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Emissionsarme EnergieBill Gates' Atomkraft

Der Microsoft-Gründer wirbt in seinem neuen Buch im Namen des Klimaschutzes für Atomkraft. Deren CO2-Bilanz hängt aber auch von der Endlager-Frage ab.

Technik-Fan Bill Gates will den Klimawandel wie aufhalten? Klar, mit Technik. Am liebsten Atomkraft Foto: Gian Ehrenzeller/picture alliance/dpa/Keystone

V or zwei Jahren machte Greta Thunberg Schlagzeilen, weil sie vermeintlich Atomkraft unterstütze. Die Klimaschützerin hatte auf Facebook geschrieben, AKWs könnten laut dem Weltklimarat IPCC ein „kleiner Teil einer sehr großen neuen, CO2-freien Energielösung“ sein. Dass sie noch im selben Statement schrieb, sie selbst lehne Atomkraft ab, ging unter.

Jetzt gibt es wieder Schlagzeilen, weil jemand im Namen des Klimas für Atomkraft wirbt – diesmal ernsthaft. „Wie wir die Klimakatastrophe verhindern“, heißt das neue Buch von Microsoft-Gründer Bill Gates.

Neben erneuerbaren Energien brauche es weitere „bahnbrechende Technologien“, so Gates. Wie die Atomkraft. Er selbst hat das Unternehmen Terra Power gegründet, das neuartige Reaktortechnologien entwickelt. Die sollen kleiner sein, sicherer und weniger Atommüll erzeugen.

Lösen können aber auch Gatesʼ neue AKWs das Atommüllproblem nicht. Das ist im Übrigen nicht nur ein Sicherheitsproblem, sondern macht auch den Klimanutzen der Atomkraft ungewiss.

Erneuerbare oft günstiger

Manche Studien attestieren der Atomkraft zwar fast ähnlich gute Emissionswerte wie den erneuerbaren Energien. Eine Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung zum Beispiel kommt auf 6 Gramm CO2 pro Kilowattstunde Strom für Solarstrom und nur 4 Gramm für Wind- und Atomstrom.

Das Umweltbundesamt verweist aber auf die verschiedenen Schätzungen des Weltklimarats, denen jeweils unterschiedliche Annahmen zur Endlagerung zugrunde liegen. Ihr Median liegt bei 12 Gramm CO2 pro Kilowattstunde Atomstrom, manche der Prognosen laufen aber auch auf 110 Gramm hinaus.

Exorbitant teuer ist Atomstrom außerdem. Die erneuerbaren Energien hingegen sind an vielen Orten mittlerweile die günstigste Option für neue Kraftwerke.

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Susanne Schwarz
Leiterin wirtschaft+umwelt
Jahrgang 1991, leitet das Ressort Wirtschaft + Umwelt und schreibt dort vor allem über die Klimakrise. Hat ansonsten das Online-Magazin klimareporter° mitgegründet.
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7 Kommentare

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  • Ist in den Gutachten auch die Klimawirkung eines GAUs alle 20 bis 30 Jahre berücksichtigt? Zehntausende von Menschen umzusiedeln und dafür neuen Wohnraum zu schaffen erfodert schon eine Menge Energie. Aber immerhin gewinnt man viel langfristig zivilisationsfreie Fläche, die man klimapositiv gestalten könnte.

    Zur angeblichen Sicherheit von neuen AKWs verweise ich gerne auf die Sicherheit der Eisenbahn. Seit 120 Jahren arbeitet die Eisenbahn intensiv daran Schienenverkehr sicherer zu machen. Das Eisenbahnbundesamt analysiert jeden Unfall detailliert (die Gutachten werden -- soweit ich weiß -- veröffentlicht) und leitet daraus Maßnahmen ab, aber trotzdem geht niemand von absoluter Sicherheit aus, da man nie wissen kann, welche Kombination von Umständen noch nicht berücksichtigt wurde. Das gleiche gilt wohl für den Flugverkehr.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Allein mit Solar- und Windkraft wird es nicht gehen.



    Es muss, wenn nicht über Atomkraft, dann zumindest über Wasserkraft, Pumpspeicherkraftwerke und Gezeitenkraftwerke gesprochen werden und über Reserven an Wasserstoff bzw. synthetischen Kraftstoffen, mit denen sich die Zeiten überbrücken lassen, in denen Solar- und Windkraftwerke keine Energie liefern. Das macht Solar- und Windkraft weniger effektiv und die dabei entstehenden finanziellen und ökologischen Kosten sollten ehrlicherweise auch bei den Kosten der erneuerbaren Energien berücksichtigt werden.

  • Warum begegnet man dieser Schwachsinnsidee nur mit den seit Jahrzehnten - für alle AKW geltenden und bekannten - Kritikpunkten?



    Ist es nicht auffällig, dass zwar immer wieder die notwendige CO2 Reduzierung bis 2050 erwähnt wird, um die Klimaziele zu erreichen? Aber der Zeitfaktor, die Zusätzlichkeit zu bestehenden Industrien, die globale Verfügbarkeit (Finanzierung, Produktionsmengen, politische, soziale gesellschaftliche Unterschiede und Widerstände, ökonomische Machtverhältnisse/Durchsetzung...) der technologischen Lösungen (AKW, H2-Technologie, E-Mobilität, Gebäudedämmung...) völlig ignoriert wird?



    Wie viele AKW will Gates denn zusätzlich bis 2050 bauen lassen, deren technischen und physikalischen Fragen und Problem noch völlig ungelöst sind, und g l e i c h z e i t i g CO2 reduzieren, um die Klimaziele zu erreichen?



    Er und die AKW-Fans werden doch wohl nicht mit Zement-Aktien zocken? Es ist doch bekannt, dass nur die USA und China mehr CO2 produzieren wie bei der Zementproduktion entstehen. Oder sollen die AKWs aus Holzabfällen und recyceltem Plastik gebaut werden?

    Immer neue, frische und zusätzliche Fürze ergeben kein angenehmes Raumklima! Aber solange wir daran glauben und der Zeitfaktor beim globalen Klima offenbar überhaupt keine Rolle zu spielen scheint, bleibt die Hoffnung, dass aus einem Furz schon die Lösung kommen wird.

  • Leider wird damit das Klimaargument nicht falsifiziert.

    Wenn man in den Kommentar des Umweltbundesamt schaut, so steht dort:

    "– von Uranabbau, Brennelementherstellung, Kraftwerksbau und -rückbau bis zur Endlagerung – so ist in den einzelnen Stufen des Zyklus zum Teil ein hoher Energieaufwand nötig, wobei Treibhausgase emittiert werden."

    Die erwähnten Punkte gelten aber für ALLE Industiebereiche (Rohstoffabbau, Fertigung, Gebäudebau)! Sprich, wenn selbst das Umweltbundesamt nicht glaubt, dass dass klimaneutral geleistet werden kann, dann kann man es gleich ganz vergessen.



    Alternativ, wenn es klimaneutral geleistet werden kann, warum sollte das nicht für AKW gelten?

    Also, das Klimargument ist nicht vom Tisch.

    Risiko und offene Endlagerfrage bleibt natürlich.

  • Wenn sich unsere Gesellschaft gegen die Nutzung der Atomkraft ausspricht, ist das eine klare Entscheidung. Aber das ist doch längst Vergangenheit.



    Dagegen lohnt es sich, auf das Potential neuer Entwicklungen schauen, insbesondere mit einer guten Lösung für das Abfallproblem. Anders als Wind und Sonne kann ein Atomkraftwerk riesige Menge an Energie am richtigen Ort und zur richtigen Zeit zuverlässig bereitstellen. Hier helfen keine Scheuklappen...

  • Guter Beitrag. Das Kernproblem bleibt weiterhin ungelöst.

    Der Atommüll muss irgendwo lagern, mindestens eine Million Jahre lang. Bisher haben wir nicht mal für die nächsten 100 Jahre einen Plan.

    Bisher hat kein Land der Welt ein Endlager für hochradioaktive Abfälle aus Atomkraftwerken in Betrieb genommen.

    Hochradioaktiver Abfall sind beispielsweise abgebrannte Brennstäbe. Davon werden nach Berechnungen des WNWR alleine in Europa mehr als 60.000 Tonnen weiterhin nur in Zwischenlagern gelagert. Frankreich weist mit 25 Prozent die meisten abgebrannten Brennstäbe auf, gefolgt von Deutschland mit 15 Prozent und dem Vereinigten Königreich mit 14 Prozent.

    In Deutschland wird bereits seit mehreren Jahrzehnten mehr oder minder halbherzig nach einem geeigneten Standort gesucht. Ein Endlager für hochradioaktive Abfälle ist bis heute nicht gefunden, die Brennstäbe lagern in den so genannten Castor-Behältern in Zwischenlagern in unmittelbarer Nähe zu den Atomkraftwerken.

    Auch wenn ich Gates Klimaanalyse in vielen Punkten sehr gut finde, bei der Kernenergie bin ich weiterhin ablehnend.

  • Mythos Atomkraft: Bill Gates irrt gleich fünffach

    meinen Claudia Kemfert und Christian von Hirschhausen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)



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