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Atomenergie und KlimakatastropheKeine strahlende Zukunft

Zum Fukushima-Jubiläum heißt es wieder: Kann die Atomenergie das Klima retten? Die Zahlen sprechen dagegen. Die Politik scheut das Thema.

Alle Zahlen sprechen dagegen: das AKW hat fürs Klima keine Zukunft Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Für Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) sind es schlicht „Märchen“: Derzeit würden „kleine Reaktoren propagiert, die Atommüll fressen und ungefährlich sein sollen“, erklärte sie zum 10 Jahrestag der Nuklearkatastrophe von Fukushima am 11. März der Neuen Osnabrücker Zeitung. Aber auch diese Ideen lösten die alten Probleme der Atomkraft nicht, meinte Schulze – und auch nicht die Klima­krise. Das nämlich hatte die Zeitung gefragt: „Braucht es ein Atomkraft-Revival für den Klimaschutz?“

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Nein, ist die deutliche Antwort, und zwar aus vielen Richtungen: Zumindest für Deutschland und auch für den europäischen Strommarkt ist die Atomkraft keine Abkürzung auf dem Weg zum Klimaschutz. Zwar hatte Schulze in der vergangenen Woche 12 Forderungen vorgestellt, um „den Atomausstieg zu vollenden“, beispielsweise durch die Schließung der Atomfabriken in Lingen und Gronau, mehr Erneuerbare und den Kampf gegen längere Laufzeiten und Subventionen in der EU. Aber mit Bedacht erhebt die Ministerin diese Forderungen zum Ende ihrer Amtszeit und schiebt sie so an die nächste Bundesregierung weiter. Bisher waren diese Ideen mit der CDU/CSU nicht durchsetzbar.

Umso mehr gilt das für eine Rückkehr zum Atom für den Klimaschutz. Die Politik scheut das umstrittene Thema, Energiekonzerne winken ab, Behörden widerlegen mit neuen Gutachten die Träume von einer Renaissance der Nukleartechnik. Und ExpertInnen sprechen von einer „Geisterdebatte“.

Angestoßen hat die pünktlich zum Fukushima-Jahrestag ein neues Buch des US-Milliardärs und Microsoft-Gründers Bill Gates. In seinem Werk „Wie wir die Klimakatastrophe verhindern“ propagiert Gates neben vielen anderen konventionellen Ideen (Effizienz, neue Techniken, CO2-Preis) auch die „einzige CO2-freie Energiequelle, die zuverlässig und rund um die Uhr elektrischen Strom liefern kann“: Ein von seiner Firma Terrapower ausgedachter „Laufwellenreaktor“ (TWR) könne automatisch laufen, unterirdisch arbeiten und sogar mit Atommüll betrieben werden und habe „alle wichtigen Probleme gelöst“, schreibt Gates.

„Comeback einer gefährlichen Idee“

US-Präsident Joe Biden erklärte, das Land werde bei seinem Klimaplan auch diese Planungen für kleine modulare Reaktoren (SMR) betrachten. Die Internationale Energieagentur IAEA sieht die Nukleartechnik ohnehin als Retter in der Klimakrise. Medien wie die Zeit schreiben von einem „Comeback einer gefährlichen Idee“, der Spiegel warnte, der „Kampf gegen den Klimawandel macht die Nuklearenergie erneut attraktiv“. Und auch Teile der Umweltbewegung sind aufgeschreckt von einer möglichen Rückkehr der Kernspaltung.

Allerdings widerspricht der wichtigste Player: die Atomindustrie. „Eine Laufzeitverlängerung ist für uns keine Option“, sagte Guido Knott, Chef der PreussenElektra im Herbst 2020 dem Handelsblatt. „Wir akzeptieren diese politische Entscheidung, die von einer breiten Mehrheit getragen wurde“, erklärte der Chef der Eon-Tochter, die deren Atomkraftwerke betreibt und abwickelt.

Derzeit sei man voll mit dem Rückbau der Anlagen beschäftigt. Und einen Neubau von Atomkraftwerken in Deutschland verweisen auch die anderen Energiekonzerne ins Reich der Fantasie. Das sei nur machbar mit staatlichen Firmen oder mit massiver staatlicher Hilfe. In einem liberalisierten Energiemarkt wie in der EU seien neue AKWs die absolute Ausnahme.

Kosten und Risiken auf freien Märkten zu hoch

Für Mycle Schneider, den renommierten internationalen Atomexperten und Träger des alternativen Nobelpreises, kommen Meldungen über die Wiederauferstehung der Atomkraft „aus dem LaLa-Land der Desinformation“. Es gebe auch international keine Renaissance, sondern „einen organischen Ausstieg“, wenn die Reaktoren ihr Lebensalter erreichten. Denn die Kosten und Risiken auf freien Märkten seien zu hoch für Neubauten und Erneuerbare so viel günstiger geworden.

„In den letzten zehn Jahren sind 63 Reaktoren ans Netz gegangen, aber es wurden auch 59 abgeschaltet“, sagt Schneider, der mit seinem jährlichen „World Nuclear Industry Status Report“ die Branche seit Jahrzehnten im Blick hat. „56 der 63 neuen AKWs befinden sich oder stammen aus Ländern mit Atomwaffen, darunter allein 37 in China. Für den Bau von Atomkraftwerken gibt es geopolitische, strategische, militärische und sonstige Beweggründe, aber nicht den Klimaschutz“, so Schneider.

Solarstrom inzwischen günstig

Der lasse sich höchstens anführen, um Laufzeiten von AKWs zu verlängern. So hatte auch der CDU-Vorsitzende Armin Laschet argumentiert, eigentlich hätte aus Klimaschutzgründen der Kohleausstieg vor dem Atomausstieg kommen müssen. Allerdings hat ­Laschet als Ministerpräsident von NRW immer für die Kohle gekämpft. Und selbst wenn abgeschriebene AKWs billigen CO2-armen Strom produzieren, erinnert Schneider, seien manche Projekte wie Solarstrom in Portugal und Spanien inzwischen so günstig, dass sie sogar abgeschriebenen Atomanlagen Konkurrenz machten.

Mit der Idee für Reaktoren, die ein neues Konzept („Partitionierung und Transmutation“, P&T) haben oder klein sind (SMR), haben sich auch zwei Gutachten befasst, die in der vergangenen Woche das „Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung“ (BASE) präsentiert hat. Das vernichtende Fazit: „In absehbarer Zeit können möglicherweise zur Verfügung stehende Atom-Technologien weder die Altlasten der Atomenergie-Nutzung beseitigen noch die jetzt anstehenden Zukunftsfragen des Klimawandels beantworten“, sagte BASE-Präsident Wolfram König.

Gutachten warnt vor neuen Reaktortypen

Die Befürworter der P&T-Technik, zu der neben der AfD auch der CDU-Wirtschaftspolitiker Friedrich Merz gehören, hoffen darauf, dass neue Reaktortypen mit dem jetzigen Atommüll laufen könnten. Das aber sei unbewiesen, brauche eine Verlängerung der Atomkraftnutzung für Jahrzehnte, verzögere die Endlagerung und verringere selbst im besten Fall den hoch strahlenden Müll nur teilweise, warnt das Gutachten.

Auch bei der SMR-Technik gebe es große Fragezeichen, schreiben die Gutachter: Zwar falle an den einzelnen kleinen Standorten weniger Müll an. Aber das strahlende Material werde bei dezentralen Anlagen, die statt einem Gigawatt Leistung, wie bei großen AKWs, vielleicht nur 50 Megawatt für die Versorgung kleiner Städte lieferten, auch über viele Gegenden verteilt, es gebe Risiken beim Transport, bei der Entsorgung und beim Zugriff auf waffenfähige Stoffe. Vor allem „müssten weltweit tausend bis zehntausend dieser SMR-Anlagen gebaut werden“, um den jetzigen Strombedarf zu decken. Denn heute machen die weltweit etwa 440 Atommeiler nur gut 10 Prozent der weltweiten Stromproduktion aus.

Keine der Techniken ist schnell genug einsetzbar

Das deutlichste Argument gegen den Klimaretter Atomkraft aber ist die Dringlichkeit der Klimakrise. Denn keine der angeblichen Zukunftstechniken ist so weit entwickelt, dass sie im größeren Maßstab bald einsetzbar wäre. „Die beiden schwimmenden russischen Kleinreaktoren auf dem Schiff,Akademik Lomonossow' haben fast 13 Jahre Bauzeit gebraucht und die Kosten sind explodiert. Das ist kein Vorbild“, sagt Mycle Schneider. „Und in den USA rechnet das,NuScale'-Projekt, das einzige genehmigte neue Design, mit einem Prototyp für 2030.“

Aber genau dieses Jahrzehnt bis 2030 wird für den Klimaschutz entscheidend sein. Nach den Berechnungen des UN-Klimarats IPCC müssen in den nächsten zehn Jahren die weltweiten CO2-Emissionen etwa halbiert werden, damit die Welt ihre Chance wahrt, den Klimawandel bei 2 oder 1,5 Grad zu begrenzen. Um sofort mit den CO2-Reduktionen zu beginnen, kommen aber selbst im günstigsten Fall alle die neuen Nuklearideen mindestens ein Jahrzehnt zu spät.

Das gesteht auch Bill Gates ein. „Wir sind noch etliche Jahre entfernt von der Grundsteinlegung für ein TWR-Kraftwerk“, schreibt der Microsoft-Gründer in seinem Buch. Noch gebe es nicht einmal einen Prototypen für diese Energiequelle, die angeblich alle Probleme lösen soll. „Bis jetzt existiert die Terra-Power-Konstruktion nur in unseren Supercomputern.“

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9 Kommentare

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  • Was die derzeitige Atomindustrie kann haben wir hinreichend erlebt. Was die neuen Wundertechniken können, steht in den Sternen (wenn sie nicht einfach eine Neuauflage der Schnellen Brüter sind). Erneuerbare haben einen Vorteil: Sie funktionieren und sind verfügbar.

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Deutschland ist nicht aus der Atomenergie ausgestiegen sondern aus der Atomenergieproduktion, Atomenergie verweden wir weiterhin und werden wir weiterhin verwenden, sicherer sind wir dadurch auch nicht geworden dafür liegen wir zu zentral. Die Alternativen können Atom und Kohlestrom nicht ersetzen, man muss sich anschauen was von beidem weniger schädlich ist und das nutzen bis die Fusionsenergie da ist.

  • ist ein so rabiates energiesparen wie es notwendig wäre um ohne die atomenergie hinreichend schnell und gründlich aus dem fossilismus auszusteigen um eine gefährliche überhitzung des planeten zu vermeiden in einer demokratie deren bürger*innen an ein hohes wohlstandsniveau gewöhnt sind und armut nur noch als relative und als ungleichheit aber nicht mehr als absolute existenzbedrohende gefahr kennen politisch durchsetzbar ?nein



    ist es das in einer weltmarktabhängigen gegenüber dem kapital nur begrenzt oder gar nicht souveränen mit anderen darunter auch unsozialeren und unökologischeren weniger demokratischeren oder gar autoritären staaten im wettbewerb um arbeit kapital und technologisches know-how stehenden liberalen beziehungsweise neoliberalen und marktkonformen demokratie.



    die einzige realistische antwort auf diese frage ,die die widrigen bedingungen unter denen demokratien heute noch mehr oder weniger oder schon heute nicht mehr oder nicht mehr richtig funtionieren präzisiert - lautet a fortiori-nein

    wie schnell kann die solarindustrie expandieren-wenn sie die energie für ihre expansion selbst zur verfügung stellen muss.kann sie schnell genug expandieren um den immer weiter steigenden energiehunger zu stillen?

    wenn sie es nicht kann-gibt es für die übergangszeit des beschleunigten ausstiegs aus dem fossilsmus vermutlich keine alternative zur atomenergie

    auf grüne argumente gegen die atomenergie braucht man nicht zu hören.sie entbehren einer rationalen grundlage und werden ohne den willen zu rationaler argumentation vorgebracht.ihre relative gültigkeit hatten sie zu einer anderen zeit als der heutigen als die atomenergie noch schmutziger und gefährlicher war als sie es heute noch ist .und als die gefahren des fossilismus von einem breiten publikum noch nicht ernsthaft zur kenntnis genommen wurden

    amerika macht vieles falsch.und hat sich noch nicht vom militarismus verabschiedet-aber dass es auf zivile atomenergie setzt ist vernünftig

  • Dass die Atomkonzerne kein Interesse an einer Laufzeitverlängerung haben, ist verständlich. Die setzen schließlich auf langfristige Rechtssicherheit und wollen kein Hin und Her. Dass Atomenergie unwirtschaftlich ist im Vergleich zu den erneuerbaren - auch gut. Aber ein wichtiger Punkt von Gates wurde nicht widerlegt: "einzige CO2-freie Energiequelle, die zuverlässig und rund um die Uhr elektrischen Strom liefern kann"



    Erneuerbare sind wie bekannt ziemlich volatil, Speichermöglichkeiten für Gut-Wetter-Überschüsse in erforderlichen Kapazitäten gibt es in den nächsten Jahren wohl auch nicht.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Leider gibt es immer noch jede Menge Leute, die sich für Atomkraftwerke aussprechen. Warum ist nicht ganz klar, denn rein von den Kosten her ist das die teuerste Energie, die man überhaupt haben kann.

    Brain washing wirkt nach? Bei uns kommt der Strom aus der Steckdose.

    Auch wird mit Verlust von Know-how argumentiert. Das ist auch so aber bei der Herstellung von Atombomben ist auch Know how gefragt. Weniger drastisch die aufgelassenen Kohlegruben in Deutschland. Da waren die Deutschen einst führend beim Management und Sicherheit. Soll man die Gruben wieder aufmachen? Wohl kaum.

  • So, die AfD steht auf P&R. Es wäre ja eine lustige Ironie der Geschichte, wenn sie sich auf Bill Gates' TWR eingeschossen hätte.

    Bitte, bitte -- flüstert das denen wer ein?

    • @tomás zerolo:

      Das ist ein Koan, wie es von der AfD zur spirituellen Erleuchtung geübt wird. Der mit logischem Denken unauflösliche Widerspruch, der die Wirklichkeit transzendiert. In den AfD Klöstern üben sie derzeit noch an vorherigen Koan: Wenn Wladimir Putin ein Engel ist und Impfungen satanistisch, was ist Putin dann, wenn er sein Volk impfen lässt? Ein satanistischer Engel? Aber trotzdem super und ein dufter Typ. Oder auf die billige Ideologie von Bill Gates reingefallen und demnach ein Dummkopf? Aber trotzdem super und ein toller Typ? Wer diesen geistigen Kurzschluss überlebt, bekommt als Gewinn ein Bundestagsmandat.

  • Was sollen solche Artikel?

    Wir lagern pro Jahr 300.000 t hochgiftigen Chemiemüll in Berwerken. Das ist anscheinend kein Problem. Und nein, radioaktiver Müll ist nicht gefährlicher als Arsen, Quecksilber und Dioxine.

    Eine kompletter Energieversorgung auf Kernenergie würde gerade einmal 2000 t/Jahr radioaktiven Abfall produzieren, 98% davon ist einfach nur Uran.

    Unsere Kohlekraftwerke dagegen produzieren um 1.7 Mio t Kohleasche im Jahr. Diese enthält ca. 500 t Uran und 1500 t Thorium. Und natürlich die anderen schönen Sachen, die neben bei anfallen. Wird alles oberflächlich gelagert und verteilt, zB als Betonzuschlag.

    Frankreich und Schweden bauten vor 50 Jahren innerhalb von 20 Jahren ihre Kernkraftwerke.Ca. 30 Jahren nach der Entdeckung dieser Energiequelle (!) Das können wir jetzt auch tun, dann wären wir 2040 fertig.

    Momentan ist unsere Energieversorgung zu 80% fossil. Nach 20 Jahren Energiewende.

    Es ist verantwortungslos nachfolgenden Generationen gegenüber dem Klimawandel nicht auch mit Kernenergie zu begegnen.

    Erneuerbare Energien und Kernenergie ergänzen sich wunderbar. Kernkraftwerke können ähnlich schnell wie Gaskraftwerke auf Nachfrageschwankungen reagieren.

    Wer das Anzweifelt darf sich gerne mit der Energieversorgung Großbritanniens (Nuklear+Offshore Wind, Frankreich und Schweden (nuklear+Wassser) beschäftigen.

    Möchte man die Zukunft unseres Pla

    • @Benediikt Brandes:

      Urab und Thorium sind bei der geringen Zerfallsrate auch nicht gefährlich.



      Das Problem sind 7 langlebige Spaltprodukte und Trans-Urane, neben Plutonium vor allem Americium und Curium.

      Wichtig wäre vor allem eine Überführung in nicht-wasserlösliche Form: Verglasung oder Entfernung der Spaltprodukte und Re-Oxidation. - Denn Actinoid-Keramik ist auch nicht wasserlöslich. Mit dem ganzen Spaltprodukt-Gemisch im "rohen" abgebrannten Brennstoff dagegen evtl. schon...