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Fusion von Deutsche Wohnen und VonoviaZahlen werden die Mie­te­r:in­nen

Deutschlands größter Immobilienkonzern Vonovia will die Nummer zwei Deutsche Wohnen übernehmen. Für Be­woh­ne­r:in­nen wäre kaum Gutes zu erwarten.

„Unser Zuhause ist keine Kapitalanlage“: Protest in Berlin im Mai 2021 Foto: M. Golejewski/AdoraPress

Die erste Mitteilung lief Pfingstmontag um 22:25 Uhr über die Nachrichtenticker: Deutschlands größter Immobilienkonzern Vonovia will den Branchenzweiten Deutsche Wohnen schlucken – für etwa 18 Milliarden Euro. Über die Zusammenführung der Unternehmen gebe es ein „Business Combination Agreement“, hieß es aus Vonovias riesiger, 2018 bezogener Konzernzentrale an der Bochumer Universitätsstraße.

Damit könnte der Konzentrationsprozess auf dem Immobilienmarkt weitergehen – denn beide Unternehmen sind Mega-Player: Zusammen besitzen sie rund 550.000 Wohnungen. Allein Vonovia kommt in Deutschland, Österreich und Schweden auf 400.000 Mieteinheiten.

Zusammengekauft wurde dieser Bestand der aus der Deutschen Annington hervorgegangenen Aktiengesellschaft etwa aus privatisierten Eisenbahnerwohnungen. Übernommen wurden RWE-Werkwohnungen, die Viterra-Immobilientochter des Stromkonzerns Eon, die einst „Gemeinnützige Aktien-Gesellschaft für Angestellten-Heimstätten“ (Gagfah). Die Deutsche Wohnen besitzt etwa 155.000 Einheiten, davon knapp 115.000 in Berlin.

Durch die Fusion der beiden im Deutschen Aktienindex DAX gelisteten Gesellschaften entstünde Europas größter Konzern für Wohn­immobilien – mit einem Börsenwert von rund 45 Milliarden Euro. Der Hauptteil der Aktien liegt in Streubesitz. Größter Einzelaktionär ist bei beiden Unternehmen die US-amerikanische Investmentgesellschaft Blackrock: Bei Vonovia hält der Hedgefonds 8,3 und bei der Deutschen Wohnen knapp 11,5 Prozent der Anteile.

Mieteinnahmen für die Dividende

Ver­tre­te­r:in­nen von Mie­te­r:in­nen blicken skeptisch auf die Fusion. „Vonovia wird jetzt noch mächtiger“, sagt Knut Unger vom Mieterverein Witten, der sich auch bei der Plattform kritischer Immobilien-Aktionär:innen engagiert. Bisher habe Vonovia immer auf Profitmaximierung gesetzt: „Die Mieterhöhungen sind überdurchschnittlich, der Mietspiegel wird voll ausgeschöpft“, so Unger zur taz. „Auch bei Modernisierungen und Neuvermietung schlägt Vonovia richtig zu.“

Die Mieterhöhungen sind überdurchschnittlich, der Mietspiegel wird voll ausgeschöpft. Auch bei Modernisierungen und Neuvermietung schlägt Vonovia richtig zu.

Knut Unger, Mieterverein Witten

Denn an der Börse setze die AG auf eine ungebremste Wachstumsstory, analysiert Unger. Dort solle die Kapitalseite jedes Jahr neue Rekorddividenden sehen – und Vonovia liefert. 2021 seien mehr als 950 Millionen Euro an die Ak­tio­nä­r:in­nen ausgeschüttet worden, sie stammten von den Be­wohn­er:innen der Vonovia-Häuser: „Mehr als 37 Prozent der Mieteinnahmen gehen in die Dividende“, rechnet Unger vor.

„In den Sternen“ stehe dagegen, ob die von den Konzernchefs Buch und Zahn vorgerechneten Einsparungen durch die Fusion wenigstens zum Teil an die Mie­te­r:in­nen weitergegeben werden, warnt auch Markus Röser, wohnungspolitischer Sprecher des Mietervereins Dortmund. Seit Jahren in der Kritik steht Vonovia auch wegen teurer Nebenkosten: „Alle Abrechnungen der letzten zwei Jahre sind überhöht und nicht belegt“, sagt Unger.

Ausgebremst werden könnte die Übernahme nur noch über das Kartellrecht. „Eine Fusion der beiden größten privaten Immobilienkonzerne Deutschlands“, warnt Top-Ökonom Marcel Fratzscher, „ist problematisch“. Denn dadurch, sagt der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsfors (DIW), gebe es „weniger Wettbewerb“ – und die Marktmacht des neuen Konzerns werde noch größer.

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5 Kommentare

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  • Gut, dann muss man nur noch EINEN enteignen.

  • "Streubesitz" klingt schön.



    So etwas nach "das gehört ja allen".



    Aber mich weürde mal interessieren wieviele aus der Politischen Kaste da mitverdienen - wenn ich da an den "Neue Heimat"-Skandal zurückdenke wird mir ganz flau ...

  • Für die Mieter dürfte diese Fusion eigentlich vollkommen egal sein, da beide Unternehmen das gleiche Businesskonzept verfolgen.

    Für Vonovia dürfte es dagegen wichtiger sein, dass die Aktien der Deutsche Wohnen durch die Grunderwerbsteuerreform jetzt frei von Grunderwerbsteuer übernommen werden können.

    Einziger Verlierer bei der Sache ist somit das Land Berlin. Nur der Bürgermeister hat es noch nicht verstanden.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    "Unser Zuhause ist keine Kapitalanlage" steht auf dem Schild!



    Sehr richtig!



    Man hat es uns ständig eingeredet, dass man mit Mieteigentum eine Menge Kohle machen kann. Da werden gnadenlos auch Studenten mit 500 € Miete/Monat für eine Bude über den Tisch gezogen.



    Viele haben sich daran gewöhnt, zumal es ja fast keine Zinsen mehr auf das Ersparte gibt. Sicheres Betongold! Da ist es doch gutes Recht, wenn man versucht......NEIN, IST ES NICHT!

    Man darf nicht ganz vergessen, diese Asozialen von DW und Vonovia haben auch die Hosen voll, wenn es etwas brenzelig wird.



    Deshalb muss die ständige Unruhe bleiben bzw. verstärkt werden. Enteignung ist es, wovor sie Angst haben, trotz der vielen fragwürdigen Anwälte, die sie um sich scharen. Irgendwann lässt sich das Volk das auch nicht mehr bieten. Dann wird der Zulauf zur AfD noch größer oder sie vergessen die demokratischen Regeln.



    Nur ein Präzendenzfall für eine Enteignung ist nötig und sie fallen reihenweise um.

    Ich habe das Glück in einer Mietwohnung zu wohnen, die seit Jahren nicht teurer geworden ist. So geht`s halt auch, wenn man soziale Verantwortung hat.

    Was wir brauchen sind Genossenschaften, wie etwa die Gartenstädte in vielen Städten. Das ist das richtige Wohnmodell. Dort sind die Mieten sogar "unverschämt" billig.



    Wichtig ist nicht die Höhe der Miete sondern ein vertretbares Verhältnis von Einkünften zur Miete. Wenn die Einkünfte nicht reichen, muss der Staat sich darum kümmern, z.B. eine deutliche Erhöhung der Löhne, nicht nur der Mindestlöhne.

    Ein bundesweiter Mietendeckel sollte zum Wahlkampfthema Nr. 1 werden. Die Parteien werden versuchen, abzulenken und ihre Nebelkerzen werfen - übrigens alles mit unserem Steuergeld. Die sind dazu da, dass es uns allen besser geht. Großes Gelächter! Aber wozu brauchen wir diese Politiker denn?



    Ich bin seit langem der Ansicht, dass die viel zu oft schaden als nutzen - viel zu viele Versager, die unser Geld verschwenden - aktuelles Beispiel - BW-Einsatz in Mali!

    • @17900 (Profil gelöscht):

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