Tansanias Staatschef gestorben: Der Präsident, der Corona leugnete
John Magufuli meinte, das Virus durch Gebete aus seinem Land fernhalten zu können. Nun ist der Staatschef von Tansania gestorben – wohl an Covid-19.
Tagelang schon wurde spekuliert, dass Magufuli an Covid-19 erkrankt sei, weil er seit mehr als zwei Wochen nicht mehr in der Öffentlichkeit zu sehen war. Normalerweise zeigte er sich fast täglich im Fernsehen oder irgendwo im Land bei Veranstaltungen. Regierungsvertreter in der Hauptstadt Dodoma erklärten ständig, dass der Präsident nicht krank sei, sondern zu Hause arbeite. Das behaupteten sie weiter bis kurz vor der offiziellen Mitteilung vom Mittwochabend, dass er am selben Tag gestorben sei.
Oppositionsführer Tundu Lissu hatte vorige Woche als erster gemeldet, dass der Präsident schwer krank mit Covid-19 im Krankenhaus lag. Lissu hatte keine Angst, das zu sagen, weil er nach umstrittenen Wahlen voriges Jahr im selbstauferlegten Exil in Belgien lebt. Im Oktober war Magufuli für eine zweite fünfjährige Amtszeit wiedergewählt worden, es gab Proteste und Festnahmen.
„Magufuli ist an Corona gestorben“, sagte Tundu Lissu nun in einem Interview, das am Mittwochabend aufgezeichnet und Donnerstagfrüh von einem kenianischen TV-Sender ausgestrahlt wurde. Er sei auch nicht erst an diesem Mittwoch gestorben, sondern am Mittwoch vor einer Woche. Das sei „immanente Gerechtigkeit“, so der Oppositionsführer: Magufuli habe sich „gegen die Wissenschaft“ und „gegen die Welt“ gestellt.
Der 61-jährige Magufuli hatte die Coronapandemie wiederholt heruntergespielt. Der Präsident, ein gläubiger Katholik, bestand darauf, dass nach Mai 2020, als in Tansania mit rund 60 Millionen Einwohnern 509 Infektionen festgestellt worden waren, das Virus im Land nicht mehr vorgekommen sei. „Gott hat Corona bezwungen“, sagte er. Trotz Anfragen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Tansania seitdem die Veröffentlichung von Statistiken eingestellt.
Auftritte ohne Maske
Maguful rief die Tansanier ständig auf, viel und oft zu beten, um Gott zu helfen, das Virus vom Land fernzuhalten. Er war äußerst religiös und jeden Sonntag in der Kirche zu sehen. Er hielt Mundschutz für überflüssig und ihm zufolge wuschen sich die Leute sowieso regelmäßig die Hände. Tansania hat auch keine Impfstoffe bestellt. Menschen im Gesundheitswesen wurde untersagt, das Virus zu benennen. Ärzte in Tansania bezeichnen Covid-19-Symptome ausnahmslos als Lungenentzündung oder Atemwegserkrankungen.
Zuletzt war das wahre Ausmaß der Pandemie in Tansania aber nicht mehr zu leugnen gewesen. Die katholische Kirche – der Magufuli angehörte – berichtete Anfang März, dass seit Jahresanfang mehr als 25 Priester, 60 Nonnen und einige Laien gestorben waren, nachdem sie Symptome von Covid gezeigt hatten. Die Kirchenleitung warnte daraufhin die Menschen, sie sollten Vorsichtsmaßnahmen treffen. Priester in Tansania berichten, dass sie mehr Beerdigungen durchführten als je zuvor.
Diese größere Offenheit gegenüber dem Virus kam, nachdem die Familie des Vizepräsidenten des autonomen Archipels Sansibar bekannt gegeben hatte, dass dieser an den Folgen von Covid-19 gestorben sei. Seif Sharif Hamad selbst hatte vor seinem Tod erklärt, er sei mit Coronasymptomen in ein Krankenhaus eingeliefert worden.
Kurz danach, Ende Februar, gab auch Magufuli erstmals vorsichtig zu, dass Tansania ein Coronaproblem hat. Das wurde auch bestätigt, als Finanzminister Philip Mpango während einer Pressekonferenz, auf der er seinen Gesundheitszustand zu verteidigen versuchte, hustete und sichtbar nach Luft schnappte. Er veröffentlichte nicht, woran er litt, aber widersprach den Gerüchten, dass er an Covid-19 erkrankt sei.
Mpango trug bei seinem Auftritt keine Maske und wurde von einem Arzt und einem Krankenhausdirektor flankiert – beide ebenfalls maskenlos. Wenige Tage nach dieser kuriosen Pressekonferenz verschwand auch Präsident Magufuli aus der Öffentlichkeit. Magufuli wird nun verfassungsgemäß durch Vizepräsidentin Samia Suluhu ersetzt, die auch am Mittwochabend seinen Tod bekanntgab.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Mögliche Neuwahlen in Deutschland
Nur Trump kann noch helfen
Nahost-Konflikt vor US-Wahl
„Netanjahu wartet ab“
VW in der Krise
Schlicht nicht wettbewerbsfähig
Anschläge auf „Programm-Schänke“
Unter Druck
Orbán und Schröder in Wien
Gäste zum Gruseln
Grundsatzpapier des FInanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik