petition der woche: Pfleger:innen entlasten und Patient:innen schützen!
Anlass der Petition Die Pflege ist in der Krise – nicht erst seit Corona
Das wollen die Initiatoren Arbeitsbedingungen der Pflege und Auflage des Stern verbessern
Das wollen sie nicht Dass Pflege und Printmedien leiden
Am Anfang wurde noch geklatscht. Pünktlich um 18 Uhr traten die Menschen im vergangenen Frühjahr auf ihre Balkone und jubelten für die Systemrelevanten. Für die Pfleger:innen in Altenheimen und Krankenhäusern. Sie wurden dafür beklatscht, dass sie ihre Gesundheit aufs Spielen setzten, weil sie Covid-19-Patient:innen betreuten. Dafür, dass sie sich um die Kranken und Vulnerablen kümmerten. Das war während der ersten Coronawelle. Nun sind wir in der zweiten. Die Balkone bleiben mittlerweile leer.
Gebracht hat das Klatschen nichts. Auch von der versprochenen Coronaprämie, die Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im Oktober auf den Weg brachte, hat bislang nur ein kleiner Teil der Pflegekräfte etwas gesehen.
All diejenigen, die die Kliniken am Laufen halten, sind zunehmend angespannt und überlastet. Dabei hat sich lange angekündigt, was sich jetzt in der Krise zeigt. Das Gesundheitssystem ist unterfinanziert, Krankenhäuser sind darauf ausgerichtet, Profit zu erzielen. Darunter leiden nicht nur Pfleger:innen, die zu viele Patient:innen auf einmal versorgen müssen – auch die Patient:innen selbst. In der Pandemie wird zwar darüber gesprochen, nur ändert sich wenig – oder viel zu langsam.
Erstmals in der Geschichte des Stern hat das Magazin aus diesem Grund eine Bundestagspetition gestartet. „Pflege braucht Würde!“ steht auf dem aktuellen Cover. Und darunter: „Mehr Geld, mehr Zeit, mehr Menschlichkeit – für eine bessere Betreuung“. Weil die Pflege in Deutschland kaputtgespart werde, fordert der Stern eine Reform des Gesundheitssystems. Prominente Unterstützer:innen sind Moderator Eckart von Hirschhausen, Notfallsanitäter und Journalist Tobias Schlegl, Schriftstellerin Elke Heidenreich und Journalist Ulrich Wickert. Über 140.000 Menschen haben die Petition bereits unterschrieben.
Ist das noch Journalismus oder schon Aktivismus? Und geht das überhaupt zusammen? „Ja. Warum eigentlich nicht?“, sagt Stern-Chefredakteur Florian Gless der taz. So werde beim Stern moderner Journalismus verstanden. Die Aufgabe von Journalisten sei es, der Politik und Wirtschaft auf die Finger zu schauen. „Und wenn notwendig, auch eine Öffentlichkeit aufzubauen, um Druck zu machen“, sagt Gless. Wichtig sei, dass man unabhängig bleibe.
Ob sich Journalismus und Aktivismus vertragen, ist eine der Fragen im Journalismus. In den USA stritten sich vor einigen Jahren Bill Keller, damaliger Chefredakteur der New York Times, und Glenn Greenwald, der die von Edward Snowden übermittelten Dokumente journalistisch beim Guardian öffentlich machte.
„Journalismus ist immer eine Art Aktivismus“, schrieb Greenwald damals. Keller antwortete: „In meinen Augen geht es nicht darum, dass Reporter so tun, als hätten sie keine Meinung. Sondern darum, dass Reporter sich im Rahmen der beruflichen Disziplin mit ihren Meinungen zurückhalten und die Wirklichkeit für sich sprechen lassen.“
Was heißt das für die Petition beim Stern? Na ja, Greenwald und Keller einigten sich damals nicht. Am Ende ihrer Debatte blieb aber eine Frage: Ist der Objektivitätsanspruch etablierter Medien noch zeitgemäß? Der Stern hat das jedenfalls klar für sich beantwortet. Erica Zingher
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