Freie Wähler in Rheinland-Pfalz: Mit Streit in den Mainzer Landtag
Joachim Streit zieht für die Freien Wähler ins Landesparlament. Der Jurist und langjährige Landrat gilt als bodenständiger Macher.
Seine Forderungen sind populär, etwa „Breitband bis zum letzten Haus!“. Streit will kräftig in die Gesundheitsversorgung auf dem flachen Land investieren. Die Freien Wähler sind für ihn eine „Partei der bürgerlichen Mitte“, unideologisch, an der Sache orientiert. Am Wahltag konnte er von den Verlusten von CDU und AfD profitieren, aber auch durch Abgrenzung. Die Freien Wähler seien eine „Brandmauer gegen die AfD“, versichert Streit.
Die erste Hürde nahm er, als er die heterogenen Wählervereinigungen in Rheinland-Pfalz auf eine gemeinsame Landtagskandidatur verpflichten konnte. Streit startete nach seiner Kür im Juni 2020 mit einem roten Feuerwehrauto, seinem „Streitwagen“, recht selbstbewusst in den Wahlkampf.
Damals hatten ihn und seine Formation nur wenige auf dem Zettel. Er sammelte Stimmen von enttäuschten Coronageschädigten, Soloselbstständigen, Gastronomen und EinzelhändlerInnen, die um ihre Existenz kämpfen. Mit kantigem Profil und sachbezogenen Auftritten machte er medial eine passable Figur. Nach Bayern und Brandenburg ziehen die Freien Wähler nun zum dritten Mal in ein Landesparlament ein.
Mehr Geld für Kommunen
Im Landtag will Streit vor allem für eine bessere Finanzausstattung von Landkreisen, Städten und Gemeinden kämpfen. Das rheinland-pfälzische Verfassungsgericht hatte zuletzt festgestellt, der kommunale Finanzausgleich sei verfassungswidrig. „Pleite“ seien viele Städte und Gemeinden wegen ihrer erdrückenden Schuldenlast, sagt Streit. 400 Millionen Euro mehr aus dem Landesetat fordert er für die Kommunen – jährlich.
Die bisherige und wohl auch künftige Ministerpräsidentin Malu Dreyer argumentiert, solange einige Landkreise in der Krise noch finanzielle Rücklagen bilden könnten, gehe es eher um eine Umverteilung und nicht um eine Erhöhung der Mittel. In Joachim Streit wird sie im Parlament auf einen streitbaren Gegenspieler treffen.
Wer der Legislative wie ab jetzt Streit angehört, kann nicht Landrat und damit Exekutive sein. „Das Loslassen fällt mir schwer“ bekannte der Spitzenkandidat am Wahlabend. Sein Amt als Landrat muss er nun aufgeben. Das hatte er zuletzt mit 88 Prozent der Stimmen verteidigt.
Am Tag vor der Wahl habe er sich online von den künftigen Landtagsabgeordneten schon einmal für den Fraktionsvorsitz nominieren lassen, bekannte er jetzt freimütig. Der Dienstwagen mit Fahrer für die langen Wege aus der Eifel nach Mainz und zurück scheint also gesichert. Außerdem erreichte Streits Sohn Jakob, 22, im Wahlkreis Bitburg-Prüm für die Freien Wähler mit fast 19 Prozent einen Achtungserfolg.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Schuldenbremsen-Dogma bröckelt
Auch Merz braucht Geld
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“