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Kritik an Flächenverbrauch in HamburgBUND will Wohnungsbau bremsen

Der Umweltverband fordert ein Abrücken von den ehrgeizigen Neubauzielen des Senats. Stattdessen will er eine intelligentere Stadtentwicklungspolitik.

Wenn's nach dem BUND geht, gibt's für ihn bald weniger zu tun: Mann am Bau Foto: Daniel Reinhardt/dpa

Hamburg taz | Den Wohnungsbau auf Freiflächen bremsen will der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Darum hat er den Senat aufgefordert, das starre Ziel von 10.000 neuen Wohnungen pro Jahr aufzugeben. Natur- und Artenschutz dürften nicht länger der Bauwut untergeordnet werden. „10.000 Wohnungen im Jahr sind in einem Stadtstaat mit begrenzter Fläche verantwortungslos“, sagte die BUND-Landesvorsitzende Christiane Blömeke.

Der Umweltverband äußerte sich mit Blick auf die Verhandlungen zwischen Senat und Wohnungswirtschaft über eine Fortschreibung des Bündnisses für das Wohnen. Dort war bisher die Zielmarke 10.000 Neubauten pro Jahr festgeschrieben. Im sogenannten „Vertrag für Hamburg“ wurden die Bezirke verpflichtet, entsprechendes Baurecht zu schaffen. Würde diese Politik fortgesetzt, hätte das aus Sicht des BUND fatale Folgen. Die Stadtentwicklung müsse deshalb neu gedacht werden.

Sorgen macht dem Umweltverband der enorme Flächenverbrauch. Nach dem Bedarf, den das Bündnis für das Wohnen ansetzt, sind es knapp 70 Hektar für 10.000 Wohnungen. „Das heißt, alle zwei bis drei Jahre würde eine Fläche so groß wie die Außenalster bebaut“, sagt BUND-Landesgeschäftsführer Manfred Braasch. Das Problem verschärft sich, weil inzwischen schon sehr viele Baulücken geschlossen und Flachbauten ersetzt worden sind.

Der BUND schlägt vor, keine neuen Wohnungen im frei finanzierten Wohnungsbau mehr zu genehmigen, sondern zunächst die fast 40.000 noch nicht in Anspruch genommenen Genehmigungen abzuarbeiten. Was darüber hinaus errichtet werde, müsse dem „Netto-Null-Konzept“ genügen: Wird für ein Gebäude Boden versiegelt, muss anderswo im gleichen Umfang Boden entsiegelt werden. Spielraum böten zudem Aufstockungen und Wohnungsbau an den Magistralen.

10.000 Wohnungen im Jahr sind in einem Stadtstaat mit begrenzter Fläche verantwortungslos

Christiane Blömecke, BUND

Um den Bedarf an Wohnraum zu verringern, schlägt der BUND Wohnformen vor, bei denen verschiedene Parteien Räume gemeinsam nutzen. Das Wohnumfeld solle aufgewertet werden, so dass Erholung in nächster Nähe möglich würde. Eine Stadt der kurzen Wege würde das eigene Auto überflüssig machen. Dadurch könnten der Straßenraum kleiner und Baufläche gewonnen werden.

Der Mieterverein zu Hamburg warnte davor, von ehrgeizigen Neubauzielen abzurücken. „Das wird dazu führen, dass der existierende Wohnraum eine Preisexplosion erfährt“, sagt Geschäftsführer Siegmund Chychla. Angesichts des zu erwartenden Zuzugs könne es sich der Senat nicht leisten, die Genehmigung von Neubauten einfach auszusetzen.

Chychla kann sich eine intensivere Nutzung der Grundstücke vorstellen, etwa dort, wo heute nur ein- oder zweigeschossige Häuser stehen. „Wenn man zumindest bauplanungsrechtlich zulassen würde, dass man da Geschosswohnungsbau macht, wäre ein großer Teil des Problems gelöst“, sagt der Vorstandsvorsitzende des Mietervereins.

Sylvia Sonnenman vom Verein „Mieter helfen Mietern“ sprach sich für eine Planung mit Augenmaß aus, die den Klimaschutz nicht vernachlässige. „Zur Not muss es halt etwas langsamer gehen“, sagt sie.

Der Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), in dem die gemeinwohlorientierten Vermieter organisiert sind, verwies darauf, dass die bisherige Wohnungspolitik zuletzt den Mietenanstieg gebremst habe.

Heike Sudmann von der Linken kommentierte, der BUND treffe die wunden Punkte. Sie regte an, das Gelände der Messe oder der Führungsakademie der Bundeswehr zu bebauen, statt Kleingärten oder freies Land wie in Oberbillwerder.

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5 Kommentare

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  • Überschrift falsch gewählt. Der BUND will die weitere Versiegelung der Grünflächen verhindern.

    • @Senza Parole:

      Auch die Bildunterschrift ist irreführend. Mit dem, was der BUND vorschlägt, gäbe es sogar mehr zu tun. Aber eben nicht bei dem Teil der Branche, der erst anfängt zu arbeiten (und zu denken), wenn er eine kahle Fläche hingestellt bekommt.

  • Ich muss ausnahmsweise den Senat verteidigen. Die 10.000 Einheiten werden dringend gebraucht. Das Problem ist auch nicht so sehr der Flächenverbrauch, sondern der hohe Wohnkomfort, den sich die besseren Schichten der Stadt gönnen. Wenn es OK ist, in einer Altbauwohnung in Harvestehude oder Uhlenhorst mit 240 QM zu zweit oder alleine zu wohnen, muss sich niemand wundern, wenn ständig mehr Wohnraum für ärmere Schichten gebaut werden muss.

    Dazu noch der Zuzug von Geflüchteten. Dieser Wohnraum muss schnell hergestellt werden. Die Fehler der Politik sind schon gemacht. Und der BUND hat nicht ganz geschnallt, dass die Leute bereits ins Umland gezogen sind und mit ihren Autos rumfahren müssen. Das ist Zwang, das ist nicht so, dass Heinz und Martina aus Elmshorn oder Neumünster nach Hamburg mit dem Rad können, die können höchstens den Regionalzug nehmen, was sie meistens auch tun.

    Kurz: Wenn ein großer Teil der Bevölkerung in Luxus-Ansprüche abrutscht und finanziell dazu in der Lage ist, andere Bevölkerungsgruppen zu verdrängen, dann braucht der 'Verdrängte' Wohnraum und zwar sofort. Dass die Stadt besser auf Umweltstandards eingehen sollte, keine Frage, bin ich auf der Seite des BUND, aber der Umweltverband verkennt die soziale Spaltung dieser Stadt.

    Und er zieht nicht die richtigen Schlüsse daraus. Das hemmungslose Recht auf Eigentum, das im Wohnbereich angewendet wird, ist das echte Problem. Und die Stadt kann nicht immer und überall verdichten, auch eine Bebauung wie in Steilshoop oder Mümel oder Osdorf ist nicht gut und nicht geeignet.

    Aber die Stadt lässt auch sinnlose Bürobauten errichten, das Hochhaus an der Elbe ist an Dämlichkeit doch gar nicht zu überbieten. Ich sage aber, wäre dies ein Studentenwohnheim und es würden dort 4.000 Einheiten für Studenten errichtet, ich wäre sogar dafür, weil das was bringen würde. Ich finde es schade, dass der BUND so weit von armen und normalen Arbeitnehmern ist. Umweltschutz ist kein Luxus, der muss sozial sein.

    • @Andreas_2020:

      Wenn der tolle Senat endlich dafür sorgen würde, dass ausreichend Sozialwohnungen gebaut würden, wäre das ein Schritt der sozialen Spaltung entgegen zu wirken. Es wird immer von 30% geschwafelt, effektiv sind es aber nur gut 20%. Warum nicht 50%? Das Problem besteht darin, dass private/gewerbliche Bauherren Eur 18 bis 19/qm bei Neubauten verlangen und der Senat nur zuschaut und auf die unwirksame Mietpreisbremse des Bundes verweist.



      Nur bauen allein hilft nicht und der BUND weist zu recht auf die immer fortschreitende Versiegelung hin.



      P.s. Es ist wohl rechtlich schlecht möglich, dass Pärchen aus seiner 240 qm Wohnung herauszuholen. Besser wäre es Leerstand konsequent zu verfolgen und mehr soziale Erhaltensverordnungen zu erlassen und zwar schnell.

      • @Senza Parole:

        Der Senat ist nicht toll, hätten Hamburger Regierungen konsequent sozialen Wohnungsbau betrieben, gäbe es diese Probleme doch gar nicht. Und wie auch immer man zu den Luxusmenschen mit x QM steht, das ist ein Trend, der seit 50 Jahren besteht, immer mehr Platz brauchen die Menschen, inzwischen aber nur noch die Wohlhabenden. Und das knallt, wenn große Wohnflächen von nur wenigen Menschen genutzt werden, dann muss mehr gebaut werden. Und viele Menschen sind schon ins Umland gezogen.