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„Ich habe mich dann vor ihmgroß gemacht und ihn angebrüllt“

„Ich hatte Glück, es war bisher nie etwas, das großartig eskaliert ist. Letzten Sommer war ich mit einer Freundin unterwegs, wir waren aufgedragt und im Park bei einem queeren Picknick. Danach sind wir mit unserer Trans-Flagge durch Neukölln gelaufen. Da hat uns eine Gruppe Jungs angepöbelt.

Ich habe mich dann umgedreht und die angeschrien, das klappt eigentlich immer, aber in dem Fall hat es nicht funktioniert. Es hat sie angestachelt, die Situation hat sich hochgepusht. Es ist erst deeskaliert, als fremde Leute dazukamen.

Ich zeige so etwas normalerweise nicht an – Anzeigen gegen unbekannt fühlen sich so sinnlos an, das hilft der Statistik und nicht mir. Die Freundin, mit der ich unterwegs war, ist da anders. Sie sagte: ‚Wir gehen sofort zur Polizei!‘ Und das haben wir gemacht.

Bei der Polizei gibt es ja eine queere Ansprechstelle. Die haben uns eingeladen und noch einmal befragt. Wir fühlten uns relativ gut aufgenommen, als sie das Protokoll machten. Am Ende ist dann aber nichts dabei herausgekommen.

Aber für die Statistik der Polizei ist es wichtig, und für mich war es auch interessant, zu erfahren, wie die Polizei damit umgeht. Das war das erste Mal, dass ich transfeindliche Gewalt angezeigt habe. Ob ich noch mal zur Polizei gehen würde, wenn ich angepöbelt werde, kann ich so pauschal nicht sagen.

Es gab eine andere Situation, die würde ich heute auf jeden Fall anzeigen: Ich wurde mal mit einem Messer bedroht. Das war so vor fünf Jahren, ich hatte ein Date und habe den Typen auf der Straße geküsst. Da kam ein Mann auf uns zu, er fummelte in seiner Hosentasche und zückte ein Messer. Ich war so geistesgegenwärtig und habe nach seiner Hand gegriffen und sie nach oben gerissen.

Ich bin sehr groß und stämmig und weiß meine körperliche Präsenz zu nutzen: Ich habe mich vor ihm groß gemacht und ihn angebrüllt. Das war an der Sonnenallee, direkt um die Ecke von der Polizei, ich hätte ihn dorthin zerren können. Das habe ich damals nicht gemacht. Der Typ ist dann in den Bus gestiegen und weggefahren.

Tatsächlich habe ich mir in den letzten Jahren angewöhnt, dazwischenzugehen, wenn Sachen zu krass sind, mich dazwischenzustellen und laut zu brüllen. Das wirkt Wunder. Es ist eine Frage der Zivilcourage. Ich hatte auch mal eine Phase, in der ich nicht so selbstbewusst aufgetreten bin. Vor meiner Transition hatte ich oft das Gefühl, ich werde angestarrt in der U-Bahn, ich bin ungern U-Bahn gefahren. Dabei starren die Leute, weil ich eine große Frau bin. Das ist das Ungewöhnliche.

Damit hat das viel zu tun: Inwieweit fällt man auf? Ich habe ein gutes Passing, das heißt, ich falle als trans Person gar nicht auf, solange ich nicht spreche. Bekannten von mir, die als trans Personen auffallen, passiert super viel. Das ist die Hölle, was sie erleben.

Ich bezeichne mich selbst als trans Aktivistin und bin für mehr Sichtbarkeit. Deswegen habe ich auch zu diesem Interview ja gesagt: um sichtbar zu sein. Mir ist aber auch klar: Ich bin in einer relativ privilegierten Position, ich habe die Kraft, mich zu äußern, habe einen Job, bin weiß und deutsch. Nicht jede trans Person hat solche Ressourcen. Ich trage deshalb gern meinen Teil bei.“

Protokoll: Nicole Opitz

Kaey ist Redakteurin beim queeren Stadtmagazin Siegessäule, trans Aktivistin, Sängerin und Dragqueen. Sie organisiert Demos, etwa den Trans March 2016

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