: Auch ein Weg des Widerstands
Noch in diesem Sommer soll ein Weg in Hastedt den Namen Henny Brunkens erhalten: Sie ist eine der vier Bremer*innen, die als Gerechte unter den Völkern von der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem geehrt werden
Lexikon der Gerechten unter den Völkern
Von Benno Schirrmeister
Im zweiten Quartal 2021 soll die Verbindung zwischen dem Hastedter Osterdeich und dem Weserwehr und dem Kraftwerk endlich den Namen Henny-Brunken-Weg erhalten. Das hat der Senat auf eine Anfrage der Grünenfraktion bekannt gegeben. Wird auch Zeit: Die Ehrung setzt einen Beiratsbeschluss von 2013 um.
Henriette, genannt Henny, Brunken, ist eine „Gerechte unter den Völkern“. Die internationale Holocaustgedenkstätte Yad Vashem bezeichnet mit diesem Titel jene, die, ohne Verfolgte zu sein, halfen, Jüd*innen vor den Nazis zu retten. Vier davon sind Bremer*innen: Georg Ferdinand Duckwitz, Melida Palme und ihrer Tochter Martha Heuer sowie Brunken. Und während doch jedes Schulkind diese Namen lernen sollte, sind sie weitgehend vergessen: Als er sich 2013 nach Martha Heuer erkundigt habe, so der Journalist Kurt Nelhiebel, habe nicht einmal beim Staatsarchiv jemand je etwas von ihr gehört gehabt. Mit ihrer Mutter hatte sie von 1943 an Jüd*innen in ihrer Warschauer Wohnung versteckt. Alle sechs überlebten. Dank Nelhiebel ist ihr seit 2019 eine Straße im Lindenhof-Quartier gewidmet.
Duckwitz war Diplomat und in Kopenhagen stationiert. Dort war er daran beteiligt, dass 7.000 dänische Jüd*innen nach Schweden fliehen konnten am Tag vor der geplanten Festnahme: Er verriet den Deportationsbefehl samt Vollzugstermin. Brunkens Beitrag ist viel unscheinbarer. Aber er zeigt, wie leicht mehr Dissidenz möglich gewesen wäre. Brunken war eine Hausfrau, Mutter von zwei Kindern. Ihr Mann war Soldat im U-Boot-Krieg, ihr Bruder Soldat, verschollen im Osten. Im Winter 1944/45 sah sie Zwangsarbeiter*innen, die Trümmer von Bombentreffern räumen mussten, direkt am Deichbruch.
„Da jeder Kontakt schwer bestraft werden konnte, benutzte sie ihre fünfjährige Tochter Erika als Kurier“, heißt es im „Lexikon der Gerechten unter den Völkern“, und auch das ist ein Weg des Widerstands: „Sie füllte eine Flasche mit warmer Milch und Haferflocken und versteckte sie in einer Wollsocke.“ Die wurde am Tretroller befestigt. Täglich, zwei Monate lang, zischt die Kleine zu den Gefangenen, bis am 28. Februar 1945 die Arbeitsgruppe verlegt wird.
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