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Versuchter Anschlag auf PDS-Büro 1990Ermittlungen 30 Jahre später

1990 wurde eine Bombe vor der Saarbrücker PDS-Geschäftsstelle gefunden. Nun bringt ein Buch den Anschlag erneut auf die Agenda der Staatsanwaltschaft.

Brandanschlag auf eine Asylunterkunft in Saarlouis 1991 Foto: Rolf Ruppenthal

Frankfurt a. M. taz | Die irritierenden Bilder im Kopf, die durchlebten Ängste lassen Bernd Rausch bis heute nicht los. 19. November 1990: Unter einer Treppe vor der Geschäftsstelle der Linken Liste/PDS in Saarbrücken entdecken er und eine damalige Kollegin ein Sprengstoffpaket mit Zeitzünder. Sie waren nur zufällig auf die Bombe aufmerksam geworden, weil an diesem Tag Propagandamaterial aus der Parteizentrale angeliefert wurde.

Mit einer Wasserdruckpistole entschärfen herbeigerufene BKA-Spezialisten den Sprengsatz. Der Zünder war auf einen Zeitpunkt eingestellt, an dem die Bombe wohl mehr als zwei Dutzend GenossInnen getroffen hätte.

Jedes noch so kleines Detail hat der heute 69jährige Rausch noch präsent: „Wir hatten Todesangst“, sagt er der taz. Damals ermittelten die Strafverfolgungsbehörden offenbar halbherzig. Ein Polizeibeamter streute sogar das Gerücht, die PDS habe den Anschlag selbst inszeniert, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Die Akten wurden nach einem Jahr geschlossen.

Jetzt liegen sie erneut auf dem Tisch, dank Rauschs Beharrlichkeit. Im vergangenen Oktober, kurz vor dem 30. Jahrestag des Anschlags, nahm die Staatsanwaltschaft Saarbrücken die ermittlungen erneut auf. Anlass war das Buch „Die Bombe, die uns töten sollte“, in dem Rausch die Tat und die nachlässigen Ermittlungen ausführlich dokumentiert hatte. Die Behörde ermittelt inzwischen wegen versuchten Mordes. Noch kann die Staatsanwaltschaft keine neuen Erfolge vermelden. „Die Ermittlungen dauern an“, teilte sie der taz mit.

Verbindungen zu anderen Anschlägen?

Dass die Staatsanwaltschaft bei ihm für die Ermittlungen sogar Unterlagen anfordern musste, ist für Rausch Beleg für die lasche Vorgehensweise im ersten Anlauf. Offensichtlich war damals kein Todesermittlungsverfahren eingeleitet worden, denn die Behörden konnten jetzt weder auf eigene Akten noch Asservate zurückgreifen. Vernichtet wegen Fristablauf, vermutete die Staatsanwaltschaft bei der Anhörung im Innenausschuss des saarländischen Landtags im Oktober letzten Jahres. Wäre wegen Mordversuchs ermittelt worden, müssten die Unterlagen noch aufzufinden sein.

In seiner Publikation hat Rausch die Dokumente und Nachrichten zu diesem Fall aufgelistet. Auf seine Unterlagen muss die Staatsanwaltschaft jetzt zurückgreifen. Rausch wurde zuletzt im März ausführlich befragt.

Der Buchautor und Mediendesigner im Ruhestand stellt den versuchten Bombenanschlag gegen sich und seine GenossInnen in eine Reihe mit zahlreichen, mutmaßlich rassistisch motivierten Brandanschlägen auf Unterkünfte von Migranten und Asylbewerber, die im Saarland in den 90er Jahren offenbar Angst und Schrecken verbreiten sollten.

Der folgenreichste traf im August 1991 eine Unterkunft in Saarlouis. Unbekannte hatten einen Brandsatz im Treppenhaus eines Wohnheims gezündet. Zwei junge Männer aus Nigeria wurden verletzt, als sie sich mit einem Sprung aus dem Fenster retten konnten. Der 27jährige Samuel Yeboah versuchte dagegen durchs brennende Treppenhaus ins Freie zu kommen. Noch auf dem Weg ins Krankenhaus erlag er seinen schweren Verletzungen.

„Saarländische Verhältnisse“

Auch in diesem Fall gibt es offenbar endlich eine Spur. Auf Anordnung des Generalbundesanwalt durchsuchte die Polizei im Januar die Wohnung eines tatverdächtigen 49jährigen. Für einen Haftbefehl gebe es bislang zwar keine hinreichende Beweise, teilte die Bundesanwaltschaft der taz mit: Aber „die Ermittlungen dauern an“. Zu einem möglichen Zusammenhang mit dem Saarbrücker Bombenanschlag mochte weder die Behörde in Saarbrücken noch die in Karlsruhe Stellung beziehen.

Für Rausch, der sich selbst als Ökosozialist bezeichnet, sind das erste Erfolge in einem „langen, einsamen Kampf“. Er hat in all den Jahren nicht locker gelassen. Nachdem der Nagelbombenanschlag in Köln aus dem Jahr 2004 Jahre später dem rechtsterroristischen NSU zugerechnet werden konnte, habe er die Bundesanwaltschaft aufgefordert, den Kölner Sprengsatz mit dem aus Saarbrücken zu vergleichen, „ebenfalls ein Selbstsubstrat“. Vergeblich.

Im Saarland gab es nicht nur die Brandanschläge und die Bombe. Da war auch der Anschlag auf die geplante Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht“ in Saarbrücken im März 1999. Auch dieser Anschlag wurde nicht aufgeklärt.

PolitikerInnen der saarländischen CDU hätten dagegen lieber gegen die angebliche Beschmutzung des Andenkens an die deutschen Soldaten demonstriert, erinnert sich Rausch. Auch die Hinweise, dass das rechtsterroristische NSU-Trio im Saarland unterwegs war, seien im Dunkeln geblieben. Nach Rausch's Überzeugung passt das alles zu dem, was er „saarländische Verhältnisse“ nennt: Nach der Angliederung des Saarlands an die Bundesrepublik seien die Verstrickung führender saarländischer Politiker in das Nazi-Regime systematisch verleugnet worden, hinter einer „Mauer des Verschweigens“, wie er sagt.

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