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Parteitag der AfDTemporärer Burgfrieden

Sabine am Orde
Kommentar von Sabine am Orde

Die AfD übertüncht ihre inneren Spaltungen ein wenig. Doch die Radikalen in der Partei haben auf dem Parteitag in zwei Punkten gewonnen.

Bleibt Co-Vorsitzender der AfD: Jörg Meuthen Foto: Kay Nietfeld / dpa

E s ist ein klassischer Burgfrieden. Die AfD hat es geschafft, den ersten Tag ihres Bundesparteitags ohne einen neuen Eklat im Kampf um die Macht in der Partei über die Bühne zu bringen. Die Entscheidung über die Spit­zen­kan­di­da­t:in­nen wurde vertagt, der Antrag zur Abwahl von Parteichef Jörg Meuthen hat es gar nicht erst auf die Tagesordnung geschafft, obwohl viele ihn lieber heute als morgen los wären.

Doch alle Seiten waren bemüht, die tiefe Spaltung der Partei, die sich von der Spitze bis zur Basis zieht, zumindest etwas zu übertünchen. Denn internen Streit, das weiß man auch in der AfD, goutieren die Wäh­le­r:in­nen nicht.

Doch der Streit ist nur vertagt. Spätestens nach der Bundestagswahl, wenn Ende des Jahres der Parteivorstand neu gewählt wird, wird die Auseinandersetzung zwischen denen, die sich in der AfD für gemäßigt halten, und den Flügel-Anhänger:innen um den Kurs der Partei eskalieren. Wahrscheinlicher ist, dass sie schon im Kampf um die Spitzenkandidat:innen, die bis Ende Mai feststehen sollen, erneut aufbricht. Schließlich geht es auch dabei um die künftige Macht in der Partei. Vielleicht aber trägt der Burgfrieden nicht einmal den ganzen Sonntag, mehrere heikle Anträge warten noch auf der Tagesordnung.

Klar aber ist ohnehin: Die AfD ist – gegen den Willen eines Teils der Partei – auch auf diesem Parteitag wieder etwas radikaler geworden. Sie hat sich am Samstagabend erstmals ganz klar für den „Dexit“ ausgesprochen, ihr Ziel ist also der Austritt Deutschlands aus der EU. Parteichef Meuthen und Fraktionschef Alexander Gauland haben versucht, dies zu verhindern. Vor der Europawahl hat das noch funktioniert, jetzt sind sie gescheitert.

Sieg für Karsten Hilse

Auch die verabschiedete Coronaresolution spricht eine radikale Sprache. Ausgerechnet Karsten Hilse hat sie eingebracht, der Mann mit dem Querdenker-T-Shirt im Bundestag und dem Nahkampf mit der Polizei auf der Demo in Berlin; Rechtsextremist Björn Höcke hat sich für sie stark gemacht. Veröffentlichte Infektionszahlen sollen demnach nicht mehr ausschließlich auf Labordiagnostik beruhen, Tests nirgendwo verpflichtend sein und der Lockdown soll sofort beendet werden.

Mit beiden Punkten hat die AfD Alleinstellungsmerkmale in der deutschen Politik. Neue An­hän­ge­r:in­nen aber wird sie damit kaum gewinnen.

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Sabine am Orde
Innenpolitik
Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.
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4 Kommentare

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  • Die AfD ist nur Symptom für einen in den letzten Jahren massiv um sich greifenden Neonationalismus. Der ist das Problem. Wie in der Zwischenkriegszeit suchen Menschen wieder das Heil in der eigenen Nation und vergessen, dass in Europa letztlich alle Nationalstaaten krachend gescheitert sind. Timothy Snyder hat dies in seinen Werken eigentlich ganz gut herausgearbeitet. Der Kontrapunkt zum Nationalismus ist der Universalismus, der aber zunehmend nicht nur von rechts, sondern auch von links unter Beschuss gerät. Was für ein Rückschritt.



    In Schlepptau des Neonationalismus wird auch wieder imperiale Träume wiederbelebt und diese gerade in der AfD. Etliche sind dort der festen Überzeugung, dass Deutschland nicht nur aus der EU austreten, sondern sich mit Russland, Putins Russland, verbünden müsse um es dem Rest der Welt, von dem man herzlich wenig wissen will, wieder einmal so richtig zu zeigen. Die Unfähigkeit der Distanz zum Putinregime macht aber nicht nur der AfD und der Linken zu schaffen, sondern findet sich mittlerweile in vielen Parteien wieder, leider. Fortschritt sieht anders aus.

  • Momentan läuft es doch gut für die AfD (was ich persönlich natürlich bedauere), trotz der Verluste in BaWü und RLP bei den zurückliegenden Landtagswahlen.



    Je länger es Meuthen schafft, den “Ball im Spiel” zu halten, sprich die AfD als eine irgendwie noch liberalkonservativ-bürgerliche Truppe zu verkaufen, die innerparteilichen Nazis einigermaßen still halten und die Partei unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung fliegen kann - weil beispielsweise aktuell die sich selbst zerlegende Linke im Fokus der Aufmerksamkeit steht und man von einer VS-Beobachtung auch nichts mehr hört - , desto entspannter kann man ich dort zurücklehnen und darauf warten, dass die Brandmauern gegen Rechts nach und nach geschliffen werden ... vielleicht schon bald in Sachsen-Anhalt mit Hilfe der Ost-CDU.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ""............................und der Lockdown soll sofort beendet werden.""



    ==



    Die Rechtsradikalpopulisten, versteckt als Schiefdenker, Pre-Faschisten & Neo - Nationalsozialisten haben doch nur Angst davor das besorgte Bürger eine Volksabstimmung zum Verbot der NS-afd anstrengen.

    Die höchste Covid 19 Sterberate ist in den Bundesländern zu finden in denen der rechtsradikalpopulistische Virus am stärksten verbreitet ist. Die Bolsonaro Politik bezogen auf die Covid Vernichtungsstrategie der afd treibt vor allem die älteren auf die Intensivestationen.

    Die Überlebensrate - einmal dort angekommen, ist nicht besonders hoch. Die Rechtsradikalpopulisten sind wohl an dem Punkt angelangt an dem sie mit dem Kopf gegen die Wand schlagen um Wählerstimmen zu generieren. Besonders erfolgreich scheint mir diese Strategie nicht zu sein.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Keine Sorge - in 2 Jahren gibt`s die AfD nicht mehr.