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Gescheiterte Zypern-GesprächeDer eingefrorene Konflikt

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Die Vereinten Nationen bemühen sich um immer wieder um Vermittlung. Aber längst sind auf Zypern zwei parallele Gesellschaften entstanden.

Wieder keine Einigung – so flattern die Flaggen Zyperns getrennt weiter Foto: ap

W enn Verhandlungen um eine Lösung des Zypern-Konflikts scheitern, ist das keine Nachricht, sondern eine Selbstverständlichkeit. Letzte Woche war es wieder einmal so weit, wobei es genauer gesagt nur um Gespräche ging, die ausloten sollten, ob man überhaupt in Verhandlungen treten sollte. Seit fast 47 Jahren ist Zypern geteilt. Seit mehr als 50 Jahren streiten sich Insel-Griechen und -Türken ebenso wie ihre „Mutterländer“ Griechenland und die Türkei um den politischen Status der Mittelmeerinsel. Der eingefrorene Konflikt ist zum Dauerzustand geworden, in dem beide Seiten glauben sich bequem eingerichtet zu haben. Nichts spricht dafür, dass sich das auf absehbare Zeit ändern wird.

Denn jede Seite beharrt auf ihren nationalen Erzählungen als Opfer der jeweils anderen. Jede weiß ihr „Mutterland“ hinter sich. Und jede Seite hat viel zu verlieren: Die Insel-Griechen Wohlstand und die nationale Alleinvertretung in einem EU-Mitgliedsstaat, die Türkei ihren Anspruch als militärische Mittelmacht. Nun ist es nicht so, dass der Streit über die Jahrzehnte stehen geblieben wäre.

Es gab historische Momente, als beide Seiten nur Millimeter an einer Einigung vorbeischrammten, etwa 2004, als die zyperngriechische Seite eine Lösung in letzter Sekunde torpedierte. Seitdem aber verhärtet sich die Situation wieder, auch aufgrund des Einflusses der Türkei, die von einer bundesstaatlichen Zukunft Zyperns nichts mehr wissen will, sondern zwei getrennte Länder anstrebt – allen UN-Resolutionen zum Trotz.

Die Bemühungen der Vereinten Nationen um eine Konfliktlösung werden weitergeführt werden. Aber längst sind auf Zypern zwei parallele Gesellschaften entstanden, die wenig miteinander gemein haben. Wer jünger als 50 Jahre alt ist, kennt nichts anderes als zwei strikt getrennt voneinander lebende Gruppen. Pragmatiker mögen deshalb argumentieren, man möge diese Realität auch politisch anerkennen und den Status quo festschreiben. Das wäre ein Sieg nationalistischen Denkens über die Vorstellung gemeinsamen solidarischen Verhaltens. Und es wäre das Eingeständnis, dass Vernunft auf Zypern keine Chance hat.

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taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
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5 Kommentare

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  • Wer beide Teile Zyperns besucht hat kam sich vor wie 'Eiserner Vorhang' reloaded. So ist die Hauptstadt Nikosia wie einst Berlin durch Stacheldraht, Bewaffnete und Niemandsland geteilt. Im türkischen Teil menschenleere Dörfer, oder das verweiste Hotelviertel bei Famagusta. Ein entscheidender Grund für das Scheitern jeder Verhandlungen ist und war aber die Situation auf der Insel selbst. Nach der Vertreibung der jeweiligen Volksgruppen aus ihren Wohngebieten, scheiterten sie auch und vor allem daran, das weder die zyprischen Griechen noch die Türken die okkupierten Dörfer und Häuser zurückgeben wollen, oder bereit sind, den einstigen Besitzern Entschädigungen zu zahlen. Pikantes Detail, es gab Zeiten, da haben sich türkische Zyprioten klammheimlich die Staatsangehörigkeit der griechsichen Republik besorgt - konnte man doch so ohne Visum in Europa reisen. Alles wird so bleiben, wie es ist - den niemand will abgeben - nur gewinnen.... Und man versuche mal mit griechischen Zyprioten über den faschistischen Putsch gegen Makarios 1974 zu reden.... oder mit türkischen über Erdoghan.....

    • @Philippe Ressing:

      Wenn sie so wollen oder Status-quo bis jetzt ohne weiteren Krieg geklappt hat, warum müssen wir sie forcieren ein gemeinsames(!) Land zu machen?

      Anscheinend gab es schon viele Massakern durch EOKA, später als fassistische Putschisten EOKA-B, von 1959 bis 1974.

      Der Vergleich mit Berlin ist m.M. auch nicht das selbe.



      Das ist was ich vorher gemeint habe, wir schauen viele Fälle an der Welt komplett von unserem Perspektiv und schließen falsche Vergleiche.



      Auf beide Seiten in Berlin war gleiche Volksgruppe, Deutschen.



      Hier ist Griechisch und Türkisch.



      Mehr Unterschiedliche Völkergruppe.

  • Am besten eine sehr breite und sehr hohe Mauer zwischen den beiden Teilen. Mindestens 50 Meter hoch. Mit Minen und Stacheldraht auf beiden Seiten und Selbstschussanlagen. Dann sieht man die anderen nicht mehr. Dann haben alle ihre Ruhe. Das kann man dann die nächsten 50 Jahre so lassen und dan sehen, was passiert ist. Anscheinend haben die Inselbewohner ja auch kein Interesse daran, an der Situation etwas zu ändern. Sonst würden sie das tun.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Wie oft passiert, m.M. alle Perspektive solcher Konflikten sind uns nicht bekannt, bzw. nicht richtig "unparteiisch" bewertet.



      Besonders wenn eine Seite im Konflikt uns gebunden ist, in diesem Fall nämlich griechisische Teil durch EU.



      Die Politik für eigene Interesse ist verstehbar, aber am Ende kann es nicht richtig bzw.Faktengemäß sein.

      Ich hatte ein paar Dokumantarfilme über 1974 Konflikt geschaut.



      Die Rolle von der Militär-Diktatur damals in Athen und seine rassistische Verbündete (ich glaube hieß EOKA) auf dem Insel wurden in unserer offizielen Geschichtschreibung angeblich "vernachlässigt".

    • @Gnutellabrot Merz:

      Wenn alle sich einig sind, dass es so bleiben soll, wie es ist, brauchen Sie aber auch keine Mauer und keinen Stacheldraht mehr.