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Bür­ge­r:in­nen­rat zu AußenpolitikGutachten wird übergeben

Der Bür­ge­r:in­nen­rat übergibt Bundestagspräsident Schäuble seine Empfehlungen zur Außenpolitik. Das Beteiligungsverfahren könnte fest verankert werden.

BürgerInnen im Reichstag: In Zukunft nicht nur von oben reinschauen, sondern mitgestalten? Foto: imagebroker/imago

Berlin taz | Möglicherweise erhält der Bundestag bald eine plebiszitäre Ergänzung. Abgeordnete mehrerer Fraktionen plädieren dafür, regelmäßig ausgeloste Bür­ge­r:in­nen­rä­te in die Beratungen einzubeziehen. Sie sollten „als Instrument der Beteiligung für die nächste Legislaturperiode verankert“ werden, sagte Britta Haßelmann, die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen. An diesem Freitag übergibt der Bür­ge­r:in­nen­rat zu „Deutschlands Rolle in der Welt“ sein Gutachten an Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble.

Dieser unterstützt eine Modernisierung des parlamentarischen Systems. Nur wenn sich die Demokratie offen zeige für neue Verfahren, „bleibt sie stabil“, erklärte Schäuble im Januar, als der Bür­ge­r:in­nen­rat zur Außenpolitik startete. CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter unterstützt das Vorhaben ebenfalls. Zustimmung gibt es auch bei der FDP. „Ich kann mir vorstellen, dass künftig in jeder Legislaturperiode beispielsweise zwei ausgeloste Bürgerräte zu umstrittenen Themen stattfinden“, sagte Florian Toncar, finanzpolitischer Sprecher der Liberalen.

Der unlängst beendete Bür­ge­r:in­nen­rat war der zweite beim Bundestag und bisher nicht mehr als ein Experiment. Rund 160 aus den Einwohnerregistern im ganzen Bundesgebiet ausgeloste Personen debattierten fünf Wochen lang über deutsche Geschichte, Verantwortung und Außenpolitik. Die Be­für­wor­te­r:in­nen sehen in diesem Verfahren die Möglichkeit, die Meinung von Leuten, die sonst kaum Zugang zur Politik haben, in die Entscheidungsfindung einzubeziehen. Das soll sie bürgernäher machen und der populistischen Polarisierung vorbeugen.

Deutschland brauche eine wirksame Armee, steht nun in dem Gutachten. Mit militärischen Einsätzen solle man sich aber möglichst zurückhalten. Diese will der Bür­ge­r:in­nen­rat an „die Verteidigung des eigenen Landes, den Schutz von Menschenrechten oder den Beistand für Bündnispartner“ binden. Die Entsendung der Bundeswehr ins Ausland soll möglich sein, wenn ein „gültiges Mandat eines internationalen Bündnisses (zum Beispiel UNO, Nato, EU)“ vorliegt.

„Auf autonome Waffensysteme, die Ziele ohne menschliches Zutun auswählen und bekämpfen“, wollen die Rä­t:in­nen verzichten. Allerdings ist unklar, was mit dem Bericht passiert. „Ich habe die klare Erwartung an die anderen Fraktionen, dass wir uns in den Ausschüssen und im Bundestag mit den Empfehlungen des Bür­ge­r:in­nen­ra­tes befassen“, sagte Haßelmann. Bis zur Wahl stehen dafür noch fünf Sitzungswochen zur Verfügung.

Ein verabredetes Verfahren für den Umgang mit Ratsgutachten gibt es bisher nicht – das müsste der nächste Bundestag beschließen. Außerdem müssten Regeln vereinbart werden, wie über die Empfehlungen beraten werden kann, sagte Haßelmann. Toncar sieht das ähnlich. Für ihn steht allerdings fest: „Die politischen Entscheidungen müssen den gewählten Abgeordneten vorbehalten bleiben.“ Die Frage, wie bindend die Voten von Bür­ge­r:in­nen­rä­ten sein sollen, dürfte noch zu einigen Diskussionen führen.

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4 Kommentare

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  • "Die Frage, wie bindend die Voten von Bür­ge­r:in­nen­rä­ten sein sollen, dürfte noch zu einigen Diskussionen führen." heißt es am Ende des Artikels. Wieso das denn? Es steht in der Verfassung, wer über was entscheidet. "Bürger:innenräte" gehören nicht dazu. Und wenn eine Gruppe von Leuten, die weder demokratisch gewählt sind noch gegenüber irgendjemandem verantwortlich sind, verbindliche Entscheidungen über staatliches Handeln treffen könnte, dann wäre die Demokratie abgeschafft.

  • Egal was für "Formen", "Verfahren" der "Bürgerbeteiligung" – solange man sie in mehr direkte Beteiligung/mehr direkte Demokratie entwickeln kann, und es auch will, schaden sie nicht. Das tun sie aber – und enorm – als die allseits kritisierten "Alibiübungen".

    Den einzigen möglichen Sinn der diversesten "Bürgerräte"/"Planungszellen"/"etc." sehe ich als "Schulen"/"Schulklassen" der politischen Diskussion ("Deliberation"). Dort wo die Menschen so 'was noch nicht kennen. Dann müssten es aber bedeutend mehr sein, allen offen, und im frühen Alter ansetzen, Schule eben:)

    Doch ohne die wesentlichen Zusammenhänge echter direkter Demokratie/Partizipation bleiben sie auch dann sinnlos.

  • "Die Entsendung der Bundeswehr ins Ausland soll möglich sein, wenn ein „gültiges Mandat eines internationalen Bündnisses (zum Beispiel UNO, Nato, EU)“ vorliegt."

    Dieser Ratschlag festigt doch nur die Tatsache, dass EU und NATO, befreit von einem UNO Mandat, jedes Land angreifen können, wenn sie -wie bisher- selbst definieren, wo Menschenrechte per Bomben "gerettet" werden sollen. NATO und EU sind reine Interessensgemeinschaften. Die NATO ist dabei eindeutig der militärische Arm westlicher Kapitalinteressen.



    Stattdessen bräuchten wir eine öffentliche Debatte über den Sinn der Bundeswehr. Schleichend hat sie sich von einer Verteidigungsarmee zu einer Interventionsarmee entwickelt. Und zunehmend wird Außenpolitik militarisiert. Sanktionen sind heute das Mittel einer tumben und aggressiven Außenpolitik, die -ganz nebenbei- durch die Falken in den USA und ihrer transatlantischen "Willigen" wieder Fahrt aufnimmt.

  • Gerade in Bezug auf Außenpolitik und Entwicklungshilfe sollten auch solche Organisationen einbezogen werden: www.migrafrica.org...hungen_entwickeln/



    Gerade Migrafika aus Köln machen tolle Arbeit, was die Nutzung der Kompetenzen der hier lebenden Migranten hinsichtlich ihrer Herkunftsländer angeht.