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Neuauszählungen bei Wahl in EcuadorWer Zweiter wird, kann siegen

Guillermo Lasso errang im ersten Wahlgang nur knapp vor Yaku Pérez das Ticket für die Stichwahl. Betrugsvorwürfe sorgen nun für Neuauszählungen.

Yaku Pérez erläutert seinen Betrugsverdacht vor dem Obersten Wahlrat. Im Hintergrund sitzt Guillermo Lasso Foto: ap

BUENOS AIRES taz | Knapp eine Woche nach der Präsidentschaftswahl in Ecuador ist noch immer offen, wer als Zweitbester der ersten Runde in die Stichwahl einzieht. Nach Auszählung von 99,7 Prozent der Stimmen liegt der rechtsliberale Guillermo Lasso mit einem äußert knappen Vorsprung von gerade mal 33.370 Stimmen vor dem indigenen Umweltaktivisten Yaku Pérez. Pérez hatte die Auszählung wegen mutmaßlicher Manipulationen kritisiert. Am Freitag beschloss der Oberste Wahlrat (CNE) deshalb die Neuauszählung der Stimmen in 17 der 24 Provinzen des Landes. Wer dann die meisten Stimmen auf sich vereint, trifft am 11. April auf den linksprogressiven Andrés Arauz, der vergangenen Sonntag die meisten Stimmen erhalten hatte.

Um den zweiten Platz in der Stichwahl wird auch deshalb so hart gerungen, weil die Chancen auf einen Sieg gegen Arauz extrem gut sind. „In (der Küstenprovinz) Guayas werden 100 Prozent der Stimmen überprüft, in den anderen 16 Provinzen gilt das für 50 Prozent der Stimmen“, hatte die Vorsitzende des Nationalen Wahlrats, Diana Atamaint, am Freitag angekündigt. Dabei sollen die Stimmen einzeln und Wahlurne für Wahlurne neu ausgezählt werden, erklärte ein CNE-Sprecher das Vorgehen. Zuvor hatten Lasso und Pérez vor dem Nationalen Wahlrat ihre Positionen öffentlich dargelegt. Wer wollte, konnte die dreistündige Debatte live im Fernsehen oder über Streaming im Internet verfolgen.

„Wenn es keinen Betrug gab, werde ich als erster sagen, dass ich falsch lag. Aber wir haben ernsthafte Zweifel, die Beweise besagen das Gegenteil“, sagte Pérez und forderte die komplette Neuauszählung der Stimmen. Lasso erklärte sich dagegen vor allem mit einer Neuzählung in der Stadt Guayaquil einverstanden, der Provinzhauptstadt von Guayas, dem Zentrum des Betrugsverdachts. Der schließlich vom Wahlrat verkündeten Entscheidung hatten beide Seiten zugestimmt. Dass die Neuauszählung nun nur teilweise stattfindet, ist auch der drängenden Zeit geschuldet. Spätestens zehn Tage nach der Wahl muss das amtliche Endergebnis bekannt gegeben werden, so ist es im Wahlgesetz festgeschrieben.

Lasso und Pérez hatten sich lange ein Kopf-an-Kopf-Rennen geliefert. Dabei lag Pérez zeitweise bis zu 50.000 Stimmen vorne. Als jedoch am Dienstag die Stimmauszählung in den Küstenprovinzen immer weiter vorankam, wendete sich das Blatt langsam aber stetig zugunsten des von dort stammenden Lasso.

Auffallend während der Debatte vor dem CNE war der sachliche und verständnisvolle Umgangston zwischen den beiden Kontrahenten. Wer von ihnen in die Stichwahl kommt, ist, um gewinnen zu können, auf die Unterstützung des anderen angewiesen. „Wir haben einen gemeinsamen Gegner“, erklärte Lasso und zielte damit auf den ehemaligen Präsidenten Rafael Correa (2007-2017). Tatsächlich zeichnet sich bereits eine breite Allianz gegen die Rückkehr Correas an die Macht in Gestalt seines Kandidaten Andrés Arauz ab.

Schnell wurden die Taschenrechner herausgeholt

Zwar hatte Arauz mit 32,7 Prozent im ersten Wahlgang die meisten Stimmen geholt. Doch das vermeintlich gute Ergebnis täuscht. Rafael Correa kann sich noch immer auf die Unterstützung von 30 Prozent der Bevölkerung stützen. Zieht man diesen Bonus von Arauz' Stimmergebnis ab, dann konnte der lediglich knappe drei Prozent zusätzlich mobilisieren. Zu wenig, um einen Triumpf in der Stichwahl zu garantieren.

In den Kampagnenbüros haben sie denn auch schnell die Taschenrechner herausgeholt. Sollten in der Stichwahl – wie im ersten Wahlgang – rund 9 Millionen gültige Stimmen abgegeben werden, müsste Arauz gut 1,5 Millionen Stimmen hinzugewinnen, um die Wahl für sich zu entscheiden. Wer auch immer Gegner sein wird, müsste zwar rund 2,7 Millionen Stimmen hinzugewinnen, kann aber sowohl auf die Unterstützung des dann auf Platz drei verwiesenen Kandidaten hoffen als auch auf Hilfe aus dem Lager der dahinter liegenden Konkurrenten. Zusammengezählt kamen der Dritt- und Viertplatzierte im ersten Wahlgang auf insgesamt rund 3,2 Millionen Stimmen.

So könnte dem Sozialdemokraten Xavier Hervas eine entscheidende Vermittlerrolle zukommen. Hervas war mit einem überraschend großen Stimmenanteil auf dem vierten Platz gelandet. „Es ist unsere Aufgabe, sicherzustellen, dass das veraltete Modell der Correa-Diktatur nicht zurückkehrt“¸ hatte er vergangenen Dienstag getwittert. Sein daran angehängtes Video zeigt ihn zusammen mit Yaku Pérez in einer amüsanten Tanzeinlage. Nur wenig später schlug er Lasso und Pérez einen „Pakt für Ecuador“ vor.

Lasso hatte schon unmittelbar nach dem Wahlsonntag seine Unterstützung für Pérez angekündigt, sollte dieser den Sprung in die Stichwahl schaffen. Pérez hat sich jedoch bisher zurückgehalten. Allerdings rief er seine Anhängerschaft bei der Präsidentschaftswahl 2017 schon einmal zur Unterstützung von Lasso auf, als dieser in der damaligen Stichwahl knapp gegen Lenín Moreno unterlag. „Lieber ein Banker als eine Diktatur“, so Pérez damals.

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3 Kommentare

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  • „Lieber ein Banker als eine Diktatur“

    Welche Diktatur?

  • I always said this.., i always said this.., You just have to count again to find me some 10,000 votes...! You only have to count again.

    What 'cha sayin, Rudy..? It' s in Ecuador??!

    Oh, I always said it.., I always said it... .

    It's all the Latinos' fault... ; it's all the Latinos' fault... .



    They built the wall to keep the voters from the election... ; they made Mexico pay for the wall to keep Ecuador republicans from voting for me. ... It's all their fault.



    I always said it. ( ... ) 😉😂😂

  • Wenn etwa 9 Millionen Stimmen abgegeben wurden, und 99,7% davon ausgezählt sind, dann sind 33.000 kein "äußerst knapper" Vorsprung, sondern ein nicht mehr einzuholender.