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Attacke auf türkischen JournalistenAngriff im Exil

Der türkische Journalist Erk Acarer wurde in Berlin von drei Männern überfallen. Der Erdoğan-Kritiker vermutet ein politisches Tatmotiv.

Kam nach Deutschland, um in Sicherheit zu leben und zu arbeiten: Erk Acarer Foto: Karsten Thielker

Berlin taz | Der im Berliner Exil lebende türkische Journalist Erk Acarer ist am Mittwochabend vor seinem Wohnhaus in Berlin-Neukölln angegriffen worden. Er musste mit Kopfverletzungen ambulant im Krankenhaus behandelt werden, wie Acarer mit angeschwollenem Gesicht in einem Videostatement auf Türkisch am frühen Donnerstagmorgen erzählte. Mittlerweile gehe es ihm den Umständen entsprechend gut, heißt es in einem weiteren Statement nach dem Angriff.

Laut den Schilderungen von Acarer haben drei Männer ihn im Vorgarten seines Hauses in Neukölln überfallen und ihm vor den Augen seiner Frau direkt ins Gesicht geschlagen. Acarer sei hingefallen. Zwei Angreifer hätten weiter auf ihn eingeprügelt, während ein Dritter Schmiere gestanden habe. Einer der Männer habe geschrien: „Du schreibst nicht mehr!“

Der Erdoğan-kritische Journalist lebt aufgrund von Repressionen und Bedrohungen in der Türkei seit 2017 in Deutschland und geht beim Angriff von einem politischen Hintergrund aus. Noch am Mittwochabend hatte Acarer ein Bild seines blutenden Gesichts zusammen mit den Worten „Ich werde mich dem Faschismus nie ergeben“ getwittert. Er kenne die Täter.

Acarer berichtete immer wieder kritisch über die türkische Regierung unter Recep Tayyip Erdoğan, zuletzt für die linke türkische Zeitung BirGün und den in Köln gegründeten Exilsender Arti TV. In der Türkei berichtete er unter anderem für Cumhuriyet, Sabah, Habertürk und Milliyet. Von September 2017 bis Juli 2020 war Acarer auch für die taz.gazete tätig, das mittlerweile abgeschlossenen Projekt der taz für politisch verfolgte türkischen Jour­nalist*innen.

Strafverfahren in der Türkei

Im Video sagte Acarer: „Das zeigt, dass alles, was ich über die islamistisch-faschistische AKP-MHP Regierung geschrieben habe, stimmt.“ Er habe zur ­Identität der Täter Vermutungen und Informationen. Allerdings habe die Polizei ihn gebeten, zunächst keine Namen oder Gruppierungen zu nennen, da dies die Ermittlungen erschweren könne.

Acarers Schwerpunktthemen sind islamistischer Terror und Fundamentalismus sowie der Krieg in Syrien. Er hat zudem ein Sachbuch über das Verhältnis zwischen der Türkei und dem IS veröffentlicht. In der Türkei laufen Strafverfahren gegen ihn, zudem sind offenbar Haftbefehle anhängig.

Im April wurde Acarer von Innenminister Süleyman Soylu auf Twitter beleidigt, nachdem er über die mutmaßliche Verwicklung von dessen Neffen in einen Millionen-Betrugsfall getwittert hatte. Ein anderer ranghoher AKPler, Kemalettin Aydın, empfahl daraufhin, den Journalisten „mit Strychnin einzu­schläfern“. Dazu twitterte Aydın ein Bild mit der chemischen Formel des Giftstoffs.

Der Angriff am Mittwochabend hätte auch schlimmer ausgehen können, vermutet Acarer in seinem Videostatement. Weil sich schnell Zeu­g*innen per Zuruf eingemischt hätten, seien die Täter geflohen. Der Welt schilderte Acarer, er gehe davon aus, dass die Angreifer Waffen gehabt und diese auch gezückt hätten, wenn die Nach­ba­r*in­nen sich nicht eingeschaltet hätten.

Er habe nach dem Angriff sogar noch versucht, die Täter zu verfolgen, ihm sei aber zu schwindlig gewesen, um hinterher­zulaufen. Seine 14-jährige Tochter, die im Haus gewesen sei, habe den Angriff glücklicherweise nicht mit ansehen müssen. Kurz darauf sei die Polizei eingetroffen. Er und seine Familie würden mittlerweile geschützt.

Staatsschutz übernimmt Ermittlungen

Die Berliner Polizei bestätigte den Angriff in einer Meldung am Donnerstag und leitete Ermittlungen ein. Aufgrund der Angaben von Acarer über ein mögliches politisches Motiv habe der Staatsschutz übernommen. Nach Darstellung der Polizei haben Nach­ba­r*in­nen sie ­gegen 21.50 Uhr wegen ­einer Körperverletzung gerufen.

Auch die Polizei berichtet, dass Acarer auf dem Hof des Gebäudes von zwei Männern geschlagen und getreten worden sei, während ein dritter Schmiere stand. Als sich die Zeu­gen bemerkbar machten, sollen die Angreifer von dem 48-Jährigen abgelassen haben und geflüchtet sein.

Reporter ohne Grenzen ist schockiert über den Angriff. „Wir kennen die Hintergründe der Tat noch nicht, aber dass ein regierungskritischer Journalist aus der Türkei in Berlin angegriffen wird, ist besorgniserregend und könnte andere Exiljournalistinnen und -journalisten im Land einschüchtern“, sagte der Geschäftsführer der Organisation, Christian Mihr.

Er forderte Aufklärung, ob der Angriff mit seiner journalistischen Arbeit zusammenhängt. „Medienschaffende im Exil sind vor Repressionen in ihren Heimatländern geflohen. Sie müssen sich hier sicher fühlen können“, so Mihr. Acarer ist 2017 nach Angaben der NGO mit einem Nothilfestipendium über Reporter ohne Grenzen nach Deutschland gekommen. Auch verschiedene Po­li­ti­ke­r*in­nen wie Cem Özdemir (Grüne) und Sevim Dağdelen (Linke) äußerten sich schockiert über den Vorfall.

Macht ruhig, was ihr könnt. Aber ihr sollt wissen, dass wir euch zur Rechen­schaft dafür ziehen

Erk Acarer, Exiljournalist

Der ebenfalls in Deutschland lebende Journalist Can Dündar wertete den Angriff als „direkte Botschaft“ Erdoğans. Auch die Journalistin Meşale Tolu, die 2017 mehrere Monate in der Türkei in Haft saß, verurteilte den Angriff. Laut Sicherheitsexperten soll der türkische Geheimdienst über ein weit verzweigtes In­for­man­t*in­nen­netz­werk verfügen.

Ebenso gibt es viele gewaltbereite Erdoğan-Anhänger*innen und in Vereinen organisierte Anhänger der extrem rechten Grauen Wölfe, deren Partei zusammen mit Erdoğans AKP regiert. Auch die verbotene Rockergruppe Osmanen Germania soll über Verbindungen in die türkische Regierung verfügen.

Wie schon am Vorabend bei seinem Tweet bleibt Erk Acarer auch in seinem Videostatement kämpferisch. Mit Blick auf die Genesungswünsche und Nachrichten bedanke er sich bei allen Leser*innen, Freun­d*in­nen und Verwandten. Er beendet das Statement mit klaren Worten in Richtung der Täter: „Macht ruhig, was ihr könnt. Aber ihr sollt wissen, dass wir euch zur Rechenschaft dafür ziehen. Und am Ende werdet ihr zahlen ­müssen.“

Am Donnerstagabend, 08.07.21, soll um 19 Uhr unter dem Motto „Solidarität mit Erk Acarer“ eine Kundgebung am Kottbusser Tor in Berlin-Kreuzberg stattfinden.

Mitarbeit: Oliver Kontny, Ebru Taşdemir

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2 Kommentare

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  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Die türkische Rechte treibt seit Jahrzehnten ihr Unwesen in Deutschland. Höchste Zeit, dagegen massiv vorzugehen, nun da Merkel bald weg vom Fenster ist.

    "Seit mehr als fünf Jahrzehnten existiert in der Türkei eine ultranationalistische, rassistische und gewalttätige Bewegung, deren Traditionen weit in die Geschichte zurückreichen. Mit zahlreichen Vereinen und mehreren Dachverbänden ist sie auch in Deutschland präsent. "

    www.bpb.de/politik...ion-in-deutschland

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Man sollte türkischen und wenn man schon dabei ist russischen Nationalisten in Deutschland klarmachen hier ist kein Platz für sie, und wenn sie nicht freiwillig abziehen ihnen das Leben so schwer machen bis sie die Biege machen.