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Bidens Erhöhung der Asyl-ObergrenzeBedrohung kennt keine Grenzen

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Wenn Biden will, dass die USA wieder das Land sind, das als sicherer Hafen für die Bedrohten der Welt gilt, dann darf es gar keine Obergrenze geben.

Migranten aus Haiti warten an der mexikanischen Grenze darauf, Asyl in den USA beantragen zu dürfen Foto: Jair Cabrera Torres/dpa

E s gibt ein paar Politikfelder, bei denen US-Präsident Joe Biden politisch wenig gewinnen, aber sehr viel verlieren kann. Der Umgang mit Geflüchteten aus Zentralamerika, die an der US-mexikanischen Grenze Zutritt begehren, ist so eines.

Im Wahlkampf hatte Biden angekündigt, die unter seinem Vorgänger Donald Trump so niedrig wie nie angesetzte Obergrenze von maximal 15.000 Asylzusagen im Jahr schon in seinen ersten zwölf Amtsmonaten auf 125.000 auszuweiten. Und schon in den ersten Amtstagen setzte er eine ganze Reihe von Trump-Dekreten außer Kraft, die unter anderem zu der berüchtigten Trennung von Eltern und Kindern geführt hatte.

Das brachte ihm ein wenig Applaus von migrantischen und Geflüchtetenorganisationen, aber viel Kritik von rechts. Trump hatte stets gewarnt, die De­mo­kra­t*in­nen wollten „die Grenzen öffnen“ – in dieser Tonlage ließ sich nun einfach weiter argumentieren. Und Biden hat ja mehr vor: Er will derjenige Präsident sein, der es endlich schafft, den rund 11 Millionen „Papierlosen“ in den USA einen Weg in die Legalität zu ebnen.

Dafür wird er vermutlich Hilfe einiger Re­pu­bli­ka­ne­r*in­nen im Senat brauchen. Die aber ist nicht zu bekommen, wenn gleichzeitig immer mehr Zen­tral­ame­ri­ka­ne­r*in­nen unter großer Medienaufmerksamkeit an der Südgrenze ankommen. Also versuchte Biden zunächst, Härte zu zeigen, rückte noch Mitte April von seinem Ziel der 125.000 Asylgenehmigungen ab und ließ Trumps Zahl von 15.000 in Kraft. Ergebnis: Aufregung auf der Linken, Rücknahme nach nur knapp über zwei Wochen, Kompromisslösung 62.500.

Dass es bei alledem um Menschen geht, die tatsächlich vor Gewalt und Hunger fliehen auf der Suche nach Sicherheit, spielt offensichtlich keine Rolle mehr. Wenn Biden wirklich will, dass die USA wieder das Land sind, das als sicherer Hafen für die Bedrohten dieser Welt gilt, dann darf es gar keine Obergrenze geben. Die gibt es bei der Verfolgung von Menschen schließlich auch nicht.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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11 Kommentare

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  • Anders als Deutschland schieben die USA Flüchtlinge aber fast nie ab - weil diejenigen, die reingelassen werden, das Asylverfahren quasi VOR dem Betreten des Landes durchlaufen und sie vor Ort ausgewählt und geprüft werden. Kanada verfährt übrigens sehr ähnlich.

  • man stelle die Zahlen in Relation: Die USA haben in etwa viermal so viel Einwohner wie Deutschland. 2015 hat Deutschland über 800.000 Flüchtlinge aufgenommen, selbst 2021 werden es noch weit über 150.000 werden. Da mutet die Diskussion über 62.500 - umgerechnet auf Deutschland wären das dann etwas mehr als 15.000 Menschen im Jahr - schon etwas lächerlich an

    • @Sedesmaterie:

      Das ist so nicht vergleichbar, wie unten schon geschrieben gibt es legale Wege in die USA einzuwandern und das ist der Löwenanteil mit jährlich mehr als einer Million Menschen.



      Die Flüchtlinge kommen on Top und da ist es schon ein deutlicher Wechsel der Politik der letzten Jahre unter Trump.

  • Dies Forderung des Autoren Pickert bedeutet doch in letzter Konsequenz: Jeder Erdenbürger hat das Recht zur Immigration in die USA. Also muss (!) man irgendwo einen Kompromiss finden. Der sieht eben bei verschiedenen Nationen und besonders bei verschiedenen Politikern verschieden aus. Man denke an das europäische Beispiel Kaczynski und Orban!

  • Immerhin hat die USA eine Strategie zur Einwanderung und einen legalen Weg.

    Wir in der EU lassen Flüchtlinge in Lagern unter menschenunwürdigen Bedingungen verrotten, verprügeln Asylsuchende bei illegalen pushbacks oder lassen sie gleich auf der Flucht nach Europa ertrinken.

    In der Vergangenheit sind zig Millionen Menschen aus Europa in die ganze Welt ausgewandert. Meist aus wirtschaftlichen Gründen, oft genug aber auch aus politischen Gründen oder Flucht vor Krieg.

    Was das betrifft vergessen wir gerne was die Welt für uns getan hat. Wir sollten Dankbar sein und für flüchtende Menschen Lösungen entwickeln.

    • @Moonlight:

      Das nennen Sie Strategie? Würfeln wieviele wir reinlassen, und vor den Grenzen passiert gar nichts. Also da ist selbst das inhumane europäische Modell für ein paar Einzelne noch etwas ertragbarer.

      Auch im falle der USA, werden Menschen die die Flucht nach USA versuchen, mit Gewalt zurückgedrängt oder im Golf von Mexiko einfach nicht aufgegriffen bei Seenot. Also viel anderes was die Amerikaner machen sehe ich da nicht. Nur das sie sich nicht drum kümmern, was in den Anrainerstaaten passiert. Ausser das sie versuchen mit geld, die Mexikaner und andere Mittelamerikaner dazu drängen die Flüchtlinge "aufzuhalten"...z.T. um den Preis koste es was es wolle!

      • @Daniel Drogan:

        In die USA wandern legal seit Jahren konstant mehr als eine Million Menschen pro Jahr ein.

        Ja das nenne ich eine Strategie!

        Da gibt es einfach nichts vergleichbares hier.

        Gruß vom Mondlicht

  • 1G
    14390 (Profil gelöscht)

    „Dass es bei alledem um Menschen geht, die tatsächlich vor Gewalt und Hunger fliehen auf der Suche nach Sicherheit, spielt offensichtlich keine Rolle mehr.“

    Um diese Menschen geht es auch, aber eben nicht nur. In mindestens gleicher Weise geht es um die Menschen, die diese Flüchtlinge aufnehmen und zumindest auf Zeit finanziell alimentieren sollen/müssen. Es muß endlich klar werden, daß Hilfsbereitschaft und Solidarität nur erbeten, nicht aber eingefordert werden können.



    Genau an diesem Punkt ist die Regierung der Bundesrepublik Deutschland 2015 gescheitert: Angela Merkel hat es damals mit ihrem berühmten, mittlerweile leider berüchtigten Satz „Wir schaffen das!“ versäumt, der deutsche Bevölkerung eindeutig zu sagen, was „geschafft“ werden sollte, und die deutsche Bevölkerung zu fragen, ob sie „das“ überhaupt schaffen wollte. Ein kommunikatives Versäumnis mit langfristig verheerenden Folgen für die politische Landschaft der Bundesrepublik Deutschland.

    • @14390 (Profil gelöscht):

      "In mindestens gleicher Weise"....What? also weil es Flüchtlinge gibt, muss man jene die Mitverantwortliche sind auch noch mehr unterstützen?

      sie wären doch einer der ersten die sich aufregen würden, müssten sie für Nahrung, IT-Produkte, Luxusartikel, dass bezahlen was sie eigentlich kosten würden.



      Sie sind doch froh das Menschen für nur 1-2$ im Monat arbeiten damit Sie ihre Wünsche kostengünstig befriedigt bekommen.

      Komplett ausblenden woher unser Produkte kommen, ist zwar eine Möglichkeit, aber die menschenverachtendeste aller!

    • @14390 (Profil gelöscht):

      Was Frau Merkel 2015 gemacht hat, ist die wohl einzige jemals erfolgte Handlung dieser CDU die das C wie Christlich rechtfertigt. Ansonsten ist das eine zutiefst unchristliche Partei. Von der CSU ganz zu schweigen. Wir in den Industrienationen, tragen viel Verantwortung als Mitverursacher von Hunger, Kriege und Elend in vielen Ländern. Wir bereichern uns auf Kosten der dritten Welt. Angenommen, wir würden für Rohstoffe aus den Land X, z.B. irgendwo Afrika gelegen, einen fairen Preis bezahlen. Dann wäre unser Wohlstand etwas geringer und es gäbe einige Milliardäre weniger, auf der anderen Seite aber hätten die Bewohner von X mehr finanzielle Ressourcen um ihr Land aufzubauen und ein lebenswertes Leben zu führen. Und diese Menschen müssten nicht aus lauter Verzweiflung ihre Heimat verlassen. Wie die Bremer Stadtmusikanten " ... etwas besseres als den Tod findest du überall ."

      • @chinamen:

        Danke schön für diesen Kommentar.



        Scheinbar haben immer noch nicht viele kapiert, woher unser Luxus, Wohlstand stammt. Und glaubt wenn er seine IT-Produkte hier kauft, das die irgendwie zwar in China produziert werden ,aber nicht wieviele Menschen darunter leiden müssen, vom Kind bis Erwachsenen, von Asien bis Mittel-/Südamerika, Stichwort, seltene Erde, Silizium, Lithium und Co. Das sollte viel mehr in unserer Medienbericht-Erstattung anklang finden. Dann würde zumindest jene Menschen die noch nicht völlig abgestumpft sind und etwas Herz haben, zwei, dreimal nachdenken ob sie den dritten Tesla, oder das 5.Handy brauchen...