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Aktion von Ende GeländeKlimaaktionismus global

Katharina Schipkowski
Kommentar von Katharina Schipkowski

„Ende Gelände“ macht dem flüssigen Erdgas eine Kampfansage. Damit geht es in die zweite große Runde gegen fossile Brennstoffe – diesmal international.

FFF-Proteste gegen Fracking und LNG vor dem Firmensitz des Kreuzfahrtunternehmens Aida im Januar Foto: Bernd Wüstneck/dpa/picture alliance

W enn „Ende Gelände“ flüssiges Erdgas (LNG) zum neuen Ziel des Protests erklärt, unternimmt die Klimabewegung in Deutschland einen klugen Schachzug. Einmal, weil der Kohleausstieg zwar viel zu spät kommt, aber doch besiegelt ist, und der Protest im rheinländischen Kohlerevier erschöpft ist. Vor allem aber, weil das Thema LNG Potenzial für eine europäische und schließlich eine globale Bewegung hat.

Zu recht müssen sich Ende Gelände und Fridays for Future mit dem Vorwurf auseinandersetzen, dass sie eine überwiegend weiße, gebildete und ökonomisch gut situierte Bevölkerungsschicht repräsentieren. Doch die Ak­ti­vis­t*in­nen haben das erkannt und handeln entsprechend.

Sie bemühen sich in den letzten Jahren verstärkt darum, auch nicht-weiße Personen als Spre­che­r*in­nen aufzustellen und sich auf die Klimafolgen zu konzen­trieren, die Menschen im globalen Südens besonders hart treffen. Gleichzeitig gingen sie auf die Gewerkschaften und Sozialverbände zu, um auch Nicht-Akademiker*innen einzubinden.

LNG ist in Deutschland schwer vermittelbar. Schiffe, die mit LNG fahren statt mit Schweröl und Marinediesel, tragen tatsächlich zur Verbesserung der Luftqualität in norddeutschen Küstenstädten bei. Global gesehen ist ein Ausbau der LNG-Infrastruktur jedoch fatal. Ein Großteil des importierten Erdgases kommt aus den USA und Argentinien, wo europäische Konzerne wie Total oder Wintershall ganze Regionen zerstören – mit Frackingmethoden, die in Deutschland verboten sind.

Wenn sich europäische Länder CO2-ärmerer „Übergangstechnologien“ bedienen und dabei anderswo die Zerstörung von Lebensgrundlagen in Kauf nehmen, verstärken sie die Klimaungerechtigkeit und halten koloniale Ausbeutung aufrecht. Zudem heizt das beim Transport von Flüssiggas freigesetzte Methan die Atmosphäre noch stärker auf als CO2. Höchste Zeit also, dass die deutsche Klimabewegung über den Tellerrand guckt und globale Gerechtigkeit fordert.

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Katharina Schipkowski
Redakteurin | taz Nord
Jahrgang 1986, hat Kulturwissenschaften in Lüneburg und Buenos Aires studiert und wohnt auf St. Pauli. Schreibt meistens über Innenpolitik, soziale Bewegungen und Klimaproteste, Geflüchtete und Asylpolitik, Gender und Gentrification.
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2 Kommentare

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  • "dass sie eine überwiegend weiße, gebildete und ökonomisch gut situierte Bevölkerungsschicht repräsentieren."

    Ja was ist den daran so schlimm ?



    Wird jetzt schon selektiert wer sich für das Klima einsetzen darf "

  • Ja: Methan ist 25 Mal so "gut" als Klimagas. Und wer sagt "wird scho, baut sich ja ab", dem sei gesagt "dauert halt länger, als wir bereit sind zu planen".

    Und dann kommen noch die "zynischen" Marktmechanismen dazu: wenn's der Industrie zu teuer wird, dann lassen sie die Bohrlöcher einfach liegen [1] -- die dann friedlich vor sich hin ausgasen. Technisch wär's kein Ding, die zu versorgen, nur zahlt das halt niemand in Zeiten fallender Preise.

    In so eine Industrie auf lange Sicht zu investieren, wie wir jetzt mit Nordstream2 und den LNG-Terminals tun kann nicht anders als kriminell bezeichnet werden.

    [1] blog.drillingmaps....wells-leaking.html