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Maßnahme gegen öffentliches TrinkenDen Trinkern keine Sitze

Am Hamburger Hansaplatz bringt das Bezirksamt auf Pollern Kugeln an, um ein Hinsetzen unmöglich zu machen. Der Einwohnerverein protestiert.

Hamburg, Hansaplatz: Weil sich auf den Pollern trinkende Leute niederlassen, gab es Beschwerden Foto: Ulrich Gehner

Hamburg taz | Bereits fünf der Poller am Hansaplatz in St. Georg haben sie bekommen: eine Metallkugel oben drauf. Sie soll verhindern, dass sich auf den Pfosten Menschen niederlassen. Das dafür zuständige Fachamt Management öffentlicher Raum will auch die restlichen rund zwanzig Poller am Platz noch mit den Kugeln bestücken. Sorina Weiland, Sprecherin des Bezirksamts Mitte, sagt, es habe Beschwerden wegen Lärmbelästigung und starken Alkoholkonsums gegeben, ausgehend von Menschen, die die Poller als Sitzplatz nutzten. Wie viele sich beschwert haben und wann die Beschwerden vorgetragen wurden, konnte sie nicht beantworten.

Ulrich Gehner, Vertreter des Einwohnervereins St. Georg und beim Runden Bür­ge­r*in­nen Tisch Hansaplatz dabei, kritisiert die Maßnahme und sieht in ihr eine antidemokratische und antisoziale Aktion. Man wolle es den Menschen hinterrücks vermiesen, sich hinzusetzen. Ähnliche Maßnahmen – zum Beispiel Metallzacken auf betonierten Absätzen, die gerne als Sitzflächen genutzt wurden – gab es vor ein paar Jahren bereits rund um den Hauptbahnhof. Auch sie sollten obdachlose Menschen fernhalten, wurde schon damals kritisiert.

Bezirksamtssprecherin Weiland entgegnet, dass Poller an sich kein Sitzplatz seien und man deshalb die unsachgemäße Nutzung unterbinden müsse. Auch seien einige der Poller elektrisch absenkbar und würden durch das Daraufsitzen ständig beschädigt.

Ein Inhaber eines der Restaurants am Hansaplatz, der namentlich nicht genannt werden möchte, war einer derjenigen, die sich über die auf den Pollern sitzenden Menschen beschwert haben. Er sieht viele An­woh­ne­r:in­nen auf seiner Seite. Er sagt, vor allem Geflüchtete träfen sich an den Pollern, tränken viel Alkohol, vermüllten die Gegend und kauften dabei nicht mal in den Cafés und Läden rund um den Platz ihre Getränke. Aufgrund der hohen Lautstärke „Tag und Nacht“ könnten viele An­woh­ne­r:in­nen nicht schlafen. Die Situation sei „unmöglich“ gewesen. Viele Anwohner:innen, die sich an den Pol­ler­sit­ze­r:in­nen störten, hätten sich sogar noch radikaler als er geäußert.

Parkbänke abgeschafft

Aber auch Ulrich Gehner glaubt, dass viele An­woh­ne­r:in­nen auf seiner Seite sind. Er sagt, es seien „ganz normale Menschen“, die die Poller zum Sitzen nutzen, und fragt: „Welche dreiste Haltung spricht daraus, Menschen den Aufenthalt im öffentlichen Raum so ungemütlich wie möglich zu machen?“ Nur weil das Sitzen auf den Pollern jetzt verhindert werde, blieben die Menschen ja nicht fern. Für Gehner ist das Vorgehen reine Symbolpolitik, um zu zeigen, dass bestimmte Menschen nicht willkommen seien.

Gehner bemängelt das Vorgehen des Fachamts auch deshalb, weil es am Hansaplatz sonst kaum Sitzgelegenheiten gibt. Seit der Neugestaltung des Platzes 2011 gibt es dort keine Bänke mehr. Das sei auf Wunsch der An­woh­ne­r:in­nen geschehen, die einen möglichst sauberen Platz gewollt hätten, betont wiederum Bezirksamtssprecherin Weiland. Aber die Schaffung neuer Sitzmöglichkeiten und die Pollerkugeln seien sowieso zwei verschiedene Themen.

Gehner sagt, der Runde Tisch habe Bezirksamtsleiter Falko Droßmann im vergangenen Jahr vorgeschlagen, Baumbänke zu schaffen. Der Antrag sei mit der Begründung abgelehnt worden, dass dann der Boden zu sehr verdichtet werde.

Schließlich kritisiert Gehner, dass das Fachamt die Maßnahme ohne Absprache mit politischen Gremien umsetzt. Darin setze sich der Trend fort, dass die Stadtteilpolitik immer mehr von der Verwaltung bestimmt und ein demokratischer Prozess so unterlaufen werde.

Auch das sei normal, sagt Weiland. Bei „Beschwerdelage“ und „geringem Mittel­einsatz“ könne die Verwaltung eigenmächtig handeln. Das Fachamt werde nun erst mal schauen, ob die bereits angebrachten Kugeln auf den Pollern wie vorgesehen die Trinkerszene vom Platz fernhalte, sagt Weiland. Einen Zeitplan, wann die anderen Poller eine Kugel bekommen, habe sie deshalb noch nicht.

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6 Kommentare

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  • Tja, das "Weltoffene Hamburg" tut sich schwer... lass mich raten: Die Anwohner, die sich beschweren, dürften primär Anlieger sein, die in ihrer Eigentumswohnung dort wohnen? Dort sind offensichtlich keine Studenten WG´s , oder billige Mietwohnungen?



    "Klassengesellschaft von "INS" und "OUTS" nun auch auf öffentlichen Plätzen in Hamburg ? Die `neoliberale Geldelite´der "INS" will



    Ruhe haben... leider nicht nur in



    Hamburg...

  • Einmal mit Fachleuten arbeiten!



    Gerade auf den absenkbaren Pollern stellen diese Kugeln gefährliche Stolperfallen dar, wenn diese denn auf das Bodennieveau abgesenkt sind.

  • Da laufen halt immer zwei Entwicklungen zu einer Schere zusammen: Einerseits immer weniger nichtkommerzielle Möglichkeiten, sich in den Städten überhaupt draußen aufzuhalten, andererseits ein größer werdender Bedarf für genau so etwas, weil immer mehr Menschen dafür nicht auch noch Geld bezahlen können (was aktuell ja noch nicht einmal weiterhelfen würde).

    Das ist fast überall so, die wenigen verbliebenen Sitzmöglichkeiten werden dann sofort von denen in Beschlag genommen, die gar nichts anderes haben und die müssen dann durch solche Maßnahmen auch daran noch gehindert werden.

    Ein paar mehr Parks und Grünanlagen mit möglichst vielen Sitzgelegenheiten würde das sofort entschärfen. Aber anstatt Parks gibt es ja immer nur Parkplätze...

    • @Mustardman:

      Der Abbau/Rückbau von Bänken und Sitzgelegenheiten wird doch von den Städten gradezu herbeigesehnt. Wenn sie an einem beliebten Ort eine Bank aufstellen, müssen sie auch einen Abfalleimer dazu aufstellen. Ist der Platz zu beliebt, kann es sein, dass der Eimer täglich geleert werden muss, vielleicht sogar zweimal täglich. Ansonsten kommt es zur Überfüllung und Vermüllung der Umgebung. Das alles kostet Geld.



      Also - keine Bank/Sitzgelegenheit - kein Mülleimer - weniger Müll.



      Außerdem, an einem überfüllten Mülleimer mit daneben liegenden Müll ist die Stadt Schuld, weil sie nicht leert. An einem Müllhaufen einfach so, sind diejenigen Schuld, die den Müll verursachen. Was würden sie als Stadt bevorzugen?

  • Strenge Meidung - Der Pakketbote bringt's im Handumdrehen!

    Keine Bänke = kein Umsatz.



    So muss es laufen.

    Seniorenfeindlich, Behindertenfeindlich.



    Ungemütlich.

    Dann sollen die Anwohner mal schön unter sich bleiben

  • Mal seh´n was die Anwohnenden sagen wenn sich dort jetzt Leute niederlassen, die sich ganz gerne mal auf ´ne Kugel setzen.