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Covid-19-Impfungen in SerbienIm Impfschlaraffenland

In Serbien verlaufen die Impfungen im europäischen Vergleich besonders erfolgreich. Dort greift man auf chinesische und russische Vakzine zurück.

Impfen im Akkord: Auf der Belgrader Messe wird vor allem das chinesische Sinopharm gespritzt Foto: Marko Djurica/reuters

Belgrad taz | Während in den meisten europäischen Staaten die Massenimpfung gegen das Virus Covid-19 nur schleppend vorankommt, haben ausgerechnet im Nicht-EU-Land Serbien in weniger als einem Monat bereits mehr als 540.000 Menschen ihre erste Impfdosis erhalten. Pioniere der serbischen Massenimpfung haben sogar schon einen Termin für die zweite Impfdosis bekommen, die nach etwa drei Wochen erfolgt.

Bis Sonntag wurde ein Anteil von 8,0 Impfdosen pro 100 Einwohner erreicht. In Deutschland betrug diese Quote nur 3,9 Prozent, wie die wissenschaftliche Website Our World in Data auflistet. Damit ist Serbien nach Großbritannien in Europa Spitzenreiter im Impfen.

Während die EU mit westlichen Firmen wie AstraZeneca wegen verzögerter Vakzin-Lieferungen streitet, stehen für die Menschen in Serbien auch Impfdosen aus Russland und insbesondere China bereit. Als prowestlich geltende Politiker haben sich in den letzten Wochen vor laufenden Kameras mit Vakzinen von Pfizer-Biontech, die prorussischen mit Sputnik V und politische Freunde der Chinesen mit dem chinesischen Sinopharm impfen lassen, um skeptischen Bürgern zu demonstrieren, dass alle drei Impfstoffe sicher sind.

Auch die Bürger haben die Wahl. Impfwillige wählen einfach die Nummer des staatlichen Impfdienstes oder besuchen das Portal euprava.gov.rs und entscheiden sich zwischen den drei Vakzinen. Das britisch-schwedische AstraZeneca und die amerikanische Moderna sind ebenfalls angegeben, aber auf die wird man in Serbien noch warten müssen.

Wer es besonders eilig hat, kann sich für mehrere Impfstoffe vormerken lassen – oder das Feld „Egal welche in Serbien zugelassenen Vakzine“ ankreuzen. Dann bekommt man allerdings fast sicher den Impfstoff Sinopharm.

Dank an Bruder Xi Jinping

Denn die Massenimpfung in Serbien hat Peking mit einem Kontingent von einer Million Dosen ermöglicht. Eine weitere Million wird bis zum Monatsende erwartet. Serbiens Staatspräsident Aleksandar Vučić versäumt daher keine Gelegenheit, sich bei seinem chinesischen Kollegen und „Bruder“ Xi Jinping zu bedanken.

„Ich habe Xi Jinping im Oktober geschrieben und der Preis wurde drastisch reduziert“, sagte Vučić örtlichen Medien über seine Verhandlungen mit dem Staatschef über die Sinopharm-Lieferungen. „Wenn Sie den Preis erfahren, werden Sie eines Tages ein Denkmal zu meinen Ehren errichten“, fügte er unbescheiden hinzu. Neben den eine Million Impfdosen aus China hat Serbien 40.000 Dosen Sputnik V und 30.000 Dosen von Biontech erhalten.

Wer telefonisch oder elektronisch einen oder mehrere Lieblingsimpfstoffe angegeben hat, bekommt per SMS oder E-Mail einen Impftermin. Vorrang haben Pflegeheimbewohner, Bürger über 65 Jahren, Menschen mit chronischen Krankheiten, medizinisches und Pflegepersonal, Polizisten, Soldaten, Lehrer, Beamte – aber auch im Theater Tätige und Journalisten, die alle in ihrem Arbeitsalltag mit Menschen in Kontakt treten müssen.

Innerhalb eines Monats haben sich im 7-Millionen-Einwohner-Land Serbien schon eine Million Menschen zum Impfen angemeldet. Die Zahl steigt ständig, denn bereits mit der ersten Dosis Geimpfte berichten überwiegend von guten Erfahrungen. „Eine perfekte Organisation“, oder „So etwas habe ich in Serbien noch nie erlebt und nicht für möglich gehalten“, erzählten sie.

Ungewohnt gut organisiert

Die größte Impfstelle in Serbien ist die Belgrader Messe. In der großen Halle 3 bekommt man „den Chinesen“, in der kleineren Halle 11, genau gegenüber, „den Russen“. Für ausreichend Parkplätze ist gesorgt.

Der Ablauf ist zügig und gut organisiert. Vor dem Eingang zeigt man seine Impftermin-SMS. Nach dem Messen der Körpertemperatur gibt man ein per E-Mail erhaltenes und schon ausgefülltes Formular ab oder füllt eines an Ort und Stelle aus. Damit alles zügig vorangeht, steht überall Personal bereit, das einen wie die Verkehrspolizei zur nächsten Station leitet.

Der Weg führt weiter zu einem der vielen Ärzte, wo man über Krankheiten oder Allergien ausgefragt wird. Man wird weitergeschoben zu einem der vielen Tische, wo notwendige Daten in einen Computer getippt werden, um dann zu einem der vielen kleinen, mit Vorhängen abgeschirmten Kabinen zu kommen, wo Gesundheitspersonal sogleich die Spritze verabreicht. Danach bleibt man für alle Fälle noch 10 bis 15 Minuten in einem separaten, großen Raum sitzen, sollte es zu Nebenwirkungen kommen.

Nach 20 Minuten ist alles vorbei. Fast hat man vergessen, dass man sich in einem Balkanland mit defekter Demokratie und ansonsten bürokratischer Überforderung befindet. (mit afp)

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