Parteitag der AfD: Temporärer Burgfrieden
Die AfD übertüncht ihre inneren Spaltungen ein wenig. Doch die Radikalen in der Partei haben auf dem Parteitag in zwei Punkten gewonnen.
E s ist ein klassischer Burgfrieden. Die AfD hat es geschafft, den ersten Tag ihres Bundesparteitags ohne einen neuen Eklat im Kampf um die Macht in der Partei über die Bühne zu bringen. Die Entscheidung über die Spitzenkandidat:innen wurde vertagt, der Antrag zur Abwahl von Parteichef Jörg Meuthen hat es gar nicht erst auf die Tagesordnung geschafft, obwohl viele ihn lieber heute als morgen los wären.
Doch alle Seiten waren bemüht, die tiefe Spaltung der Partei, die sich von der Spitze bis zur Basis zieht, zumindest etwas zu übertünchen. Denn internen Streit, das weiß man auch in der AfD, goutieren die Wähler:innen nicht.
Doch der Streit ist nur vertagt. Spätestens nach der Bundestagswahl, wenn Ende des Jahres der Parteivorstand neu gewählt wird, wird die Auseinandersetzung zwischen denen, die sich in der AfD für gemäßigt halten, und den Flügel-Anhänger:innen um den Kurs der Partei eskalieren. Wahrscheinlicher ist, dass sie schon im Kampf um die Spitzenkandidat:innen, die bis Ende Mai feststehen sollen, erneut aufbricht. Schließlich geht es auch dabei um die künftige Macht in der Partei. Vielleicht aber trägt der Burgfrieden nicht einmal den ganzen Sonntag, mehrere heikle Anträge warten noch auf der Tagesordnung.
Klar aber ist ohnehin: Die AfD ist – gegen den Willen eines Teils der Partei – auch auf diesem Parteitag wieder etwas radikaler geworden. Sie hat sich am Samstagabend erstmals ganz klar für den „Dexit“ ausgesprochen, ihr Ziel ist also der Austritt Deutschlands aus der EU. Parteichef Meuthen und Fraktionschef Alexander Gauland haben versucht, dies zu verhindern. Vor der Europawahl hat das noch funktioniert, jetzt sind sie gescheitert.
Sieg für Karsten Hilse
Auch die verabschiedete Coronaresolution spricht eine radikale Sprache. Ausgerechnet Karsten Hilse hat sie eingebracht, der Mann mit dem Querdenker-T-Shirt im Bundestag und dem Nahkampf mit der Polizei auf der Demo in Berlin; Rechtsextremist Björn Höcke hat sich für sie stark gemacht. Veröffentlichte Infektionszahlen sollen demnach nicht mehr ausschließlich auf Labordiagnostik beruhen, Tests nirgendwo verpflichtend sein und der Lockdown soll sofort beendet werden.
Mit beiden Punkten hat die AfD Alleinstellungsmerkmale in der deutschen Politik. Neue Anhänger:innen aber wird sie damit kaum gewinnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Trumps Personalentscheidungen
Kabinett ohne Erwachsene
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein