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Zwischen Windenergie und ArtenschutzVögel versus Rotoren

Wie lässt sich der Konflikt zwischen Windenergie und Artenschutz lösen? Ex-Staatssekretär Baake und dessen Stiftung machen einen Vorstoß.

Vogelmotive als Abschreckung: Windräder im brandenburgischen Landkreis Oder-Spree Foto: Patrick Pleul/dpa

Berlin taz | Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz könnte die Energiewende bald schneller vorankommen. Im Weg stehen dem aber einige Hindernisse, nicht zuletzt die schwierige Rechtslage für den Bau zusätzlicher Windräder an Land. Um die Konflikte mit dem Vogelschutz zu befrieden, hat die Stiftung Klimaneutralität am Dienstag einen Gesetzesvorschlag vorgelegt.

Wenn Deutschland das Ziel erreichen will, Mitte der 2040er Jahre kein Kohlendioxid mehr auszustoßen, muss die Windenergieleistung an Land auf etwa die dreifache der heutigen Menge steigen. Dafür sind zusätzliche Rotoren nötig. In den vergangenen Jahren wurden jedoch zu wenige errichtet.

Das hat mehrere Gründe: die Veränderung der finanziellen Förderung durch die Regierung, langwierige Genehmigungsverfahren, aber auch zahlreiche juristische Klagen von An­woh­ne­r:in­nen und Umweltverbänden wegen des Artenschutzes. Argument: Die Blätter der Turbinen würden Adler, Falken, Störche und Milane erschlagen.

Rainer Baake, Chef der Stiftung Klimaneutralität, will den Konflikt zwischen Windenergie und Vogelschutz nun mit einer gesetzlichen Präzisierung entschärfen. Um Nistplätze gefährdeter Vogelarten wie Schreiadler, Seeadler oder Rotmilan zu ermöglichen, sollen „innere Schutzabstände“ definiert werden, innerhalb derer keine Windräder gebaut werden dürfen. Beim Schreiadler betrüge der Radius um das Nest beispielsweise 2.500 Meter, beim Rotmilan 500 Meter.

Hindernisse bleiben

Außerdem gäbe es einen „äußeren Schutzabstand“ von 6.000 Metern (Schreiadler) oder 900 Metern (Rotmilan), innerhalb dessen Rotoren stehen dürfen, wenn Maßnahmen ergriffen werden, um Vogelkollisionen zu vermeiden. Eine solche verbindliche und bundeseinheitliche Regelung könne die Rechtslage vereinfachen, sagte Baake, der früher als Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium arbeitete.

Naturschutzexperte Magnus Wessel vom Umweltverband BUND hält den „Ansatz für richtig“. Weitere Hindernisse blieben aber bestehen. Wessel forderte eine bundesweite Planung, auf welchen Flächen in den Bundesländern welche Strommengen produziert werden sollten.

Der Gesetzesvorschlag der Stiftung dürfte in dieser Legislaturperiode kein Chancen mehr haben. Ab Herbst kann sich die nächste Bundesregierung darum kümmern.

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16 Kommentare

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  • Der Konflikt zwischen Vogelschutz und Windenergie hat längst eine Lösung, nämlich langsam laufende moderne Windrotoren mit 8-10 Masten und weissen Segeln, die von den Vögeln als Scheibe wahrgenommen werden und sie können ausweichen. Ausserdem sind sie leiser und verschönern die Landschaft, statt sie zu verschandeln. Die Industrie der Dreiarmigen für Grosswindparks verhindert bisher jedoch die Produktion.

  • Es wird keine sinnvolle Energiewende geben, solange auch die Alternativenergien von den selben oder gleichartig orientierten Konzernen erzeugt und vermarktet werden, die es zuvor bei den fossilen Energien verbockt haben.

    Die jetzige Standortwahl für WEA ist keinesfalls sozial- oder umweltverträglich, sondern es geht allein darum, wo Aufstellorte am billigsten zu haben sind. Die Zeiten, als die Bauern sich lukrative Windräder auf die Äcker stellten, sind lange vorbei. Heute sind es Wälder, Heideflächen und selbst für Feuchtgebiete in tiefer Lage zaubern die Investorenkonsortien Gutachten aus dem Hut, die keinen anderen lokalen Standort zulassen. Da werden Naturschutzgebiete geopfert, da werden riesige Flächen gerodet, autobahnbreite Trassen für LKW in die Natur gebaut und das ganze in der Werbung mit vielen "wir" und "uns" verbrämt.

    Die Begeisterung über die jetzt möglich scheinende Energiewende hat offenbar bei manchen Leuten einen derart emotionalen Furor ausgelöst, dass übersehen oder ausgeblendet wird, dass es auch hier nicht ohne sorgfältige und behutsame Planung geht.

    Naturschutzorganisationen wie NABU, BUND etc. stehen den erneuerbaren Energien ja nicht ablehnend gegenüber, aber sie beschäftigen sich schon seit vielen Jahren mit deren Begleiterscheinungen und wissen, worauf zu achten ist.

    Es geht dabei nur am Rande um das Zählen von toten Vögeln unter den WEA (lächerlich, was hier von manchen Kommentatoren geschrieben wird...).

    Wir brauchen keine abstrakten Klimaziele und CO2-Rechenspiele, wenn dabei der Artenschutz hops geht und unsere letzten verbliebenen Naturflächen für eine falsch umgesetzte Energiewende zerstört werden.

    • @Khaled Chaabouté:

      Das mit den toten Vögeln halte ich schlichtweg für Bashing bzw. eine Ablenkungsdebatte. Natürlich gibt es schlechtere und bessere Aufstell-Orte für Windräder. Selbst wenn da Vögel erschlagen werden: Was soll denn die Alternative sein? Vögeln und anderen Lebewesen ihren Lebensraum wegbaggern für den Kohle-Tagebau?

  • Machen wir uns nichts vor. Wir müssen einen weiteren Teil der Natur ausräumen und opfern, um unseren Wohlstand zu sichern und um weiter zu wachsen.



    Die Frage ist, wann der Wohlstand beginnt zu kippen, weil die Systemgrenzen überschritten werden.

    Rainer Baake kümmert das wenig, denn als knallharter Lobbyist der Windkraftindustrie weiß er, wie er für sich seinen privaten Wohlstand sichert.

  • Habe mich in den letzten Jahren zu verschiedenen Jahreszeiten in MeckPom genau um dieses Thema bemüht. Nicht im Auftrag einer Redaktion, nicht auf die Bitte einer Umweltorganisation und nicht im Auftrag eines Energiekonzerns, sondern aus Neugierde. Persönlicher Neugierde. Mein Augenmerk war auf Vogelkadaver bzw. deren Reste im Umfeld von Windgeneratoren gerichtet. Mein Resultat: Keine Vogelkadaver bei den Windrädern, aber Vogelkadaver an den Autobahnen.

  • 0G
    02854 (Profil gelöscht)

    Habe ich das richtig gelesen? Die Menge an Windrädern muss verdreifacht werden? Wahnsinn!

  • Starre Regeln können am Ende auch kontraproduktiv werden; Nistplätze, Zugkorridore und Jagdgebiete verändern sich (bzw. sollten die Möglichkeit zur Veränderung haben). Es hilft am Ende nichts; wir können uns entscheiden, großzügig auch Räume frei zu lassen oder wir opfern einen Teil unserer Fauna. Die erste Möglichkeit setzt voraus, dass wir viel besser planen und zu den Auswirkungen forschen. Die derzeitigen Kenntnisse reichen oft nicht aus.

  • "Argument: Die Blätter der Turbinen würden Adler, Falken, Störche und Milane erschlagen."



    Wieso "würden"? Sie tun es! Bitte einfach mal zu einem Windrad wandern und die toten Vögel bewundern.....



    Schutzzonen bewirken nur die Vertreibung oder Tötung der Vögel durch Personen, die wirtschaftliche Interessen an der Windanlage haben.

    • @PS007:

      "und die toten Vögel bewundern....."

      Ich halte das für ziemlich frei erfunden. M.W. gibt es keine einzige seriöse, d.h. belastbare Zählung, sondern nur einzelne Funde und eine Pi x Daumen Hochrechnung auf eine aus der Luft gegriffene Bodenfläche. Dabei wird dann noch argumentiert, fehlende Funde kämen durch Aasfresser.

      Ausserdem muss man das Gesamtsystem betrachten, in dem der Klimawandel eine deutlich grössere Gefahr für das gesamte Tierreich darstellt.

    • 0G
      05867 (Profil gelöscht)
      @PS007:

      Bei uns stehen 6 Mühlen. Darunter habe ich noch nie einen toten Vogel gefunden.



      Unser Dorfstorch lebt übrigens auch noch.



      Im Vergleich zu dem Overkill, der seit Jahrzehnten durch unsere örtlichen Landwirte ausgeübt wird, halte ich das Problem für vergleichsweise harmlos.



      Der Klimawandel benötigt viele Wkas überall. Aber zum Glück auch eine deutlich weniger toxische Landwirtschaft. Damit ist den Vögeln mehr geholfen, als die 200 fremdfinanzierten Klagen des Nabu.

      • @05867 (Profil gelöscht):

        Massenhaft Vögel sind es nicht, hin und wieder mal ein zerteilter Großvogel, den man findet (Silbermöwe, Mäusbussard, Rotmilan, Brachvogel...) Das sind meine Erfahrungen.



        Ich stimme Ihnen in Ihrer EInschätzung zur Landwirtschaft voll und ganz zu, nur ist das ein anderes Ressort, das von der Agrarindustrie politisch bestimmt wird.

  • Die Zukunft der Windenergie in DE liegt vor allem auch in der Nordsee. Dort werden keine Anlagen im 6 km Abstand aufgebaut, sondern eng, dicht an dicht. Dadurch gehen u.a. wertvolle Rastflächen für Vögel verloren

    www.nul-online.de/...mTUlEPTgyMDMw.html

    Naturschutzexperte Magnus Wessel vom Umweltverband BUND mag onshore den „Ansatz für richtig“ halten, hätte aber wesentlich deutlichere Worte für die Windkraftanlagen offshore haben müssen.

  • "würden"

    Wieso wird der Einfluss von Windkraftanlagen im Konditional beschrieben?



    Das dieser negativ besteht ist doch nun schon eine Ewigkeit wissenschaftlich bewiesen!

    • @Rudolf Fissner:

      Entscheidend ist doch, was die Wissenschaft neben dem qualitativen Nachweis der Existenz von negativen Effekten auch an verlässlichen Aussagen zum qualitativen, negativen Effekt von Windkraftanlagen bringt. Mit anderen Worten: WIE schädlich sind die WKAs tatsächlich? Und wie sehr sind sie das gegenüber anderen Alternativen (AKWs und andere konv. Kraftwerke heizen bspw. Flüsse auf, haben Kühlprobleme in Wasserfarben Sommern)?



      Im übrigen ist durch die Wissenschaft auch schon "eine Ewigkeit bewiesen", dass der Kraftfahrzeugverkehr negative Auswirkungen hat (Lärm, Abgase, Verkehrstote, Ressourcenverbrauch).

      • @Alfonso el Sabio:

        Sie können doch nicht die seit schon "eine Ewigkeit bewiesen" negative Auswirkungen des Kraftfahrzeugverkehrs gegen die ebenfalls seit schon "eine Ewigkeit bewiesen" negativen Auswirkungen der Energiewende gegeneinander ausspielen!

        15% der Ackerfläche werden bereits mit Energie pflanzen, insb. Maismonokulturen bebaut mit entsprechenden negativen Auswirkungen auf die Artenvielfalt!

        Beide Faktoren addieren sich. Die Energiewende beschleunigt das Artensterben.

        Man will mit der Energiewende nicht "die Welt retten", das Artensterben aufhalten, man will nur weiterhin einen Autositz unterm Arsch haben und in viel zu großen Wohnungen fein weiter leben.

  • komisch, dass solche Argumente kaum zu hören waren als es um die grüne Wende ging