American Football: Money, Money, Money
Die Alabama Crimson Tide sind erneut College-Football-Meister. Es war eine Saison, die ohne Rücksicht auf Verluste durchgepaukt wurde.
D as Konfetti fiel vom Himmel. Junge Männer fielen sich um den Hals und strahlten in die Handykameras ihrer Teamkollegen. Andere junge Männer ließen die Köpfe hängen und schlichen vom Feld. Es sah aus wie immer: Eine Mannschaft hatte den Titel gewonnen, die andere das Endspiel verloren. Aber natürlich war nichts wie immer nach dem 52:24-Sieg der Alabama Crimson Tide im College-Football-Endspiel gegen die Ohio State Buckeyes. Weil in dieser Zeit nichts ist, wie es war.
Schon unter normalen Umständen wäre dieser Erfolg bemerkenswert gewesen. Alabamas Chefcoach Nick Saban gewann seinen siebten Titel, so viele wie kein anderer Trainer in der anderthalb Jahrhunderte alten Geschichte des College Football. Auf dem Weg zum siebten Titel hat Sabans Mannschaft den Gegnern nicht den Hauch einer Chance gelassen und etliche neue Rekorde aufgestellt.
Die Stars des Teams, allen voran der überragende Wide Receiver Devonta Smith, der mit der „Heisman Trophy“ als bester College-Spieler des Landes ausgezeichnet wurde, aber auch Running Back Najee Harris und Quarterback Mac Jones werden demnächst als Profis in der NFL gutes Geld verdienen. Die Experten diskutieren nun, ob diese Mannschaft womöglich die beste in der College-Football-Historie ist. „Wir sind die beste Mannschaft, die es jemals gab“, ist sich der zugegeben eher parteiische Alabama-Quarterback Jones sicher.
Sein Trainer glaubt, es waren nicht zuletzt die Umstände, die seiner Mannschaft geholfen haben, so überlegen zu sein. „Ich habe meinen Spielern schon zu Beginn der Saison gesagt“, erklärte Saban nach dem Finale, „die Mannschaft, die am besten mit den Störungen klarkommt, wird die besten Chancen haben zu gewinnen.“ Mit Störungen meinte der 69-Jährige natürlich das Virus und die daraus resultierenden Einschränkungen. Die Pandemie, so Saban, habe sein Team „möglicherweise sogar noch enger zusammenrücken lassen“.
Todesopfer durch Corona
Grundsätzlich ist es eher umstritten, ob es eine gute Idee war, dass die gerade zu Ende gegangene Saison stattgefunden hat oder ob es überhaupt College-Sport geben muss. Insgesamt 158 Spiele mussten allein im Football abgesagt werden, Hunderte Spieler haben sich infiziert, es gab sogar Todesopfer. Chad Dorrill, Basketballer und Langstreckenläufer an der Appalachian State University, und Jamain Stephens, Football-Spieler an der California University of Pennsylvania, starben an Covid-19-Komplikationen.
Gespielt wurde trotzdem, denn auch wenn College-Sportler offiziell Amateure sind, wird doch viel Geld mit ihnen verdient. So viel, dass die Sportabteilungen der großen Universitäten mehr umsetzen als die meisten Fußball-Bundesligisten und ein Trainer wie Saban mit 9,3 Millionen Dollar Jahresgehalt der mit Abstand bestbezahlte Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes des Staates Alabama ist. Folgerichtig schickten die meisten Universitäten ihre normalen Studenten zwar nach Hause in den Digitalunterricht, beorderten die sogenannten Student-athletes aber auf den Campus, um dort zu trainieren, in einer vermeintlich sicheren Blase zu leben und TV-Einnahmen zu generieren. Wie ehrlich der Kampf gegen die Pandemie war, sah man daran, dass die von Bundesstaat zu Bundesstaat unterschiedlichen Hygieneregeln ausgereizt wurden, um möglichst viele zahlende Zuschauer in die Stadien zu lassen. Immerhin 14.000 waren beim Endspiel in Miami dabei.
Corona hat nur die strukturelle Verantwortungslosigkeit und den Zynismus der Verantwortlichen im College-Sport noch einmal offengelegt. „Diese Saison hat endgültig die Fassade eingerissen“, so Jordan Acker, ein Finanzverantwortlicher der University of Michigan, deren Football-Team im größten Stadion der USA meist vor mehr als 100.000 Menschen antritt, „dass es beim College um irgendetwas anderes als Geldverdienen geht.“
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