der Mafia organisiert. „Wir sind Kleinbauern, Landwirte, ganz normale Bürger, die nicht mehr unter dem Joch der Verbrecher leben wollen“, erklärt Mitgründer Renato Santos auf der Plattform Animal Político.

„El Mencho“ wirft dem Gegner dagegen vor, selbst für Entführungen und Schutzgelderpressungen verantwortlich zu sein. Die Medien fordert er auf, diese und andere, rivalisierende Gruppen nicht zu protegieren. Die Journalistin Uresti hatte zwei Tage vor dem Erscheinen des Videos in einem Milenio-TV-Programm über Kämpfe zwischen dem CJNG und Selbstverteidigungsgruppen berichtet.

Eine Welle der Solidarität

Mexiko ist eines der gefährlichsten Länder für Medienschaffende. Ständig geraten Journalistinnen und Journalisten ins Fadenkreuz der organisierten Kriminalität. Wer sich gegen die Interessen der Kartelle stellt oder die korrupten Verbindungen zwischen Politikern, Wirtschaft, Sicherheitskräften und der Mafia aufdeckt, muss mit dem Schlimmsten rechnen. Seit 2000 starben mindestens 139 Medienschaffende eines gewaltsamen Todes, im vergangenen Jahr waren es 8.

Zahlreiche etablierte Medienbetriebe solidarisierten sich nach der Veröffentlichung des Videos in einer Erklärung mit ihren Kolleginnen und Kollegen. In vielen Regionen des Landes seien solche Drohungen die Vorankündigung für weitere Attacken gegen die Presse gewesen und hätten so „Zonen des Schweigens“ geschaffen. „Die Gruppen, die solche Drohungen verbreiten, wissen, dass sie das tun können, weil die Angriffe auf Journalisten und Medien seit Jahrzehnten straflos bleiben“, heißt es in dem Schreiben.

Der mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador solidarisierte sich am Dienstag vor Journalisten mit der Moderatorin Uresti. „Wir sind mit ihr, sie ist nicht alleine“, sagte der Staatschef und betonte, seine Regierung werde alle schützen, die diesen Beruf ausüben.

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