: Gemeinsames Beten gegen den Terror
Muslime, Juden und Christen demonstrieren in der britischen Botschaft ihre Verbundenheit mit der offenen Gesellschaft und ihre Ablehnung des Terrorismus. Der Europaabgeordnete Cem Özdemir fordert, die Moscheen für Radikale zu verriegeln
AUS BERLIN KAI BIERMANN
Die Terroranschläge von London bringen die Religionen zusammen, statt sie zu entzweien. Das zumindest demonstrierten gestern in Berlin führende muslimische, jüdische und christliche Geistliche. Gemeinsam sprachen sie sich bei ihrem Kondolenzbesuch in der britischen Botschaft gegen Gewalt und Terror aus.
Terroristen versuchten, die muslimische und die westliche Welt „aufeinander zu hetzen“, sagte Nadeem Elyas, der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime in Deutschland. Dem müsse man sich entgegenstellen. Einerseits durch den Willen, Muslime zu integrieren. Andererseits indem man Muslimen deutlich sagt, „dass Gott und der Islam das nicht wollen“, und dafür sorgt, dass die Jugend gegen solche Einflüsse immunisiert wird.
Auch bei den Muslimen sei Integrationswille gefordert, sagte der Grünen-Europaabgeordnete und nach eigener Aussage „säkuläre Moslem“ Cem Özdemir, der das Treffen angeregt hatte. Sie müssten ihre Moscheen „für Radikale verriegeln, aber für Nichtmuslime sperrangelweit öffnen“. Man dürfe nicht zulassen, dass Terroristen versuchten, „den Islam zu entführen und die Deutungshoheit zu gewinnen“.
Elyas bemühte sich, die Täter als Einzelgänger ohne religiöse Unterstützung darzustellen – in seinem Zentralrat sind mehrere vom Verfassungsschutz als islamistisch eingestufte Vereine Mitglied. Die Attentate seien die Handlungen einiger weniger Personen oder Zellen, sagte er. „Zu solchen Taten sind Einzelne immer fähig.“ Mit dem Islam habe dies nichts zu tun, die gesamte islamische Welt habe sich von den Terrorakten distanziert: „Es ist eine große Beleidigung, dass diese Leute sich auf den Islam berufen.“
Auch wenn sich die „überwiegende Zahl der Muslime in Europa“ zur Rechtsstaatlichkeit bekenne, gebe es jedoch keine Garantie, dass so etwas nicht auch in Deutschland geschehen könne. Genau wie Kriminalität könne man in einer offenen Gesellschaft auch Terror nicht ausschließen, sagte Elyas. Es sei daher wichtig, dass jede verfassungsfeindliche Gesinnung verfolgt werde, dass Muslime in den Gemeinden für Aufklärung sorgten und dass Kindern schon in der Schule die Werte ihrer Religion vermittelt würden. „Wenn wir diese Lücke schließen, werden viele Eltern es für überflüssig halten, ihre Kinder in die Moschee zu schicken.“
Marieluise Beck (Grüne), Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, appellierte an die Gemeinden, eine Grenze gegenüber Gewalt in jeglicher Form zu ziehen. Man wisse, dass es in einigen Moscheen bei der Auslegung des Korans „verschwimmende Grenzen“ gebe.
Yitzhak Ehrenburg, der Vorsitzende der orthodoxen Rabbiner in Deutschland, erinnerte daran, dass alle Menschen Ebenbilder Gottes seien und nicht morden dürften. „In welch ein Paradies kann so ein Mensch kommen?“, fragte er in Anspielung auf den Glauben der Terroristen, als Belohnung für ihre Taten als Märtyrer in einen Himmel zu gelangen. Ehrenburg schlug vor, regelmäßig solche religionsübergreifenden Treffen zu veranstalten und dies öffentlich zu machen, um etwas gegen Fanatismus zu tun.
Für den britischen Botschafter Peter Torry hat das Problem weniger mit Religiosität zu tun. Er zitierte den britischen Premierminister Tony Blair: „Fanatismus ist keine Religion, sondern eine Geisteshaltung.“ Um die gemeinsame Geisteshaltung zu demonstrieren, wurde abschließend gebetet: für den Frieden und in drei Sprachen, Arabisch, Deutsch und Hebräisch. Vielleicht hilft es ja.
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