Abiprüfungen in Berlin: Weg mit dem Prüfungsfetisch

Die Verschiebung der Abi-Prüfungen soll Ungerechtigkeiten durch Homeschooling ausgleichen. Das Durchschnittsabi bleibt trotzdem eine gute Idee.

Fein gekleidete Jugendliche tanzen Standardtänze bei einem Abiball.

Auch die allseits beliebten Abibälle müssen wegen Corona ausfallen Foto: dpa

Das Abitur erweist sich als erstaunlich pandemieresilient. Das zweite Coronajahr in Folge hat die Berliner Bildungsverwaltung entschieden: Die Abiturprüfungen finden statt – zwar um einige Tage verschoben, aber dennoch. Und die anderen Länder dürften dieser Vorlage folgen, weil der Druck nach (zumindest formal) vergleichbaren Abschlüssen beim Abitur hoch ist.

Nicht umsonst betonte Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) am Mittwoch, den Berliner SchülerInnen würden „keine Nachteile“ entstehen. Tatsächlich zogen sich die Gespräche hinter den Kulissen der KultusministerInnenkonferenz seit Wochen hin, und dass Berlin nun vorlegt, hat auch mit den frühen Prüfungsterminen aufgrund der zeitigen Sommerferien zu tun.

Ganz konkret zwei Wochen mehr „Lernzeit“ (O-Ton Scheeres) gewinnen die AbiturientInnen dadurch: Die Woche vor den in diesem Jahr am 29. März beginnenden Osterferien ist eigentlich stets schon unterrichtsfrei für den Abi-Jahrgang – nun wurde der letzte Schultag auf den Dienstag nach den zweiwöchigen Ferien gesetzt. Zudem wurde der erste Prüfungstermin um zehn Tage auf den 21. April verschoben. Prüfungsinhalte wurden eingegrenzt, es soll vorbereitende Tutorien geben und 30 Minuten mehr Bearbeitungszeit für die Abi-Klausuren.

Dass sich hernach niemand über das Berliner Corona-Abitur aufregte – und in Schulfragen sind die Lobbygruppen um Lautstärke nie verlegen – zeigt vermutlich, dass die Regelungen tatsächlich recht pragmatisch sind.

Anderswo sind die SchülerInnen da weniger zufrieden: In Bayern läuft gerade eine Petition für ein „Durchschnitts­abitur“ aus bisher erzielten Noten. Zusätzliche Prüfungen sollen freiwillig sein, um sich verbessern zu können. Letztes Jahr hatte der (damals anders besetzte) Berliner Landesschülerausschuss ebenfalls noch dafür gestritten.

Nun ist ein Argument, dass insbesondere dieser Jahrgang sich unter sehr unterschiedlichen (Homeschooling-)Voraussetzungen vorbereitet hat und ein Durchschnittsabi Ungerechtigkeiten verschärfen könnte. Aber vielleicht erinnert sich jemand an diese Durchschnittsabi-Sache, wenn die Pandemie vorbei ist: Warum denn nicht? Weg mit dem Prüfungsfetisch. Schön wäre es.

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Seit 2011 bei der taz. Leitet gemeinsam mit Sunny Riedel das Ressort taz.eins. Hier entstehen die ersten fünf Seiten der Tageszeitung, inklusive der Nahaufnahme - der täglichen Reportage-Doppelseite in der taz. Davor Ressortleiterin, CvD und Redakteurin in der Berliner Lokalredaktion. Themenschwerpunkte: Bildungs- und Familienpolitik.

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