Schutz der biologischen Vielfalt: Eine Allianz für Biodiversität
Deutschland tritt bei einem Videogipfel am Montag einer neuen globalen Naturschutzkoalition bei. Deren Ziele reichen nicht, sagen Kritiker:innen.
Dabei wird sie per Videoschalte wohl auch Deutschlands Beitritt zur sogenannten High Ambition Coalition (HAC) verkünden. Ein Sprecher des Bundesumweltministeriums teilte mit, man habe dies auf Bitten des Bundeskanzler:innenamts im Vorfeld vorbereitet. „Im Ressortkreis besteht Einigkeit, dass Deutschland der Koalition beitreten wird“, sagte er.
Bei dieser neu ins Leben gerufenen „Allianz der Willigen“ handelt es sich um eine Gruppe von bislang etwa 40 Staaten, die sich für ein ambitioniertes Abkommen beim coronabedingt verschobenen Gipfel der UN-Konvention über biologische Vielfalt (CBD) einsetzt. Unter Führung von Frankreich und Costa Rica will die Koalition die Unterschutzstellung von 30 Prozent des Planeten durchsetzen. Ein solches Vorhaben treibt bereits die EU, die der HAC-Gruppe ebenfalls angehört, im Rahmen ihrer Biodiversitätsstrategie voran.
Zwar würden zunächst „keine direkten zusätzlichen finanziellen Verpflichtungen eingegangen“, erklärte das Umweltministerium. Der Beitritt zum HAC-Bündnis sei nach Deutschlands Unterzeichnung des „Leader's Pledge for Nature“ Ende September dennoch ein konsequenter Schritt beim Einsatz für den Schutz der biologischen Vielfalt, des Klimas und der Pandemievorsorge. Das sehen auch Umwelt- und Naturschützer:innen so. „Es ist eine Konferenz mit Signalwirkung“, sagte Eberhard Brandes, geschäftsführender Vorstand des WWF Deutschland. „Eine intakte Natur ist der Schlüssel für die menschliche Gesundheit. Es ist sehr begrüßenswert, dass diese Erkenntnis jetzt auch auf der höchsten politischen Ebene angekommen ist.“ Die Bekenntnisse müssten sich jedoch auch in mehr finanzieller Unterstützung für den Naturschutz und konkreten Gesetzgebungen widerspiegeln.
Erstmals Fokus auf Biodiversität
Initiiert wurde der als Startschuss für die HAC-Gruppe dienende One Planet Summit schon 2017 – maßgeblich vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron im Zusammenhang mit der damaligen UN-Klimakonferenz in Bonn. Nun findet der Gipfel, abermals auf Einladung Frankreichs, zum ersten Mal mit dem Fokus auf Biodiversität statt. Es nehmen neben Staats- und Regierungschefs auch führende Vertreter:innen internationaler Organisationen wie der Weltbank, des Wirtschaftssektors und von NGOs teil.
Auf der Website zum One Planet Summit heißt es, die Coronakrise habe auf dramatische Weise vor Augen geführt, wie wichtig die Natur für das tägliche Leben und Wirtschaften ist. Die Schädigung der Ökosysteme sei beispiellos und werde zunehmend schwere Auswirkungen haben. „Diesen Trend umzukehren ist eine große Herausforderung für das kommende Jahrzehnt: Wir müssen unser gesamtes Verhältnis zur Natur neu überdenken.“
Kein Ziel erreicht
Auf der Agenda steht neben dem Schutz terrestrischer und – unter Leitung Großbritanniens – auch mariner Ökosysteme, die Förderung der Agrarökologie, insbesondere die Umsetzung der sogenannten Grünen Mauer Afrikas im Sahel zum Schutz vor fortschreitender Wüstenbildung. Hinzu kommen die Themen Pandemieprävention – womöglich ein Schub für den Natur- und Artenschutz – und die leidige Problematik der Finanzierung neuer Projekte durch öffentliche wie private Investitionen.
Die globale Biodiversitätskrise gilt unter Expert:innen als ähnlich bedrohlich wie die Klimakrise – zumal sich beide gegenseitig verstärken. 2019 veröffentlichte der Weltbiodiversitätsrat IPBES einen viel beachteten Bericht, der unter anderem vor der Bedrohung einer Million Arten warnte. 2020 meldeten die Vereinten Nationen in ihrem „Global Biodiversity Outlook“, dass kein einziges der 20 Ziele der UN-Biodiversitätskonvention für die Zeit von 2011 bis 2020 erfüllt wurde. Die Beratungen der mehr als 190 Mitgliedstaaten für ein Folgeabkommen bis 2030 kommen momentan schleppend voran. Der entscheidende Gipfel soll nach aktueller Planung im Herbst im südchinesischen Kunming stattfinden.
Das von der HAC-Gruppe unterstützte Ziel der UN zum verbindlichen Schutz von 30 Prozent der gesamten Land- und Meeresoberfläche der Erde wird von vielen Expert:innen und Naturschützer:innen begrüßt. Bisher sind es etwa 15 Prozent der Land- und 7 Prozent der Meeresflächen. Es gibt jedoch auch Kritik: Manche halten das Ziel für zu wenig ambitioniert. Andere hingegen lehnen es ab, weil es ihrer Einschätzung nach zulasten vor allem der indigenen Bevölkerung im Globalen Süden geht. So warnten Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen wie die NGO Survival International im September 2020 in einem offenen Brief, dass 300 Millionen Menschen im Namen des internationalen Naturschutzes aus ihrer Heimat vertrieben werden könnten. Außerdem ist noch gar nicht definiert, was genau als Schutzgebiet gelten soll.
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