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Akademie für neue AgrogentechnikGentech-Kritiker gegen Leopoldina

Die Akademie lasse in einem industriefreundlichen Paper kritische Studien weg, sagen ForscherInnen. Die EU müsse alle Gentechnik-Pflanzen prüfen.

Solcher Mais könnte dank neuer Gentechnik besser mit Trockenheit klarkommen. Leere Versprechen? Foto: Chromorange/imago

Berlin taz | Führende Forschungsorganisationen ignorieren bei ihrer Unterstützung für die neue Agrogentechnik einer Studie zufolge Hunderte Publikationen, die auf potenzielle Probleme hinweisen. Eine Stellungnahme unter anderem der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina lasse „mindestens 200 hochrelevante“ Untersuchungen außer Acht, schreiben die 16 AutorInnen um die Biologin Angelika Hilbeck, die von den Grünen im Europaparlament beauftragt wurde.

Die Publikationen „belegen die negativen Auswirkungen der bestehenden Gentechnik auf Umwelt und Gesundheit und geben wichtige Hinweise auf die möglichen negativen Folgen neuerer gentechnischer Verfahren“. Die EU solle ihre Vorschriften verschärfen, heißt es.

Die Leopoldina dagegen verlangt, Gentech-Pflanzen ohne spezielle Sicherheitsprüfung zuzulassen und nicht mehr zu kennzeichnen, wenn „keine artfremde genetische Information ins Genom eingeführt ist“ oder die Genkombination sich theoretisch auch auf natürliche Weise oder mittels konventioneller Züchtung ergeben könnte. Solche Pflanzen lassen sich zum Beispiel mit der Methode Crispr/Cas entwickeln, die Erbgut genauer verändern kann als ältere Gentech-Verfahren. Zu dieser Frage wird die EU-Kommission wahrscheinlich am Freitag eine Studie veröffentlichen, die die Debatte über neue Gesetze befeuern könnte.

Gerade wegen der Kennzeichnungspflicht werden in der Europäischen Union derzeit kaum Lebensmittel aus gentechnisch veränderten Pflanzen angeboten. Die meisten VerbraucherInnen lehnen solche Nahrungsmittel ab. Deshalb bauen LandwirtInnen in der EU auch nur wenig Mais an, der dank Gentechnik ein Gift gegen Schädlinge produziert.

Hilbeck und ihre KollegInnen weisen in der Studie vor allem das Argument der Leopoldina zurück, dass die neue Gentechnik dazu beitragen könne, den Hunger auf der Welt zu bekämpfen und Pflanzen an den Klimawandel oder Krankheiten anzupassen. Die Akademie nannte über 100 Pflanzen der neuen Gentechnik wie Mais, der besser mit Trockenheit klarkomme. „Diese Pflanzen befinden sich jedoch in frühen, explorativen Forschungsstadien“, so die KritikerInnen. Selbst in den USA, die ein vergleichsweise laxes Zulassungsverfahren haben, seien bisher nur zwei Pflanzen der neuen Gentechnik auf dem Markt, obwohl Crispr/Cas bereits 2012 entwickelt wurde. Bei einer handele es sich um einen Pestizid-toleranten Raps.

Molekularbiologe weist Vorwürfe zurück

Es seien keine Ertragssteigerungen aufgrund der Gentechnik nachgewiesen worden. Überhaupt würden Hungersnöte eher beispielsweise durch Gewalt und Armut als durch zu geringe Ernteerträge verursacht. Die AutorInnen argumentieren ebenfalls, dass die Technik eine umweltschädliche Landwirtschaft etwa mit Monokulturen erleichtere. Zudem sei die neue Gentechnik anders als traditionelle Züchtungsmethoden, da sie auch Regionen des Genoms verändert, die normalerweise vor Mutationen geschützt sind. Unbeabsichtigte Effekte seien dokumentiert.

Die Leopoldina-Stellungnahme spiegele „keinen wissenschaftlichen Konsens“ wider, so die ForscherInnen. Hilbeck räumte auf taz-Nachfrage ein, dass nur wenige WissenschaftlerInnen die Agrogentechnik kritisierten. Das liege aber vor allem daran, dass die BefürworterInnen der Methoden größere Finanzressourcen hätten als die GegnerInnen.

Holger Puchta, Co-Autor der Leopoldina-Studie, wies den Vorwurf zurück, sein Team habe wissenschaftliche Belege „vorsätzlich nicht berücksichtigt“. „Ganz im Gegenteil, wir haben uns natürlich auf Studien beschränkt, über deren Seriosität bei der ganz großen Mehrheit der Forschenden weltweit Einigkeit herrscht“, schrieb der Molekularbiologe der taz.

Anmerkung der Redaktion: Wir haben korrigiert, dass der in der EU angebaute gentechnisch veränderte Mais nicht Behandlungen mit Unkrautvernichtungsmitteln überlebt, sondern ein Gift gegen Schädlinge produziert.

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8 Kommentare

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  • "... schreiben die 16 AutorInnen um die Biologin Angelika Hilbeck, die von den Grünen im Europaparlament beauftragt wurde."

    Wissenschaft im Auftrag der Politik? Geht gar nicht.

  • In Zeiten von Klimawandel und einer rasanten globalen Bevölkerungsentwicklung sind wir dringend auf neue Gentechnik angewiesen. Ich weiß auch nicht warum Genscheren wie Crispr/cas "böse" sind und die künstliche Mutagenese, herbeigeführt u.a. mittels radioaktiver Strahlung als gut empfunden wird. Deren Produkte werden sogar in der Bio-Landwirtschaft genutzt. Geht es ausschließlich um Ideologie?

    • @Bernhard Hellweg:

      Nein, es geht um eine Risikoabwägung.



      Das c/c-verfahren erlaubt vielfältige und weitreichende Eingriffe, die eben nicht auf natürliche Weise so verkommen müssen.



      So sind auch sehr viel intensivere Eingriffe möglich als anders.



      Deswegen ist das Schadenspotential bei übersehenen Nebenwirkungen sehr viel größer.



      Künstliche Mutationen müssen sich dagegen immer noch in Wachstum behaupten, die natürlichen Schutzmechanismen gegen Fehlmutationen sind nicht komplett ausgehebelt. Der Umfang ist geringer.



      Ansonsten sind die Methoden ja nicht verboten - sie müssen nur genehmigt und gekennzeichnet werden.



      Die Bevölkerung will die Produkte aber nicht kaufen. Hier wirkt der Markt ausnahmsweise mal.



      Und dann den Willen der Kunden zu umgehen, indem einfach nicht mehr gekennzeichnet wird, was diese vermeiden wollen, ist keine legitime Lösung.



      Hier richtet es der Markt. Da sollte man ihn auch lassen.



      Als zweites Thema werden Scheinargumente zurückgewiesen, die zur Rechtfertigung einer Technologie eingesetzt werden, deren einziger Zweck die Gewinnsteigerung ist.

    • @Bernhard Hellweg:

      Nun, den Einen geht es um Ideologie (ob das gut oder schlecht ist, hängt von der Ideologie ab), den Anderen um Geld. Viiiel Geld. Aber sicher nicht um die "Ärmsten". Sich auf die zu berufen ist entweder naiv oder zynisch. Wenn hier ein Hunger bekämpft werden soll, dann der nach Monopolen und Gewinnen.

      • @CarlaPhilippa:

        Volle Zustimmung!

        Zugang zu Land, Saatgut, (org.) Dünger zu bezahlbaren Preisen sind der Schlüssel, wie in vielen Publikationen immer wieder dargelegt.

        • @Heiner Petersen:

          Volle Zustimmung, aber was hat das mit Gentechnik zu tun? Es ist eher ein juristisches Problem

    • @Bernhard Hellweg:

      Hier finden sich viele Stimmen aus der Bio-Landwirtschaft, die an Timmermanns appellieren, Crisp/cas kritisch zu sehen: navdanyainternatio...-gm-crops-animals/

      • @gleicher als verschieden:

        Die Bio-Landwirtschaft nutzt schon immer die Gentechnologie, als künstliche Mutagenese, diese wird u.a. herbeigeführt mittels radioaktiver Bestrahlung. Was dann genau in der Pflanze passiert weiß kein Mensch. Und warum ist Crispr/cas böse und die künstliche Mutagenese gut?